Hannover (agrar-PR) - Naturschutzgesetz Am 1. März 2010 treten die
Vorschriften des neuen Bundesnaturschutzgesetzes in Kraft. Für das noch
geltende Niedersächsische Naturschutzgesetz läuft damit die Zeit ab. Im
folgenden Artikel werden die beschlossenen Veränderungen und die
Möglichkeiten des Landes beschrieben, davon noch abzuweichen.
Ab Frühjahr 2010 gilt im Naturschutz wie schon in anderen
Rechtsgebieten, dass Bundesrecht grundsätzlich vor Landesrecht geht.
Bisher war das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) bis auf einige
Ausnahmen eine Rahmenregelung, die in Ländergesetzen ausgefüllt werden
musste. Im Laufe der Zeit entwickelten sich sehr unterschiedliche
Anforderungen in den einzelnen Bundesländern. Trotz der Kompetenzreform
wird es ein völlig bundeseinheitliches Naturschutzrecht aber weiterhin
nicht geben. Die Bundesländer sind durch eine Sonderregelung im
Grundgesetz und zahlreiche Ermächtigungen im BNatSchG dazu berechtigt,
in vielen Bereichen ergänzende oder auch abweichende Vorschriften zu
erlassen. Macht ein Land erst nach dem
1. März 2010 von diesen
Abweichungsmöglichkeiten Gebrauch, entsteht eine sehr komplizierte
Situation. Denn dann wird das heutige Landesrecht zunächst durch das
neue Bundesrecht ersetzt, bis wieder ein neues Landesrecht verkündet
wird. Daher sollten die Länder möglichst bis zum 28. Februar 2010 ihre
Naturschutzgesetze so anpassen, dass nicht weitere Unsicherheiten
entsteht.
Artenschutz
Für niedersächsische Landwirte ändert sich durch das neue BNatSchG
unmittelbar nur wenig. Praxisrelevant sind die Artenschutzregelungen.
Sie gelten flächendeckend auch außerhalb von Schutzgebieten, für das
Land besteht kein Abweichungsrecht. Der Deutsche Bauernverband konnte
hier erfolgreich durchsetzen, dass entgegen den ersten Planungen des
Bundesumweltministeriums das Fachrecht z. B. im Bereich des
Pflanzenschutzes oder auch der Jagd weiterhin gleichberechtigt neben
den Artenschutzvorschriften steht. Neu ist dagegen, dass der Einsatz
von Grabenfräsen in ständig wasserführenden Gräben nur zulässig ist,
wenn keine erheblichen Schäden für die Tierwelt drohen. Nach
Bundesrecht dürfen in der Zeit vom
1. März bis zum 30. September Bäume,
Gehölze oder Hecken sowohl in der freien Landschaft als auch in
Ortslagen oder auf Wohn- und Gartengrundstücken nicht abgesägt oder
gerodet werden. Ausnahmen bedürfen einer behördlichen Erlaubnis, z. B.
bei Baumaßnahmen. Ganzjährig freigestellt sind dafür schonende Form-
und Pflegeschnitte.
Die stark umstrittene bundesweite Genehmigungspflicht für das
Anpflanzen so genannter „gebietsfremder Gehölze“ in der freien Natur,
beispielsweise als Alleebäume, wird erst 2020 eingeführt und soll den
betroffenen Baumschulen eine Anpassung ermöglichen. Die Kritik des
Deutschen Bauernverbandes an einer Ausdehnung der strengen Regelungen
zu besonders geschützten Arten blieb leider erfolglos. Für diese Arten
können auch außerhalb von Schutzgebieten
Bewirtschaftungseinschränkungen für land- oder forstwirtschaftlich
genutzte Flächen verfügt werden. Das bewährte Landwirtschaftsprivileg
für unvermeidbare und unbeabsichtigte Beeinträchtigungen wird hier
erneut über die europäischen Vorgaben hinaus eingeschränkt.
Biotopverbund
Insgesamt schreibt das BNatSchG den Bundesländern ohne
Abweichungsmöglichkeit vor, dass auf mindestens zehn Prozent der
Landesfläche ein Biotopverbundsystem geschaffen werden soll. Dazu
können die bestehenden Schutzgebiete und regional oder landesweit
geschützten Landschaftsbestandteile wie z. B. Wallhecken oder auch
Teile von Naturparken einbezogen werden. Für die Behörden in den
Ländern ist zukünftig vorgegeben, im Rahmen der bestehenden
Möglichkeiten eine Biotopvernetzung zu erhalten bzw. zu schaffen. Wegen
des Umfangs bereits bestehender Schutzgebiete und Regeln zum Schutz von
Landschaftselementen sieht das Landvolk die Naturschutzbehörden in der
Pflicht, die Umsetzung ausschließlich über entsprechende Planungen und
eine landwirtschaftsverträgliche Ausgestaltung von
Kompensationsmaßnahmen umzusetzen.
