31.08.2012 | 13:05:00 | ID: 13508 | Ressort: Umwelt | Veranstaltungen

7. Station Naturerbetour: Von Bismarck bis Ravensburger – Erhalt alter Obstsorten im „Lebenden Obstsortenmuseum“

Düsseldorf (agrar-PR) - Remmel: Wir verlieren die genetische Vielfalt bei Obst und Gemüsesorten

Heutzutage finden weniger als 20 Apfelsorten den Weg in unsere Läden. Vor rund 100 Jahren waren es noch über eintausend Apfelsorten, die in Deutschland mehr oder weniger verbreitet, angebaut und gegessen wurden. „Wir verlieren bei unseren Obst- und Gemüsesorten die genetische Vielfalt und damit einen wichtigen Teil der sogenannten Agrobiodiversität", ist die Sorge von Umweltminister Johannes Remmel. „Heutige, kommerziell genutzte Sorten, sind oft anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Die Verbraucher verlangen gleichzeitig ‚makellose' Früchte, ohne Schorfflecken oder Fraßstellen von Insekten. Die Folge ist ein massiver Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Nur durch den Erhalt einer breiten genetischen Basis behalten unsere Obstbauern und Obstbäuerinnen die Chance, sich auf künftige Herausforderungen, wie den Klimawandel, einzustellen."

Alte Obstsorten zu erhalten ist erklärtes Ziel des Obst-Arboretums Olderdissen in Bielefeld, das sogenannte „Lebende Obstsortenmuseum". Bei seinem Besuch auf der rund zwei Hektar großen Anlage, konnte Minister Remmel

508 verschiedene Obstsorten besichtigen. „Initiativen wie das Obstmuseum helfen uns, einen Teil unserer Agrobiodiversität und damit einem Teil der biologischen Vielfalt bzw. des Naturerbes zu bewahren. Auch die vom Menschen seit Jahrhunderten entwickelte Sortenvielfalt bei Pflanzen oder die Rassevielfalt bei Nutztieren gehören zu unserem Naturerbe. Das gilt es zu bewahren", so der Minister.

Die Ursachen für das Verschwinden alter Obstorten sind vielfältig. Die Lagerung oder Verarbeitung von selbst erzeugtem Obst in eigenen Gärten spielt heute zur Ernährung keine Rolle mehr. Die Erzeugung hat sich stark konzentriert auf Regionen mit günstigen klimatischen Bedingungen, im Handel gefragt sind wenige einheitliche, transportfähige und damit marktfähige Sorten. Hinzu kommt ein stark spezialisierter Obstanbau weg von Hochstammkulturen hin zu intensiv genutzten Niederstamm-Plantagen.

Mit dem Verschwinden von alten Obstsorten geht ein Verschwinden von Streuobstwiesen einher, die früher rund um landwirtschaftliche Betriebe angesiedelt waren und heute nur noch ganz selten zu finden sind. Allein in den letzten 40 Jahren ist in Nordrhein-Westfalen ein Rückgang an Streuobstwiesen von 74 Prozent zu verzeichnen. Das hat dazu geführt, dass der Lebensraum Streuobstwiese in der „Roten Liste der gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Biotoptypen" aufgeführt ist. Streuobstwiesen sind wiederum Lebensraum für verschiedene Rote-Liste-Arten, wie Steinkauz, Siebenschläfer oder Hornisse.

„Alte Obstsorten und Streuobstwiesen sind nicht nur wichtig für die Artenvielfalt, sondern sind auch ein wichtiger Teil von regionaler Kultur und Identität," ergänzte Remmel. „Die Sortenvielfalt und der Lebensraum Streuobstwiese sind Kulturgüter, die über Jahrhunderte entstanden sind. Das spiegelt sich auch im Brauchtum und vor allem in vielen regionalen Rezepten wieder, wie dem rheinischem Apfelkraut oder der Schmorbirne."

Unter den 508 Obstsorten befinden sich allein 352 Apfelsorten, die teilweise schillernde Namen tragen wie London Pepping, Gelbe Schafsnase oder Prinz Albrecht. Außerdem werden aktuell 67 verschiedene Süßkirschen, 42 Pflaumen/Zwetschgen/Mirabellen, 17 Aprikosen, 13 Pfirsiche, 10 Birnen, 3 Sauerkirschen, 1 Quitte und 3 weitere Obstsorten erhalten. Die Anlage ist einmalig in NRW und soll in den nächsten Jahren auf rund 670 Sorten erweitert werden. Das Arboretum kooperiert seit kurzem mit der Deutschen Genbank Obst und ist eingebunden in das privat initiierte „Erhalternetzwerk Obstsortenvielfalt" des Pomologen-Vereins (Pomologen =bstbauexperten, insbesondere Sortenbestimmung).

Das Obst-Arboretums Olderdissen in Bielefeld war bereits die siebte Station der Naturerbetour. Bei seinen gut 10 Terminen bis in den Herbst hinein wird Minister Remmel neben bekannten Naturerbe-Zielen, wie etwa dem Nationalpark Eifel, auch das weniger bekannte Naturerbe in den Fokus der Öffentlichkeit ziehen, etwa die Naturwaldzelle „Schiefe Wand" im Sauerland, die Lippeauen in Hamm und das Thema „Natur in der Stadt" im Ruhrgebiet. Die nächste Station führt ihn am Freitag den 7. September 2012 in den Diersforther Wald bei Hamminkeln. Thema sein wird unter anderem das Insekt des Jahres 2012, der Hirschkäfer.


Hintergrundinformationen NRW-Naturerbe:

In NRW stehen schon jetzt rund 45 Prozent der Tier- und Pflanzenarten in der Roten Liste, sind entweder schon ausgestorben oder gefährdet. „Wir sind dabei die Festplatte unserer Natur zu löschen", so Umweltminister Remmel.

Zum Schutz der Artenvielfalt verfügt NRW über rund 3000 Naturschutzgebiete, etwa 550 Gebiete des europäischen Schutzgebietssystems „Natura 2000" (8,4% der Landesfläche), einen Nationalpark in der Eifel und 14 Naturparke.

Bemerkenswert groß ist die Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen mit über 40.000 verschiedenen Pflanzen- und Tierarten. Gleichwohl steht fast die Hälfte von ihnen auf der Roten Liste. Etwa 45 % der heimischen Tier-, Pilz- und Pflanzenarten sind in ihren Beständen gefährdet oder bereits ausgestorben. Von den insgesamt etwa 12.000 betrachteten Arten sind 42 % der Farn- und Blütenpflanzen, 42 % der Säugetierarten, über 50 % der Vogelarten und 55 % der Schmetterlingsarten gefährdet oder ausgestorben.

Weitere Informationen über wertvolle Natur- und Vogelschutzgebiete, Naturparke, das Biotop-Kataster sowie den Zustand von Gewässern gibt es in der neuen Datenbank des Umweltministeriums "Umweltinformationen vor Ort": www.uvo.nrw.de

Weitere Informationen
- www.naturerbe.nrw.de
- Thema "Förderung von Streuobstwiesen" (PDF, 1,9 MB) http://www.umwelt.nrw.de/naturschutz/pdf/streuobstwiesenschutz.pdf
- Pomologen Verein: Alte Obstsorten http://www.pomologen-verein.de/


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