Frankfurt (agrar-PR) -
Wassermangel und Dürre sind Wachstumsrisiko. / Österreich und Belgien wollen
UN-Konvention ratifizieren. Anlässlich des Abschluss der Weltwasserwoche in
Stockholm fordert die Umweltschutzorganisation WWF einen „Big Deal“ im
Kampf gegen die weltweite Wasserkrise.
Regierungen, Landwirtschaft und
Unternehmen müssten Strategien entwickeln, um die Versorgung mit
sauberem Trinkwasser dauerhaft sicherzustellen, fordert Martin Geiger,
Leiter Bereich Süßwasser beim WWF Deutschland, im Interview auf der
Weltwasserwoche in Stockholm. Ein Hoffnungsschimmer sei, dass mit
Österreich ein weiterer Staat die Ratifizierung der UN-Konvention zum
grenzüberschreitenden Wassermanagement in die Wege geleitet habe und
Belgien auf der Weltwasserwoche großes Interesse daran zeigte.
WWF-Experte Geiger sieht in der Wasserkrise nicht nur eine ökologische
und humanitäre Gefahr, sondern auch ein ökonomisches Wachstumsrisiko.
Wasser als Grundlage des Lebens ist essentiell, doch warum ist es auch für die Weltwirtschaft von großer Bedeutung?
Geiger: Wenn der fossile Rohstoff Öl - derzeit noch
– als Schmiermittel der Weltwirtschaft angesehen wird, dann muss Wasser
als die universelle und unverzichtbare Grundlage ökonomischen Erfolgs
betrachtet werden. Ohne Zugang zu Wasser kann der Agrar- und
Lebensmittelsektor nicht arbeiten. Ohne Wasser würde die
Stahlproduktion scheitern und in Folge dessen die Automobilindustrie
zusammenbrechen, auch Chips für die Computerindustrie könnten nicht
produziert werden. Im Gegensatz zu den fossilen Rohstoffen, für die
zunehmend Ersatzmöglichkeiten gefunden werden, gibt es zu Wasser keine
Alternative.
Also ist Wasser ein Wirtschaftsgut?
Geiger: Wasser ist vieles - auch ein
Wirtschaftsgut. Aber mehr als bei allen anderen Ressourcen spielen beim
„blauen Gold“ humanitäre und ökologische Gesichtspunkte eine
entscheidende Rolle. Es geht um gerechte Verteilung der knappen
Ressourcen, den Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäranlagen.
Zugleich müssen die entsprechenden Ökosysteme wie Flüsse, See oder
Feuchtgebiete geschützt werden, vor nicht nachhaltigen oder vielmals
sogar illegalen Wasserentnahmen, Verschmutzung und den Folgen
des
Klimawandels.
Wie kann eine weitere Verschärfung der Wasserkrise abgewendet werden?
Geiger: Was es jetzt braucht ist ein weltweiter
„Big Deal“, einen wirklichen großen Wurf, in der Wasserpolitik.
Industrie und Landwirtschaft sind hierbei genauso gefordert, wie die
internationale Staatengemeinschaft.
Als erster Schritt muss endlich die
UN-Konvention für ein nachhaltiges, verantwortungsvolles und vor allem
grenzüberschreitendes Management von Wasservorkommen ratifiziert
werden. Besonders erfreulich ist es daher, dass Österreich kürzlich die
Ratifizierung in die Wege leitete und vergangene Woche Belgien die
Absicht geäußert hat, dem Abkommen beizutreten.
Wo sehen Sie die deutsche Bundesregierung in der Pflicht?
Geiger: Deutschland sollte sich auf europäischer
Ebene dafür einsetzen, dass Agrar-Subventionen nur noch bei einer
nachweisbaren, nachhaltigen und effizienten Wassernutzung gewährt
werden, speziell in der Bewässerungslandwirtschaft. Im internationalen
Bereich muss sich eine Industrienation wie Deutschland über die
Entwicklungszusammenarbeit dafür engagieren, dass in ärmeren Staaten,
die meist besonders hart von einer Wasserkrise betroffen sind,
Technologien zur effizienten Wassernutzung eingesetzt werden.
Wie wird Deutschland als wasserreiches Land von einer Wasserkrise betroffen sein?
Geiger: In einer globalisierten Welt, ist keine
Volkswirtschaft mehr unabhängig. Auch nicht in der Wasser-Frage. Nach
der neuen WWF-Studie zum Wasser-Fußabdruck Deutschlands wird rund die
Hälfte des deutschen Wasserbedarfs über ausländische Produkte
importiert. Damit führt die Bundesrepublik jedes Jahr 79,5 Mrd. m³
Wasser ein. Wir sind also direkt abhängig von den Wasserressourcen
anderer Länder. Wenn dort, beispielsweise wie derzeit in Indien,
Wassermangel herrscht, hat das auf unsere Versorgung mit
landwirtschaftlichen Gütern wie Kaffee, Baumwolle oder auch Fleisch
Auswirkungen. Ausserdem verschärft Wassermangel die Armut und schürt
Konflikte - von denen wir wiederum indirekt betroffen sind.
Wird der Zugang zu Trinkwasser also eines Tages zum Luxus werden?
Geiger: Wir dürfen nicht den Fehler machen unseren
westlichen Standard zur weltweiten Realität zu verklären. Für die weit
über ein Milliarde Menschen, die derzeit noch keinen sicheren,
dauerhaften Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, ist Wasser bereits
heute ein Luxusgut. Das muss nicht sein, die Lösungen für Alle Zugang
zu schaffen gibt es bereits heute. Es ist eine Frage der Planung,
Prioritätensetzung, der Verteilung und der Investitionen und nicht der
Verfügbarkeit.
Nach welchen Kriterien muss sich eine gerechte und zugleich ökologisch nachhaltige Wasserpolitik richten?
Geiger: Grundsatz muss immer sein, wie viel Wasser,
in welcher Region und zu welchem Zeitpunkt der Natur entnommen werden
kann. Weltweit müssen Flüsse, Seen und Feuchtgebiete unter Schutz
gestellt und renaturiert werden. Nur ökologisch gesunde
Süßwasserspeicher können auch in Zukunft, vor allem mit den
Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserressourcen, unsere
Versorgung sichern.