iedersachsens Landwirte richten den Blick nach vorn und wollen
gestärkt aus der Agrarkrise hervor gehen. Die derzeitigen
Erzeugerpreise aber erlauben keine wirtschaftliche Basis für die
Bauern. Diese Einschätzung äußerten übereinstimmend alle Redner auf der
Mitgliederversammlung des Landvolkes Niedersachsen in Hannover.
Schon sein Vorvorgänger, verdeutlichte
Landvolkpräsident Werner Hilse, hätte vor mehr als 15 Jahren ein Niveau
wie die derzeitigen Einkommen in der Landwirtschaft als zu niedrig
eingestuft. Im Boomjahr 2007 seien alle in der Landwirtschaft vom
Durchbruch überzeugt gewesen, umso härter treffe der aktuelle Absturz
der Preise über alle Produktionszweige die Bauern. Es mache sich Frust
breit über die niedrigen Lebensmittelpreise, die „einen höheren Wert
verdient haben", wie Hilse meinte. Die Landwirtschaft müsse gemeinsam
mit der Lebensmittelindustrie neue Märkte erschließen. „Die hohe
Qualität unserer Erzeugnisse ist nicht austauschbar", warb der
Landvolkpräsident für Produkte deutscher Herkunft. Ein Zurück zu den
von manchen Landwirten noch immer geschätzten Marktordnungen alter
Prägung werde es nicht geben, zeigte er sich aber überzeugt.
Als umso wichtiger stufte er eine zielgerichtete
Debatte zur Zukunft der Direktzahlungen an, die eng mit der
Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik nach 2013 verbunden ist. Die
Europäischen Landwirte müssten für die Einhaltung der hierzulande
geforderten hohen Standards weiter einen Ausgleich erhalten. Zugleich
werde der Berufsstand gegenüber Staat und Gesellschaft dafür eintreten,
Kosten treibende Auflagen und Wünsche zu begrenzen. Hilse führte hier
beispielhaft die Diskussion um die so genannte Nulltoleranz an. Sie
gefährde die Veredelungsbetriebe als stärksten Zweig der
niedersächsischen Agrarwirtschaft, während die Nachfrage nach Fleisch
parallel steige. Der Verband suche zudem das Gespräch mit den
Marktpartnern, um den Landwirten höhere Erlöse ermöglichen zu können.
Der kürzlich in Kraft getretene Lissabon-Vertrag
erlaube den nationalen Regierungen ein größeres Mitspracherecht auf
europäischer Ebene und stärke die Gestaltungsmöglichkeiten des
EU-Parlamentes, leitete Hilse zur europäischen Bühne über. Hier werde
sich der Berufsstand über den Deutschen Bauernverband intensiv
einbringen. Die Aufsplitterung aller die Landwirtschaft betreffenden
Themen von der eigentlichen Agrarpolitik über Gesundheits- und
Verbraucher- bis hin zur Umweltpolitik erfordere jedoch „harten Einsatz
und starke Präsens in Brüssel".
Erfreut zeigte sich Hilse über die gut ausgebildeten
jungen Landwirte und ihr selbstbewusstes Engagement. Stellvertretend
hieß er die Teilnehmer des sechsten niedersächsischen Studienkurses
willkommen, „die jetzt noch in der letzten Reihe sitzen, die wir aber
bald an vorderster Front begrüßen wollen".
Hilse war sich mit Landwirtschaftsminister Heiner
Ehlen und Hauptreferent Prof. Stefan Tangermann darin einig, dass die
niedersächsische Landwirtschaft für die Herausforderungen globaler
Märkte gut gerüstet sei. Beste Böden, eine hervorragende Logistik und
eine innovative Ernährungsindustrie bildeten die Grundlage für eine gut
aufgestellte Landwirtschaft. Der Minister ergänzte in seinem Grußwort:
„Anders als in weiten Teilen Süddeutschlands versuchen wir hier in
Niedersachsen nicht, das Vergangene zu konservieren, sondern in die
Zukunft gerichtet zu denken". Als Beleg dafür führte Ehlen die erneut
gute Nachfrage nach der einzelbetrieblichen Förderung an. Für den
Übergang in freie Märkte sei aber eine angemessene Unterstützung nötig,
explizit forderte Ehlen dies für den Milchmarkt. Die Europäische
Kommission müsse sich „noch ein paar Gedanken machen, damit aus dem
Ausstieg nicht ein Absturz wird".
Als Zeichen der Entlastung, Unterstützung und
Ermutigung für die landwirtschaftlichen Betriebe wertete er das von der
neuen Bundesregierung verabschiedete Konjunkturprogramm Landwirtschaft.
190 Mio. Euro würden nach Niedersachsen fließen und sollten ein Zeichen
dafür setzen, dass die „Landwirtschaft in harten Zeiten nicht alleine
steht". Dieses Programm sei nur aufgelegt worden, weil von der
Landjugend über die Landfrauen bis hin zum Bauernverband der
Berufsstand vereint agiert habe, sagte Ehlen und warb weiter für dieses
geschlossene Auftreten. Hilse wünschte sich eine schnellere Umsetzung
des Konjunkturprogramms, es wandle sich von einem Sofort- zu einem
Sonderprogramm, für viele Betriebe käme die Hilfe damit vielleicht zu
spät.
Landvolk-Hauptgeschäftsführer Jörn Dwehus gewährte mit seinem
Jahresbericht einen Einblick in die inneren Strukturen des Verbandes
und ging auf die in jüngster Vergangenheit von Einzelnen geäußerte
Kritik am Berufsstand ein. Der Verband spreche nicht das Herz an, griff
Dwehus einen Vorwurf auf. Das Landvolk bleibe ein kämpferischer
Verband, versprach er, aber in der Emotionalität werde er auch
zukünftig keine Grenzen überschreiten. An ein „großes emotionales
Erlebnis" erinnerte Dwehus: Die große Bauerndemonstration im Frühjahr
in Berlin. Sie habe den Zusammenhalt gefestigt und als ersten Erfolg
die Senkung der Agrardieselbesteuerung bewirkt. Verständnis äußerte
Dwehus für die bei manchen Betriebsleitern aufkommende Verunsicherung
über die eigene Zukunft in globaleren Märkten. Die Entscheidung zu
weiterem Wachstum falle manchem Landwirt schwer, dieser Gruppe könnte
ein Vorruhestandsprogramm Hilfe anbieten. Mit den Mitgliedern bleibe
auch das Landvolk in Bewegung, meinte Dwehus, aber mit einer starken
Dienstleistung wolle das Landvolk in direktem Kontakt zu seinen
Mitgliedern in der Fläche präsent bleiben.