19.05.2015 | 19:00:00 | ID: 20361 | Ressort: Umwelt | Umweltpolitik

Schleswig-Holstein stellt das Wolfsmanagement neu auf

Kiel (agrar-PR) -

Bis zum Anfang des 19 Jahrhunderts wurden die Wölfe in Schleswig-Holstein ausgerottet – der Wolf, ein gejagter Jäger. Nun, 200 Jahre später ist er wieder da.

Der Wolf ist ein wildes Raubtier, und als moderne Zivilisation sind wir es nicht mehr gewöhnt, mit wilden Raubtieren umzugehen. Aber auch umgekehrt gilt: Der Wolf ist nicht an die moderne Zivilisation gewöhnt, und wir wissen nur wenig darüber, wie er sich in einer dicht besiedelten Kulturlandschaft verhält.

Das Miteinander von Mensch und Wolf war stets Ausdruck für Ambivalenz, und auch heute weckt er Neugier und Furcht, Angst und Lust, ist mal Mythos, mal Dämon. In diesem Spannungsfeld müssen wir das Verhältnis Wolf - Mensch neu austarieren, Annahmen hinterfragen und diskutieren. Dafür sind wir heute Abend hier. Um einen offenen, sachlichen Blick zu wagen.

Schleswig-Holstein hat sich in Verantwortung meiner Amtsvorgängerin Juliane Rumpf früh aufgestellt und für den Fall, dass mal Wölfe auftauchen sollten, mit allen Beteiligten –Nutzern und Naturschützern – ein Managementprogramm erarbeitet. Über das Wolfmanagement wird informiert und aufgeklärt, untersucht und beraten, unterstützt und entschädigt. Das Programm war vorausschauend und richtig. Aber damals gingen Fachleute des Bundesamtes für Naturschutz davon aus, dass– wenn überhaupt – nur einzelne Tiere selten und für sehr kurze Zeit in Schleswig-Holstein auftauchen würden.

Die Wirklichkeit hat uns eines besseren belehrt. Jetzt streifen Wölfe praktisch permanent durch das Land. 22 sichere Nachweise sowie zwei bestätigte Hinweise gab es in den letzten Jahren, und auch in Dänemark tauchen immer wieder Wölfe auf.

Das fordert alle Beteiligten, und es fordert sie mehr als ursprünglich gedacht.

Da sind die Tierhalterinnen und Tierhalter: Schafe wurde gerissen – auch wenn es in zwei Dritteln der Fälle Hunde waren, so besorgt dies doch die Tierhalterinnen und Tierhalter. Sie sehen den Wolf als Bedrohung für ihre Herden, und die Bilder nach einem Angriff sind verstörend. Ja, die Tierhalter sind verantwortlich dafür, ihre Tiere selbst zu schützen. Aber wir wollen offene Weidelandschaften, wir wollen, dass Schafe auf der Wiese grasen und nicht in Ställe verbannt werden. Und deshalb leistet der Staat über das Wolfsmanagement den Tierhaltern ja auch Hilfe und Unterstützung.

Das sind die ehrenamtlichen Wolfsbetreuer – 38 im Land. Sie arbeiten bis zum Anschlag, sind unsere erste Hilfe Tag und Nacht, sind Ansprechpartner, Berater, Unterstützer, Experten. Ihnen gebührt besonderer Dank – stellvertretend für sie steht Herr Matzen, die treibende Kraft. Ohne sie geht es nicht, und ohne sie wird es nicht gehen.

Das ist Herr von Schenck – Leiter des Wildparks Eekholt. Der Wildpark hat von 2010 bis 2015 die Aufgabe eines schleswig-holsteinischen Wolfsinformationszentrums übernommen und sich in dieser Zeit stark und mit großer Sachkenntnis für den Schutz des Wolfes in Schleswig-Holstein engagiert. Die schiere Arbeitsanforderung ist es, weshalb der Wildpark diese Aufgabe in der Breite nicht mehr wahrnehmen kann.

Vor diesem Hintergrund strukturieren wir das Wolfsmanagement um und stellen in den nächsten Wochen neu auf. Die hohe öffentliche Bedeutung des Themas erfordert, dass wir es stärken und ausbauen.

