Hannover (agrar-PR) -
KTBL-Fachgespräch fand am 22. und 23. März in Hannover statt Gibt es Indikatoren, mit denen sich das nationale Tierschutzniveau in
der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung beschreiben lässt? Mit welchen
Messgrößen lassen sich zeitliche oder regionale Vergleiche anstellen und
der Erfolg von Tierschutzmaßnahmen belegen? Diesen Fragen ging das
Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL e.V.) im
Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV) am 22. und 23. März im Rahmen eines
Fachgesprächs in Hannover nach.
35 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Beratung,
Politik und Praxis stellten in den Themen-Blöcken „Betrieb und
Beratung“, „Betriebsbetreuung und -kontrolle“, „Handel und Vermarktung“
bis hin zu „Transport und Schlachtung“ ihre Erfahrungen mit
Tierschutzindikatoren vor. Diese Betrachtungsweise ist relativ neu und
soll den Tierschutz nachvollziehbarer und objektiver machen. Dazu werden
Messgrößen, die sich direkt am Tier erheben lassen, ebenso herangezogen
wie solche Indikatoren, die sich auf die Versorgung der Tiere beziehen
und sich aus Betreuung und Management der Tiere ergeben. Die Teilnehmer
waren sich einig, dass es notwendig sei, bestehende Indikatorsysteme
weiter zu entwickeln und zu verdichten, um in der Praxis leicht zu
erhebende, aber hinreichend aussagekräftige Indikatoren zu definieren,
die sich idealer Weise automatisiert erheben lassen. Derartige
Indikatoren können sowohl als Basis für die derzeit auf EU-Ebene
diskutierte Tierschutzkennzeichnung dienen als auch eine Bewertung der
Wirkung von Tierschutz bezogenen gesetzlichen Regelungen ermöglichen,
unterstrich Stefan Schulz vom Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Mit dem Ziel einer Ideensammlung zu Tierschutzindikatoren hatte im
Auftrag des BMELV das KTBL zur Diskussion am runden Tisch eingeladen.
Projektpartner waren das Institut für Tierhygiene, Tierschutz und
Nutztierethologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und das
Institut für Tierschutz und Tierhaltung des
Friedrich-Loeffler-Instituts in Celle.
Die Expertinnen und Experten erarbeiteten eine Reihe von Indikatoren,
die Rückschlüsse auf die Haltungs- und Transportbedingungen zulassen.
Als besonders belastbare Tierschutzindikatoren werden beispielsweise
Befunderhebungen am Tier im Bereich des Schlachthofes sowohl bei der
Lebendtierbeschau als auch am Schlachtkörper oder die
Transportentfernung zwischen Erzeuger und Schlachtbetrieb hervorgehoben.
Auch der Nachweis der Sachkunde des Landwirts, Tierbetreuers und
Fahrers sowie Umfang und Häufigkeit des Antibiotikaeinsatzes auf den
Betrieben wurden genannt. Kritisch angemerkt wurde die vielfach
mangelnde Verfügbarkeit und unzureichende Erhebung solcher Daten, denen
daher derzeit die Repräsentativität und damit die Aussagekraft fehlen.
In der Diskussion wurde deutlich, dass Daten, die bereits routinemäßig
erfasst werden, wie Daten aus der Fleischbeschaustatistik und des
Eutergesundheitsdienstes, sinnvoll verknüpft und ausgewertet werden
müssen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterstrichen die Bedeutung der
Zusammenarbeit aller Beteiligten von der Betriebsebene bis hin zur
Vermarktung. Unabdingbar seien Audits und Schulungen für Landwirte,
Kontrolleure und Transporteure, zur Vereinheitlichung des
Kenntnisstandes und zur Anpassung an den jeweils aktuellen Wissensstand.
Viele nationale und internationale Fachgruppen versuchen derzeit,
Schmerzen, Schäden und Leiden bei Nutztieren zu objektivieren,
Auswirkungen der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung auf Verhalten,
Tiergesundheit und Wohlbefinden zu beschreiben und dazu Indikatoren zu
entwickeln. Um Strategien für einen verbesserten Tierschutz zu
formulieren, ist es nach Expertenmeinung erforderlich, sich neben den
tierbezogenen Indikatoren auch auf Messgrößen zu verständigen, mit denen
der Grad des erreichten Tierschutzniveaus auch auf höherem
Aggregationsniveau gemessen werden kann.
Es ist bekannt, dass das Management mindestens so viel Einfluss auf das
Tierwohl hat, wie die baulichen Gegebenheiten. Für eine Bewertung der
Tiergerechtheit im Gesamtsystem der Haltung, des Transports und der
Schlachtung gibt es bisher keine allgemein anerkannten Indikatoren. Das
Fachgespräch hat wichtige Anstöße geliefert, über die
Haltungsbedingungen hinaus weitere Indikatoren zu entwickeln, die
Auskunft über das Wohlbefinden der Tiere geben.