22.12.2010 | 11:45:00 | ID: 7448 | Ressort: Umwelt | Wissenschaft & Forschung

Das Boden-Metagenom - der Rohstoff für das 21. Jahrhundert

Braunschweig (agrar-PR) - Neue Techniken bringen ungeahnte Einblicke in die genetische Vielfalt der Böden.
Belebte Erde: In jedem Gramm Ackerboden sind so viele Bakterienzellen, wie es Menschen auf unserem Planeten gibt. Diese Bakterien verteilen sich auf mehr als 10.000 verschiedene Arten. Hinzu kommt ein ganzes Heer anderer Mikroorganismen wie Pilze und Protozoen. Das heißt, der Boden birgt eine schier unüberschaubare Vielfalt an Erbsubstanz. Diese Vielfalt zu sichten, zu entschlüsseln und womöglich für biotechnologische Zwecke nutzbar zu machen, damit befasst sich das relativ junge Forschungsgebiet der Boden-Metagenomik. Ein internationaler Kongress am Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) führte im Dezember 2010 mehr als 200 Experten aus Bioinformatik, Bodenmikrobiologie und Umweltwissenschaften nach Braunschweig, um sich über neueste Ergebnisse und Perspektiven auszutauschen.

Die Methodenentwicklung in diesem Bereich vollzieht sich mit einer rasanten Dynamik. Tagungsorganisator Christoph Tebbe vom Johann Heinrich von Thünen-Institut: „Das genetische Material aus einem Gramm Boden zu erfassen – immerhin mehr als das Dreifache des gesamten menschlichen Genoms – war bis vor wenigen Jahren unvorstellbar. Noch im Jahr 2000 hätte die Sequenzierung von 10.000 Bakteriengenomen mehr als 100 Jahre gedauert, heute ist das auf Grund neuer Hochdurchsatz-DNA-Sequenzierungsgeräte in weniger als einem Tag möglich!“

Diese neue Datenflut eröffnet bisher ungeahnte Möglichkeiten, sich dem Boden-Metagenom anzunehmen. Ohne neue Entwicklungen in der Datenverarbeitung sind solche Datenmengen jedoch nicht zu bewältigen. Mit Hochdruck arbeiten daher Bioinformatiker daran, neue Programme zu entwickeln, mit denen die Vielfalt des Boden-Metagenoms erfasst und die Funktion von bisher nicht bekannten Genen aufgeschlüsselt und nutzbar gemacht werden können. Die Einschätzung auf dem Braunschweiger Symposium ging dahin, dass die Kosten zur DNA-Sequenzierung weiter fallen werden, dafür aber neue, vermutlich kostenintensive Verfahren zur Datenspeicherung notwendig seien.

Mark Bailey von National Environmental Research Council aus Oxford zeigte in seinem Vortrag erste Gen-Landkarten von Großbritannien, auf denen die Biodiversität der Bodenbakterien nach geographischen Gebieten erfasst wurde. Der Arbeitsgruppe des in Chicago arbeitenden deutschen Bioinformatikers Folker Meyer gelang es, aus dem Boden-Metagenom die genetische Information eines bisher nicht bekannten und nicht kultivierbaren Bodenbakteriums zu rekonstruieren. Damit konnten die Forscher den klassischen Weg, Bakterien zuerst in der Kultur zu vermehren und dann ihr Erbgut zu analysieren, umdrehen. Ein großer Fortschritt, da nur ein Bruchteil der Bakterien im Labor überhaupt kultivierbar ist. Anja Dohrmann und Christoph Tebbe von Institut für Biodiversität des vTI spürten rund um die Wurzeln von Maispflanzen 600.000 Gene auf, die sie unterschiedlichen Bakterien zuordnen konnten. Damit lassen sich Auswirkungen von Kulturpflanzen auf Bodenmikroorganismen, die für die Bodenfruchtbarkeit verantwortlich sind, so genau und gründlich wie nie zuvor ermitteln.

Die Ergebnisse aus den Gen-Sequenzierungen eröffnen ein weites Anwendungsfeld – neue Enzyme für die Aufarbeitung von Rohstoffen und die Produktion von Lebensmitteln, neue medizinische Wirkstoffe und innovative Pflanzenschutzmittel. Ein tieferes Verständnis der Biodiversität in unseren Böden kann auch dazu beitragen, verbesserte, ressourcenschonende Verfahren für Ackerbau und Forstwirtschaft zu entwickeln.

Die Vorträge der Experten machten deutlich, dass die Boden-Metagenomik erst an Anfang steht und die Potenziale bei weitem noch nicht ausgeschöpft werden. Die Erforschung des Boden-Metagenoms hat als nationale Aufgabe in den USA und einzelnen europäischen Ländern wie Großbritannien und Frankreich bereits begonnen. Deutschland und andere europäische Länder liegen hier noch zurück. Die Bedeutung der Boden-Metagenomik sei auch von der EU erkannt worden und werde sich in neuen Initiativen der europäischen Forschungsprogramme wiederfinden, so eine Repräsentantin der EU beim Braunschweiger Symposium. (vTi)
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