Zürich (agrar-PR) - Tierversuche sollen wenn immer möglich durch alternative Methoden
ersetzt werden, darin waren sich die Forscher am Podiumsgespräch der
Stiftung «Gen Suisse» einig. Tierschützer forderten mehr Kreativität
auf dem Weg zur tierversuchsfreien Forschung.
Rund 730'000 Tiere wurden 2008 in der
Schweiz in Tierversuchen eingesetzt. Nachdem die Zahl der Versuchstiere bis zum
Jahre 2000 stetig abgenommen hatte, steigt sie seither kontinuierlich an.
Gleichzeitig haben seit 1997 Versuche mit dem höchsten Belastungsgrad um mehr
als 50 Prozent abgenommen.
Der Grund für die Zunahme der
Gesamtzahl der Tierversuche liege im Boom der Life-Sciences, ist
Prionenforscher Adriano Aguzzi, Direktor des Institutes für Neuropathologie der
Universität Zürich, überzeugt: «Dank der Entschlüsselung des menschlichen
Genoms können jetzt in der Forschung viel gezieltere Fragen gestellt werden.»
Der Ansatzpunkt der Ethik
Diese Fragen versucht die
Wissenschaft unter anderem mit Tierversuchen zu beantworten. Wie
unterschiedlich die Sichtweisen zu diesem Thema sind, zeigte sich beim
Podiumsgespräch vom Donnerstag im Kongresshaus
Zürich an grundlegenden ethischen Fragen. Für den Biopharmakologen Paul
Herrling, Professor an der Universität Basel und Forschungsleiter von
Novartis,
muss die ethische Betrachtung beim Menschen ansetzen: «Tierversuche
werden
gemacht, um die Biologie von Krankheiten besser zu verstehen und Leiden
zu
lindern.»
«Die ethische Diskussion muss
beim Tier ansetzen», forderte demgegenüber die Veterinärmedizinerin Julia
Fitzi-Rathgen, Leiterin der Fachstelle Tierversuche und Gentechnologie beim
Schweizer Tierschutz STS. Der STS lehnt Tierversuche nicht rundweg ab, aber
«Versuche mit Schweregrad 3, also der höchsten Belastung für die Tiere, sind
inakzeptabel.»
Die Güterabwägung müsse stärker
zugunsten der Tiere ausfallen, so Fitzi-Rathgen. In den kantonalen
Tierschutzkommissionen herrsche ein Ungleichgewicht. Gemäss ihrer eigenen
Umfrage stammen höchstens 26 Prozent der Mitglieder aus Tierschutzkreisen. Das Publikum kritisierte diese Zahl als falsch.
Wenn immer möglich Alternativen
«Weil auch wir Tiere mögen und
Tierversuche zudem teuer sind, setzen wir wenn immer möglich Alternativen
wie Zellkulturen, Computersimulationen und In-vitro-Techniken ein», erwiderte
Aguzzi. Derartige Forschung wird nicht zuletzt von der Stiftung «Forschung 3R»
(Reduction, Refinement, Replacement of Animal Experimentation) gefördert.
Stiftungspräsidentin und Ständerätin Christine Egerszegi-Obrist forderte
Forschende auf, sich mit Gesuchen an die Stiftung zu wenden.
Dass hingegen gewisse Forschung
nur mit Tierversuchen möglich sei, erläuterte Aguzzi am Beispiel seiner
Prionenforschung: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ohne Tierversuche
herausgefunden hätten, wie Prionen entstehen.»
Veterinärmedizinerin Stefanie
Schindler, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung «Animal Free Research»,
forderte von Forschenden mehr Kreativität auf der Suche nach Alternativen zu
Tierversuchen. «Wo man heute nur mit Tierversuchen weiterkommt, wird es in zwei
Jahren schon Alternativen geben», gab sich Fitzi überzeugt.
Wichtige Grundlagenforschung
Aus dem Publikum wurde eine den
Podiumsteilnehmenden unbekannte Studie zitiert, gemäss der 50 Prozent aller
Versuchsmäuse Verhaltensstörungen aufweisen. Sigg, Tierschutzbeauftragter von
Universität und ETH Zürich, stellte nicht in Abrede, dass Verhaltensanomalien
bei Mäusen anzutreffen seien.
Allerdings habe dieses Problem
stark abgenommen, seit die Käfige von Versuchstieren abwechslungsreicher
gestaltet werden. Verhaltensprobleme können gemäss Sigg auch entstehen, wenn Tiere in
Tiergruppen sich nicht verstehen. Ein Problem, das sich durch Umplatzierungen
lösen lasse.
Die Schweiz verfüge über die
weltweit strengste Tierschutzgesetzgebung, betonte Egerszegi-Obrist. Gemäss
Fitzi-Rathgen mag dies auf Nutz- und Heimtieren, aber nicht auf Versuchstiere
zutreffen. Versuchstieren müssten mit kleineren Käfigen Vorlieb nehmen und
hätten betreffend Futter, Lärm und Licht unter schlechteren Bedingungen zu
leben als ihre Artgenossen ausserhalb der Labors.
Versuchstieren dieselben
Platzverhältnisse wie Heimtieren zur Verfügung zu stellen, sei aufgrund ihrer
grossen Zahl unmöglich, meinte Herrling. Er ortete eine
Diskriminierung anderer Art. Die Geschichte der Wissenschaft zeige klar, dass
Grundlagenforschung immer wieder zu nützlichen Anwendungen führe. Es sei
gefährlich, diese als weniger wichtig zu erachten als die angewandte Forschung,
wie es das Bundesgericht in seinem Entscheid zu den Primatenversuchen an ETH
und Universität Zürich kürzlich getan habe.
An der Diskussion um Tierversuche
habe sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert, stellten Schindler und
Egerszegi-Obrist übereinstimmend fest. «Ich hoffe, dass Alternativen zu Tierversuchen
uns endlich aus diesem Dilemma befreien», so Schindler.
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