12.08.2009 | 00:00:00 | ID: 1641 | Ressort: Umwelt | Umweltschutz

Ersatzgeld bleibt weiter die Ausnahme

Hannover (agrar-PR) - Naturschutzgesetz  Am 1. März 2010 treten die Vorschriften des neuen Bundesnaturschutzgesetzes in Kraft. Für das noch geltende Niedersächsische Naturschutzgesetz läuft damit die Zeit ab. Im folgenden Artikel werden die beschlossenen Veränderungen und die Möglichkeiten des Landes beschrieben, davon noch abzuweichen.

Ab Frühjahr 2010 gilt im Naturschutz wie schon in anderen Rechtsgebieten, dass Bundesrecht grundsätzlich vor Landesrecht geht. Bisher war das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) bis auf einige Ausnahmen eine Rahmenregelung, die in Ländergesetzen ausgefüllt werden musste. Im Laufe der Zeit entwickelten sich sehr unterschiedliche Anforderungen in den einzelnen Bundesländern. Trotz der Kompetenzreform wird es ein völlig bundeseinheitliches Naturschutzrecht aber weiterhin nicht geben. Die Bundesländer sind durch eine Sonderregelung im Grundgesetz und zahlreiche Ermächtigungen im BNatSchG dazu berechtigt, in vielen Bereichen ergänzende oder auch abweichende Vorschriften zu erlassen. Macht ein Land erst nach dem
1. März 2010 von diesen Abweichungsmöglichkeiten Gebrauch, entsteht eine sehr komplizierte Situation. Denn dann wird das heutige Landesrecht zunächst durch das neue Bundesrecht ersetzt, bis wieder ein neues Landesrecht verkündet wird. Daher sollten die Länder möglichst bis zum 28. Februar 2010 ihre Naturschutzgesetze so anpassen, dass nicht weitere Unsicherheiten entsteht.

Artenschutz

Für niedersächsische Landwirte ändert sich durch das neue BNatSchG unmittelbar nur wenig. Praxisrelevant sind die Artenschutzregelungen. Sie gelten flächendeckend auch außerhalb von Schutzgebieten, für das Land besteht kein Abweichungsrecht. Der Deutsche Bauernverband konnte hier erfolgreich durchsetzen, dass entgegen den ersten Planungen des Bundesumweltministeriums das Fachrecht z. B. im Bereich des Pflanzenschutzes oder auch der Jagd weiterhin gleichberechtigt neben den Artenschutzvorschriften steht. Neu ist dagegen, dass der Einsatz von Grabenfräsen in ständig wasserführenden Gräben nur zulässig ist, wenn keine erheblichen Schäden für die Tierwelt drohen. Nach Bundesrecht dürfen in der Zeit vom
1. März bis zum 30. September Bäume, Gehölze oder Hecken sowohl in der freien Landschaft als auch in Ortslagen oder auf Wohn- und Gartengrundstücken nicht abgesägt oder gerodet werden. Ausnahmen bedürfen einer behördlichen Erlaubnis, z. B. bei Baumaßnahmen. Ganzjährig freigestellt sind dafür schonende Form- und Pflegeschnitte.

Die stark umstrittene bundesweite Genehmigungspflicht für das Anpflanzen so genannter „gebietsfremder Gehölze“ in der freien Natur, beispielsweise als Alleebäume, wird erst 2020 eingeführt und soll den betroffenen Baumschulen eine Anpassung ermöglichen. Die Kritik des Deutschen Bauernverbandes an einer Ausdehnung der strengen Regelungen zu besonders geschützten Arten blieb leider erfolglos. Für diese Arten können auch außerhalb von Schutzgebieten Bewirtschaftungseinschränkungen für land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen verfügt werden. Das bewährte Landwirtschaftsprivileg für unvermeidbare und unbeabsichtigte Beeinträchtigungen wird hier erneut über die europäischen Vorgaben hinaus eingeschränkt.

Biotopverbund

Insgesamt schreibt das BNatSchG den Bundesländern ohne Abweichungsmöglichkeit vor, dass auf mindestens zehn Prozent der Landesfläche ein Biotopverbundsystem geschaffen werden soll. Dazu können die bestehenden Schutzgebiete und regional oder landesweit geschützten Landschaftsbestandteile wie z. B. Wallhecken oder auch Teile von Naturparken einbezogen werden. Für die Behörden in den Ländern ist zukünftig vorgegeben, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten eine Biotopvernetzung zu erhalten bzw. zu schaffen. Wegen des Umfangs bereits bestehender Schutzgebiete und Regeln zum Schutz von Landschaftselementen sieht das Landvolk die Naturschutzbehörden in der Pflicht, die Umsetzung ausschließlich über entsprechende Planungen und eine landwirtschaftsverträgliche Ausgestaltung von Kompensationsmaßnahmen umzusetzen.