Es wird künftig staatlich organisiert und beim LLUR angesiedelt. Das LLUR wird die zentrale Erst-Anlaufstelle für Betroffene und Interessierte, es übernimmt die Koordinierung der Aus- und Fortbildung der Wolfsbetreuer im Lande. Mit Hilfe der Integrierten Stationen werden Herdenschutzpakete künftig an mehreren Orten im Land gelagert werden und von dort an Betroffene gebracht werden

Das Management wird personell verstärkt. Herr Matzen wird noch mehr als bisher eingebunden. Erstmals werden wir – vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments – für 2016 einen eigenen Haushaltstitel haben, und das Management so auch finanziell stärken, voraussichtlich mit 100 000 Euro ausgestattet. Damit werden wir uns gut aufstellen. 

Die ehrenamtlichen Wolfsbetreuer sind für uns unentbehrlich. Sie sind schnell vor Ort, sie beraten die Tierhalter. Das soll auch so bleiben. Auch auf den fachkundigen Rat der Experten des Wildparks Eekholt wollen wir in Zukunft nicht ganz verzichten.

Und wir werden den Runden Tisch, der Jäger und Schafhalter, Natur- und Artenschützer einbindet, wiederbeleben und mit ihm diskutieren, ob das alles so reicht oder noch andere Dinge betrachtet werden müssen. Er soll regelmäßig tagen, so dass alle gesellschaftlichen Gruppen weiterhin einbezogen werden.

Letzte Details der Neuaufstellung des Managements werden wir noch klären, in den nächsten Wochen können wir das Programm dann in allen Einzelheiten veröffentlichen

Ich weiß, es gibt eine Debatte darüber, ob der Wolf in das Jagdrecht soll. Es ist kein Geheimnis, dass ich das nicht für sinnvoll halte. Mir erscheint es vielmehr als eine Stellvertreterdebatte für - ja, wofür eigentlich?

Der Wolf ist streng geschützt über das Artenschutzrecht. Im Jagdrecht hätte er daher ohnehin eine ganzjährige Schonzeit. Das Jagdrecht hat das Ziel, Bestände wildlebender Tiere zu bewirtschaften, im Sinne einer nachhaltigen Nutzung. Der Wolf befindet sich in einem ungünstigen Erhaltungszustand– daran wird sich absehbar nichts ändern. Vor diesem Hintergrund erscheint das Jagdrecht grundsätzlich weniger zur Lösung der anstehenden Probleme im Wolfsschutz geeignet als das Artenschutzrecht.

Auch konkret erscheint dieses sinnvoller: Um in Gefahrensituationen vorgehen zu können, gibt es auch jetzt die nötigen rechtlichen Instrumente: Wir haben die Möglichkeit, im Einzelfall artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen zur Vergrämung und zum Abschuss zu erteilen. Die Aufnahme ins Jagdrecht würde hier eher zu mehr Aufwand führen, weil zusätzliche Behörden eingebunden wären. In einer konkreten Gefahrensituation für Menschen darf zudem die Polizei selbstverständlich eingreifen.

Worüber wir aber reden müssen, ist, dass sich die Wölfe teilweise anders verhalten als bisher angenommen. In Lauenburg etwa zeigte ein Wolf kaum Scheu vor Menschen, in Niedersachsen ebenso, wie vermutet wird, weil den Tieren die Scheu durch Füttern abdressiert wurde. - Wie sollen und können wir auch praktisch mit  auffälligen Tieren umgehen?

Schon im ersten Managementprogramm wurde vereinbart, dass Wölfe, die durch problematisches Verhalten  die Akzeptanz für die Wolfspopulation gefährden, , im Einzelfall „entnommen“, ja, also getötet werden dürfen, unter Beachtung der strengen Ausnahmereglungen des Bundesnaturschutzgesetzes. Das ist nicht trivial, weder grundsätzlich noch in der Praxis Es geht hier um Akzeptanz. Dazu gehört, dass sich Menschen nicht bedroht fühlen. Das Instrument der Vergrämung soll – wann immer nötig und möglich – genutzt werden. Die Tötung soll immer der letzte Ausweg sein.

Auch darüber müssen wir offen reden, nicht im stillen Kämmerlein. Möglicherweise hier, und am Runden Tisch.

Mit all diesem werden wir uns auch in dieser neuen Phase des Wolfsmanagements in unserem Land gut aufstellen. Dafür brauchen wir auch Ihre Expertise, Ihre Erfahrung, Ihre Kritik.


 

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