Sonneneinstrahlung
als massgebender Effekt
Dabei
berücksichtigte das Forscherteam die seit 1934 in Davos gemessene
Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche. Studien in den vergangenen zwei
Jahrzehnten haben nämlich gezeigt, dass, verursacht durch Aerosole und Wolken,
die Sonneneinstrahlung stark variiert und dies vermutlich einen Einfluss auf
Klimaschwankungen hat. In den vergangenen Jahren wurden für diese Phänomene die
Begriffe «global dimming» und «global brightening», für reduzierte
beziehungsweise erhöhte Sonneneinstrahlung, geprägt. Diese beiden Effekte
werden derzeit von Wissenschaftlern, vor allem der ETH Zürich, verstärkt
erforscht, da sie nach Ansicht von Experten in den Klimamodellen berücksichtigt
werden sollten. (siehe
ETH Life vom 09.07.2009)
Die
neue Studie, die in der Fachzeitschrift «Geophysical Research Letters»
publiziert wurde, bestätigt diese Forderung. Denn unter Berücksichtigung der
erhobenen Daten für die Stärke der Sonneneinstrahlung kamen die Wissenschaftler
zu einem überraschenden Ergebnis: In den 1940er Jahren, insbesondere im Sommer
1947, verloren die Gletscher seit Beginn der Messreihe im Jahr 1914 am meisten
Eis. Dies, obwohl die Temperaturen tiefer waren als in den vergangenen zwei
Jahrzehnten. «Überraschend ist, dass sich dieses Paradoxon relativ einfach über
die Strahlung erklären lässt», sagt Huss, der seit kurzem Oberassistent am
Departement für Geowissenschaften an der Universität Fribourg ist.
Schuld
an der starken Gletscherschmelze, so folgern die Forscher aus ihren
Berechnungen, ist der hohe kurzwellige Strahlungseintrag in den Sommermonaten.
Dieser lag in den 1940er Jahren um acht Prozent über dem Langzeitdurchschnitt
und um 18 Watt pro Quadratmeter über demjenigen der vergangenen zehn Jahre.
Dies führte dazu, dass, über das gesamte Jahrzehnt der 1940er gemittelt, vier
Prozent mehr Eis schmolz als in den letzten zehn Jahren.
Ferner
korrelieren die unterdurchschnittlichen Schmelzraten an den Messstellen in
Zeiten, in denen die Gletscherzungen sogar vorstiessen, mit einer Phase des
«global dimming», zwischen den 1950er und 1980er Jahren.
Weniger
Niederschlag und längere Schmelzperioden
Zu
ihren Ergebnissen kamen die Forscher, indem sie, basierend auf den
halbjährlichen Messungen auf den Gletschern seit 1914, die täglichen
Schmelzraten mit Hilfe von Klimadaten und einem Temperatur-Index-Modell
berechneten. Diese Resultate wurden anschliessend mit den langjährigen
Messungen der Sonneneinstrahlung in Davos verglichen.
Huss
weist darauf hin, dass die starke Gletscherschmelze in den 1940ern zwar die
Annahme eines «noch nie da gewesenen» Gletscherschwundes in den letzten Jahren
relativiert. «Dies sollte jedoch nicht zum Schluss verleiten, dass die aktuelle
Klimaerwärmung gar nicht so problematisch für die Gletscher ist, wie bisher
angenommen», hält der Glaziologe fest. Denn aussergewöhnlich ist nicht die
Rate, mit der die Alpengletscher momentan schmelzen, sondern, dass der starke
Rückgang nun seit 25 Jahren anhält. Hinzu kommt - dies zeigen die Ergebnisse
der Forscher - dass vor rund 30 Jahren temperaturabhängige Rückkoppelungsmechanismen
einsetzten. Diese führten dazu, dass seither der Niederschlag in Form von
Schnee um 12 Prozent relativ zum Gesamtniederschlag abnahm und sich parallel dazu die
Schmelzperiode um etwa einen Monat verlängerte. Diese Effekte könnten die heute
herrschende, im Vergleich zu den 1940ern, geringere Sonneneinstrahlung bald
wettmachen, warnen die Wissenschaftler.
Literaturhinweis
Huss M, Funk M & Ohmura A: Strong Alpine glacier
melt in the 1940s due to enhanced solar radiation. Geophysical Research Letters (2009), 36,
L23501, doi:
10.1029/2009GL040789 Pressemeldung Download: