Berlin (agrar-PR) -
WWF-Studie zeigt große Lücken im Emissionshandelssystem der EU auf Der europäische Emissionshandel erweist sich für die
beteiligten Unternehmen als lukratives Geschäft. Der WWF zeigt in einer
neuen Studie, dass der angestrebte Klimaschutz dabei allerdings mehr
und mehr auf der Strecke bleibt. Im Auftrag des WWF hat das Öko-Institut
die kostenlose Zuteilung und die Nutzung von externen Gutschriften im
EU-Emissionshandel unter die Lupe genommen. Untersucht wurden sowohl die
fünf Hauptbranchen, die im Emissionshandel verpflichtet sind –
Stromerzeugung, Eisen & Stahl, Raffinerien, Chemie, und Zement - als
auch 13 deutsche Firmen, die zusammen für rund zwei Drittel der
Emissionen des EU-Emissionshandels verantwortlich sind.
Die Analyse zeigt, dass die fünf deutschen Stromversorger durch die Einpreisung von kostenlos erhaltenen CO2-Zertifikaten
in den Strompreis mit Zusatzgewinnen von rund 39 Milliarden Euro
kräftig abgesahnt haben. Die deutsche energieintensive Industrie erhielt
eine millionenschwere Überausstattung von Emissionshandelszertifikaten.
ThyssenKrupp wird bis 2012 voraussichtlich Zusatzprofite in Höhe von
384 Millionen und BASF von 104 Millionen Euro erzielen. „Gerade die
Unternehmen, die in den vergangenen Jahren stark über Belastungen durch
den Emissionshandel geklagt haben, sind große Gewinner des Systems“,
erläutert Regine Günther, Leiterin des Bereich Klimaschutz und
Energiepolitik beim WWF Deutschland.
Die Studie zeigt darüber hinaus, dass Unternehmen
im großen Stil von der Möglichkeit Gebrauch machen, über Clean
Development Mechanism (CDM) und Joint Implementation (JI) die
Minderungsverpflichtungen im Ausland statt in Deutschland zu erbringen.
Dadurch werde der dringend notwendige Umbau zu einer kohlenstoffarmen
Wirtschaft in Deutschland stark gebremst. Bis 2020 kann mehr als die
Hälfte der Minderungsleistungen über die Nutzung solcher Mechanismen
abgedeckt werden. Die Qualität der Auslandsprojekte der untersuchten
deutschen Unternehmen ist nach Einschätzung des WWF zum überwiegenden
Teil miserabel. Elf der 13 untersuchten Firmen deckten sich zu mehr als
50 Prozent mit CDM-Zertifikaten aus Projekten zur Vermeidung von HFC-23
Emissionen und N2O bei der Produktion von Adipinsäure ein.
BASF und RWE versorgen sich sogar zu mehr als 95 Prozent durch HFC-23
Projekte. Beide Projekttypen will die EU-Kommission ab 2013 verbieten.
„Es ist beschämend, dass viele deutsche Unternehmen
den CDM als Abzockermechanismus pervertiert haben und keinen Beitrag für
den Umbau den Energiesystems des Gastlandes geleistet haben,“
kommentiert Regine Günther. Damit der Klimaschutz in Europa wieder Fahrt
aufnehme, müsse die EU ihre Klimaschutzziele bis 2020 von heute 20
Prozent auf mindestens 30 Prozent erhöhen. Nur so können Industrie und
Stromversorger als größte Verursacher des Klimawandels stärker in die
Verantwortung genommen werden. Die Anrechenbarkeit von CDM-Zertifikaten
dürfe sich mit einer solchen Zielverschärfung nicht erhöhen. Der WWF
begrüßt den gestrigen Kommissionsvorschlag, Emissionsgutschriften aus
Projekten mit HFC-23 und N2O aus der Beseitigung von
Adipinsäure im EU-Emissionshandelssystem ab dem 1. Januar 2013 zu
verbieten. Der WWF fordert die Bundesregierung auf, diesen Vorschlag zu
unterstützen.
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Hinweise an die Redaktionen zu HFC 23 und Adipinsäure-Projekten:HFC-23
ist ein Abfallprodukt, das bei der Herstellung des Kühlmittels HCFC-22
anfällt. Die Vermeidungsmaßnahmen sind sehr kostengünstig. Die Kosten
der Emissionsvermeidung bei HFC-23 werden mit weniger als 0,5EUR/CDM
Zertifikat angegeben. Ein Antrag der NGO CDM Watch an den CDM
Exekutivrat im März 2010 legte den weitreichenden Betrug dar, mit dem
die Betreiber von HFC-23-Projekten in China und Indien Lücken des
Systems ausnutzen, und zeigte die kontraproduktiven Anreize auf, die in
der Berechnungsmethodologie angelegt sind und die zur Überproduktion von
HCFC-22 und HFC-23 führen. Dies führt zur Ausstellung von Millionen von
Schwindelgutschriften, die in die Emissionshandelsmärkte gelangen, ohne
dass tatsächliche Emissionsreduktionen stattfinden.
Bei der Herstellung der Chemikalie Adipinsäure fällt als Nebenprodukt das klimaschädliche Gas N2O
(Distickstoffmonoxyd) an, das bei den CDM-Projekten durch einen
zusätzlich eingebauten Katalysator oder durch eine Nachverbrennung
thermisch zerstört wird. Eine Studie von CDM Watch über N2O aus Adipinsäure zeigte, dass diese Art von CDM-Projekten zu einer CO2-Verlagerung
geführt haben – einer Produktionsverlagerung einschließlich insgesamt
steigender Emissionen – sowie der Ausstellung von etwa 13.5 Millionen
Schwindel-Emissionsgutschriften.