Die lange Liste der unmittelbar gesetzlich geschützten Biotope wurde
im BNatSchG noch um einige Typen wie z. B. die Großseggenriede
erweitert. Bei einer Zerstörung oder erheblichen Beeinträchtigung
dieser Biotope droht grundsätzlich ein Bußgeld, auch wenn noch keine
Eintragung in ein öffentliches Register oder direkte Bekanntgabe durch
die Behörde erfolgte. Das ist eine Verschärfung gegenüber den
niedersächsischen Vorschriften. Zum Vertrauensschutz im
Vertragsnaturschutz mit der Landwirtschaft wurde festgelegt, dass die
Wiederaufnahme der ursprünglichen Nutzung ohne Einschränkungen und ohne
Anwendung der Eingriffsregelung noch bis zu zehn Jahre nach
Vertragsende möglich ist, auch wenn ein gesetzlich geschütztes Biotop
während der vertraglichen Bindung entsteht.
Die Vorschriften über die europäischen Vogelschutz- und FFH-Gebiete
(Natura 2000) bleiben weitgehend unverändert. Die Bundesländer haben
durch den engen europäischen Rahmen hier nur in der Theorie echte
Abweichungsmöglichkeiten. Für die Natura 2000-Gebiete werden als
Mindestmaß gebietsbezogene Bestimmungen und Regelungen gefordert, mit
denen ein gleichwertiger Schutzstatus wie in Naturschutz- oder
Landschaftsschutzgebieten erreicht wird. Auf eine
Schutzgebietsverordnung kann daher weiterhin verzichtet werden, wenn
dieser hohe Anspruch durch andere Maßnahmen erfüllt ist.
Dokumentation
Die als systemfremdes Element erst 2002 unter der rot-grünen
Bundesregierung eingefügten Grundsätze der guten fachlichen Praxis
bleiben leider bestehen. Sie entfalten zukünftig unmittelbare Wirkung,
wenn Niedersachsen keine abweichende Regelung treffen sollte. Das
Gesetz zählt dazu die bekannten Dokumentationsvorschriften nach
Düngeverordnung und Pflanzenschutzgesetz auf und legt für
erosionsgefährdete Hänge, Überschwemmungsgebiete, Moorstandorte und
Standorten mit hohen Grundwasserständen auch eine
Grünlanderhaltungspflicht fest. Im Zusammenspiel mit der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, von der die
landwirtschaftliche Flächennutzung nur bei Beachtung dieser Grundsätze
von Anzeige-, Genehmigungs- und Kompensationspflichten ausgenommen
wird, entstehen damit neue Konflikte und Auslegungsprobleme.
Zentraler Streitpunkt bei der Gesetzesnovelle waren bis zuletzt die
Kompensation erheblicher Eingriffe in Natur und Landschaftsbild.
Niedersachsen hatte sich im Vorfeld intensiv für eine Ausgestaltung
eingesetzt, die den Ländern eine gleichrangige Stellung von
flächengebundener Kompensation und Ersatzzahlung in einen
Naturschutzfonds zu ermöglichen. Diese Forderung wurde auch vom
Deutschen Bauernverband und vom Landvolk Niedersachsen an die
Bundestagsabgeordneten herangetragen. So weit wollten CDU und SPD in
Berlin jedoch nicht gehen und lehnten einen von der FDP eingebrachten
Antrag im Bundestag ab. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich
Sander scheiterte schließlich auch im Bundesrat am Widerstand der
Länder. Damit bleibt die Ersatzzahlung weiterhin auf Fälle beschränkt,
in denen eine flächengebundene Kompensation nicht realisierbar ist.
Flächenverbrauch
Die Kritik aus der Landwirtschaft am Flächenverbrauch und an der
häufig mangelhaften Ausführung von Ausgleichsmaßnahmen hat dennoch zu
gesetzlichen Flexibilisierungen geführt. Zukünftig sind Ersatzmaßnahmen
ausdrücklich auch in FFH- und Vogelschutzgebieten sowie zur Umsetzung
der Wasserrahmenrichtlinie möglich. Bei Kompensationen auf Acker- und
Grünland und im Forst sollen wertvolle Böden geschont und
Nutzungsaufgaben vermieden werden. Das Gesetz stellt klar, dass
stattdessen Entsiegelungs- oder auch Bewirtschaftungs- und
Pflegemaßnahmen als Ersatzmaßnahme für Eingriffe vorzuziehen sind.
Außerdem wird es den Ländern ermöglicht, über Ökokonten die Schaffung
von Kompensationsflächenpools zu erleichtern. Als „Suchraum“ kann über
Landkreisgrenzen hinweg der gesamte Naturraum für eine
landwirtschaftsverträgliche Kompensation eines Eingriffs herangezogen
werden. Nur bei Maßnahmen zum örtlichen Landschaftsbildes oder
Erhaltung besonderer Arten bestehen hier im Einzelfall engere Grenzen.
Bundes- und Landesministerien werden sich bei der Umsetzung in
Detailregelungen daran messen lassen müssen, die erreichte Flexibilität
für Vorhabenträger, Planer, Behörden und Landwirtschaft nicht erneut
einzuschränken. Unabhängig vom Streit über die Gleichstellung des
Ersatzgeldes sollte die Landesregierung in jedem Fall die Gelegenheit
nutzen, die notwendigen Klarstellungen im Verhältnis zum Bundesrecht
mit der Streichung überflüssige Sonderregelungen, z. B. zur
Verbandsbeteiligung bei Kompensationsmaßnahmen, zu verbinden.