Freising-Weihenstephan (agrar-PR) - Viele Industriezweige haben das gleiche
Problem: Konventionelle Desinfektionsmethoden sind für ihre Zwecke
nicht optimal. Eine ökologische Lösung bieten Diamantelektroden, mit
deren Hilfe man Ozon zur Entkeimung nutzen könnte – per „in
situ-Ozonierung“. Chemiker, Verfahrenstechniker, Mikrobiologen und
Wasseringenieure der TUM bündeln nun ihre Kräfte, um die Potenziale
dieser Technologie zu heben: In zwei durch Regierungsgelder
finanzierten Verbundprojekten untersuchen sie nun einerseits, unter
welchen Umständen das Verfahren Brauchwasser wieder aufbereiten kann
und andererseits, wie mit dem Einsatz von Diamantelektroden verkeimte
Produktionsanlagen desinfiziert werden können.
Der
Bedarf an effizienten und sicheren Desinfektionsmethoden für Betriebs-,
Kühl- und Abwässer der Industrie wächst. Auch die Lebensmittelindustrie
muss ihr Produktionsequipment regelmäßig entkeimen, von Rohrleitungen
über Getränketanks bis hin zu Teigrührmaschinen. Man nutzt dafür heute
beispielweise Chlor oder Peressigsäure. Doch Rückstände und
Querreaktionen dieser Mittel können die hergestellten Lebensmittel in
ihrer Qualität beeinflussen, im Abwasser sind die Substanzen ab einer
gewissen Konzentration zudem oft umweltschädlich. In jüngster Zeit
versuchen Forscher daher, Desinfektionsmittel unter Nutzung von
natürlichen Wasserinhaltsstoffen zu erzeugen, und zwar direkt am
Einsatzort.
Insbesondere das Gas Ozon ist zur Entkeimung
nutzbar. Sein großer Vorteil: An der Luft zersetzen sich Ozonmoleküle
in kurzer Zeit relativ rückstandfrei zu Sauerstoff. In Zukunft sollen
die zur Desinfektion nötigen Ozonkonzentrationen direkt im Wasser durch
neuartige, nanostrukturierte Diamantelektroden erzeugt werden: „Diese
Spezialelektroden werden in wasserführende Systeme eingebaut und dort
unter Strom gesetzt. So werden die Wassermoleküle elektrolytisch
gespalten, aus den Sauerstoffatomen wird Ozon gewonnen“, erläutert Dr.
Karl Glas vom Lehrstuhl für Chemisch-Technische Analyse und Chemische
Lebensmitteltechnologie der TUM, der beide Forschungsprojekte
koordiniert. Dieses Potenzial wollen TUM-Forscher verschiedenster
Lehrstühle nun grundlegend erforschen und für die Industrie nutzbar
machen.
Im ersten Projekt, seit Juni 2010 durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert, steht die
Desinfektion und Entkeimung des Wassers an sich im Vordergrund.
Einsatzgebiete sind etwa Reinstwässer für die Medizintechnik,
Brauchwasser in Zügen oder Kühlkreisläufe in der Industrie. In dem
industriellen Verbundvorhaben werden auf der Nanometerskala zu
modifizierende Diamantbeschichtungen für die Elektroden entwickelt und
erforscht. TUM-Forscher aus Garching und Weihenstephan nehmen dabei die
Möglichkeiten der Wasserdesinfektion per Diamantelektrode und ihre
Wirksamkeit im Vergleich zu anderen neuartigen Methoden unter die Lupe.
Zudem prüfen sie, wie gut Arzneimittelrückstände im Wasser mit Hilfe
nanomodifizierter Diamantelektroden abgebaut werden können. Schließlich
evaluieren sie Schadstofffreiheit, Nachhaltigkeit und
Wirtschaftlichkeit. Karl Glas: „Mit unserer Grundlagenforschung tragen
wir dazu bei, dass eine Umsetzung dieses einfachen und sicheren
Wasserbehandlungsverfahrens in greifbare Nähe rückt.“
Das zweite Projekt, im Juni 2010 mit Geldern des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie gestartet, hat die
Entwicklung eines praxistauglichen Verfahrens der Ozondesinfektion von
Lebensmittel-Produktionsanlagen zum Ziel. Vor Ort („in situ“)
erzeugtes, ozonhaltiges Wasser soll in Zukunft z. B.
Brauereiapparaturen desinfizieren, umweltschonend und abwasserarm. Die
Experimente haben bereits begonnen: Die Forscher variieren
Verfahrensparameter wie Blasengröße, Behälterform und Stromstärke, um
optimale Randbedingungen zur in situ-Herstellung von Ozon zu ermitteln.
Die nötigen Praxistests erfolgen am Modell Brauindustrie, werden aber
übertragbar sein. „In Zukunft sind vielfältige Anwendungen denkbar,
etwa im Molkereiwesen, in Großmetzgereien oder Backbetrieben“, so Karl
Glas.
Kontakt:Technische Universität München
Lehrstuhl für Chemisch-Technische Analyse und Chemische Lebensmitteltechnologie
Dr.-Ing. Karl Glas
Tel.: 08161 / 71-2357
Fax: 08161 / 71-5362
E-Mail:
k.glas@wzw.tum.dewww.wzw.tum.de/cta/
Hintergrund:Das industrielle
Verbundprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
„Nanomodifizierte Diamantelektroden für Inlinedesinfektionsprozesse in
unterschiedlichen Einsatzgebieten“ (NADINE) umfasst insgesamt acht
Partner aus Industrie und Forschung, die über ganz Deutschland verteilt
sind: Neben der TUM sind das Condias GmbH, DVGW Technologiezentrum
Wasser, Esau & Hueber GmbH, Evac GmbH, Fraunhofer IST – Abt.
Diamanttechnologie, mut AG, und Stadtwerke Chemnitz/Fraunhofer IKTS.
Die gesamte Projektfördersumme beträgt 5,4 Millionen Euro, die TU
München wird mit 400.000 Euro gefördert. Mehr unter
http://www.bmbf.de/
Das Forschungsprojekt „Entwicklung eines Verfahrens
zur Desinfektion von Brauereianlagen mittels ozonhaltigem Wasser;
Schaffung der wissenschaftlichen Basis der Ozondesinfektion und deren
Kontrolle“ wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie mit 350.000 Euro finanziert. Die TUM-Lehrstühle für
Chemisch-Technische Analyse und Chemische Lebensmitteltechnologie
(Prof. Harun Parlar), für Systemverfahrenstechnik (Prof. Heiko Briesen)
und für Mikrobielle Ökologie (Prof. Siegfried Scherer) arbeiten mit dem
Industriepartner Esau & Hueber GmbH zusammen, Projektträger ist die
AiF. Mehr unter
http://www.aif.de/
Beide Projekte wurden initiiert und koordiniert durch den Competence Pool Weihenstephan (CPW). Mehr unter
http://www.cpw.wzw.tum.de.