Die lange Liste der unmittelbar gesetzlich geschützten Biotope wurde im BNatSchG noch um einige Typen wie z. B. die Großseggenriede erweitert. Bei einer Zerstörung oder erheblichen Beeinträchtigung dieser Biotope droht grundsätzlich ein Bußgeld, auch wenn noch keine Eintragung in ein öffentliches Register oder direkte Bekanntgabe durch die Behörde erfolgte. Das ist eine Verschärfung gegenüber den niedersächsischen Vorschriften. Zum Vertrauensschutz im Vertragsnaturschutz mit der Landwirtschaft wurde festgelegt, dass die Wiederaufnahme der ursprünglichen Nutzung ohne Einschränkungen und ohne Anwendung der Eingriffsregelung noch bis zu zehn Jahre nach Vertragsende möglich ist, auch wenn ein gesetzlich geschütztes Biotop während der vertraglichen Bindung entsteht.

Die Vorschriften über die europäischen Vogelschutz- und FFH-Gebiete (Natura 2000) bleiben weitgehend unverändert. Die Bundesländer haben durch den engen europäischen Rahmen hier nur in der Theorie echte  Abweichungsmöglichkeiten. Für die Natura 2000-Gebiete werden als Mindestmaß gebietsbezogene Bestimmungen und Regelungen gefordert, mit denen ein gleichwertiger Schutzstatus wie in Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten erreicht wird. Auf eine Schutzgebietsverordnung kann daher weiterhin verzichtet werden, wenn dieser hohe Anspruch durch andere Maßnahmen erfüllt ist.

Dokumentation

Die als systemfremdes Element erst 2002 unter der rot-grünen Bundesregierung eingefügten Grundsätze der guten fachlichen Praxis bleiben leider bestehen. Sie entfalten zukünftig unmittelbare Wirkung, wenn Niedersachsen keine abweichende Regelung treffen sollte. Das Gesetz zählt dazu die bekannten Dokumentationsvorschriften nach Düngeverordnung und Pflanzenschutzgesetz auf und legt für erosionsgefährdete Hänge, Überschwemmungsgebiete, Moorstandorte und Standorten mit hohen Grundwasserständen auch eine Grünlanderhaltungspflicht fest. Im Zusammenspiel mit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, von der die landwirtschaftliche Flächennutzung nur bei Beachtung dieser Grundsätze von Anzeige-, Genehmigungs- und Kompensationspflichten ausgenommen wird, entstehen damit neue Konflikte und Auslegungsprobleme.

Zentraler Streitpunkt bei der Gesetzesnovelle waren bis zuletzt die Kompensation erheblicher Eingriffe in Natur und Landschaftsbild. Niedersachsen hatte sich im Vorfeld intensiv für eine Ausgestaltung eingesetzt, die den Ländern eine gleichrangige Stellung von flächengebundener Kompensation und  Ersatzzahlung in einen Naturschutzfonds zu ermöglichen. Diese Forderung wurde auch vom Deutschen Bauernverband und vom Landvolk Niedersachsen an die Bundestagsabgeordneten herangetragen. So weit wollten CDU und SPD in Berlin jedoch nicht gehen und lehnten einen von der FDP eingebrachten Antrag im Bundestag ab. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander scheiterte schließlich auch im Bundesrat am Widerstand der Länder. Damit bleibt die Ersatzzahlung weiterhin auf Fälle beschränkt, in denen eine flächengebundene Kompensation nicht realisierbar ist.

Flächenverbrauch

Die Kritik aus der Landwirtschaft am Flächenverbrauch und an der häufig mangelhaften Ausführung von Ausgleichsmaßnahmen hat dennoch zu gesetzlichen Flexibilisierungen geführt. Zukünftig sind Ersatzmaßnahmen ausdrücklich auch in FFH- und Vogelschutzgebieten sowie zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie möglich. Bei Kompensationen auf Acker- und Grünland und im Forst sollen wertvolle Böden geschont und Nutzungsaufgaben vermieden werden. Das Gesetz stellt klar, dass stattdessen Entsiegelungs- oder auch Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen als Ersatzmaßnahme für Eingriffe vorzuziehen sind. Außerdem wird es den Ländern ermöglicht, über Ökokonten die Schaffung von Kompensationsflächenpools zu erleichtern. Als „Suchraum“ kann über Landkreisgrenzen hinweg der gesamte Naturraum für eine landwirtschaftsverträgliche Kompensation eines Eingriffs herangezogen werden. Nur bei Maßnahmen zum örtlichen Landschaftsbildes oder Erhaltung besonderer Arten bestehen hier im Einzelfall engere Grenzen.

Bundes- und Landesministerien werden sich bei der Umsetzung in Detailregelungen daran messen lassen müssen, die erreichte Flexibilität für Vorhabenträger, Planer, Behörden und Landwirtschaft nicht erneut einzuschränken. Unabhängig vom Streit über die Gleichstellung des Ersatzgeldes sollte die Landesregierung in jedem Fall die Gelegenheit nutzen, die notwendigen Klarstellungen im Verhältnis zum Bundesrecht mit der Streichung überflüssige Sonderregelungen, z. B. zur Verbandsbeteiligung bei Kompensationsmaßnahmen, zu verbinden.
Pressekontakt
Frau Sonja Markgraf
Telefon: 0511/36704-31
E-Mail: pressestelle@landvolk.org
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Landvolk Niedersachsen - Landesbauernverband e.V.
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