03.11.2010 | 00:00:00 | ID: 6991 | Ressort: Landwirtschaft | Tier

Baurechtliche Privilegierung landwirtschaftlicher Wildtierhaltung

Bad Kreuznach (agrar-PR) - Im Zuge der Diversifizierung landwirtschaftlicher Unternehmen, aber auch im Hinblick auf die Nutzung und Pflege von Grenzstandorten, haben sich in den letzten zehn Jahren auch verschiedene Arten der landwirtschaftlichen Wildtierhaltung etabliert, die sowohl nach dem steuerlichen Bewertungsrecht, der Einkommenssteuerpflicht, aber auch baurechtlich der Landwirtschaft zuzuordnen sind. Dennoch gibt es einige Grenzfälle der landwirtschaftlichen Wildtierhaltung, die als Hobby oder Liebhaberei angesehen werden und somit nicht der Landwirtschaft zuzuordnen sind. Im Folgenden sollen die Kriterien zur Abgrenzung zwischen Landwirtschaft und Liebhaberei bezüglich der Haltung sonst wildlebender Tiere dargestellt werden.

Grundlage des Kriteriums "Landwirtschaft" nach dem Baugesetzbuch ist § 201. Danach ist Landwirtschaft insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung. Bei der Tierhaltung ist Voraussetzung, dass das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen genutzten Flächen erzeugt werden kann. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei unter den Begriff Landwirtschaft fallen. Ein in § 201 nicht genannter Begriff, der für die Auslegung aber wesentliche Bedeutung hat, ist die Definition der "unmittelbaren Bodenertragsnutzung". Es ist daraus ableitend erforderlich, dass die mit der Tierhaltung erzeugten landwirtschaftlichen Produkte (Fleisch, Milch, Felle, Zuchttiere) immer eine Bodennutzung voraussetzen. Nur bei der bodengebenden Tierhaltung ist daher der Begriff "Landwirtschaft" nach § 201 BauGB gesetzlich gesichert festzustellen. Eine Tierhaltung ohne eigene betriebliche Futtergrundlage, also ohne unmittelbare Bodenertragsnutzung, fällt daher nicht unter den Begriff Landwirtschaft.

Alles was unter den Begriff Landwirtschaft fällt, ist jedoch noch nicht gleichzusetzen mit dem Begriff des "landwirtschaftlichen Betriebes" nach § 35 BauGB. § 35 BauGB formuliert im Absatz 1 die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, wenn im Außenbereich bauliche Anlagen errichtet werden sollen. Der landwirtschaftliche Betrieb ist immer dann nicht als Liebhaberei oder Hobby anzusehen, wenn die Tätigkeit einen erheblichen Umfang hat, ernsthaft betrieben wird und beständig ist. Als wichtigstes Indiz muss allerdings die Gewinnerzielungsabsicht nachgewiesen werden. Nur wenn die landwirtschaftliche Tätigkeit auf Dauer angelegt ist und die wirtschaftliche Lebensfähigkeit bestätigt werden kann, ist eine landwirtschaftliche Tätigkeit nach § 201 BauGB gleichzeitig auch als landwirtschaftlicher Betrieb nach § 35 (1) 1 BauGB anzusehen.

Bei Bauvorhaben der landwirtschaftlichen Wildtierhaltung sind also zwei Dinge zu prüfen. Zum Einen muss es sich um eine unmittelbare Bodenertragsnutzung handeln, die zur Erzeugung tierischer Produkte beiträgt. Gleichzeitig müssen die für das Unternehmen erforderlichen Aufwendungen und Kosten (Investition, Abschreibung, laufende Kosten) durch Erlöse der Veräußerung der erzeugten Produkte gedeckt werden können und es muss darüber hinaus noch ein Gewinn erzielt werden.

So kann zum Beispiel die Haltung von Wildschweinen kaum als Landwirtschaft angesehen werden, weil hier das Kriterium der Bodenertragsnutzung nicht gegeben ist. Ob Rotwild als landwirtschaftliche Tierhaltung angesehen werden kann, ist sehr stark abhängig davon, ob es sich um wirkliche "Wildtiere" handelt, oder "domestizierte Arten", die unter voller Verfügungsgewalt des Halters stehen. Losgelöst von tierschutzrechtlichen Aspekten ist es erforderlich, dass Rotwild auf den zur Verfügung stehenden Flächen des Halters ernährt werden können. Soweit es sich bei einer Rotwildhaltung nicht um gezielte Weidehaltung handelt, sondern die Tiere sich über das natürliche Futtervorkommen eines Geheges selbst ernähren müssen, also die Tiere sich das Futter selbst suchen müssen und darüber hinaus der Bedarf an Futter durch Zukauf gedeckt wird, handelt es sich nicht um Landwirtschaft. Reichen die Weideflächen für eine Rotwildhaltung nicht aus und muss grundsätzlich Futter zugekauft werden, weil keine eigenen betriebszugehörigen Flächen zur Verfügung stehen, so ist auch dies nicht dem Bereich der Landwirtschaft zuzuordnen. Ebenfalls keine herkömmliche Weidewirtschaft liegt vor, wenn ein Wildtierbestand großflächig eingefriedet wird und die dort lebenden Wildtiere sich allein auf Grund der Größe des Geheges im Wesentlichen selbst versorgen können. Hier ist auch das Kriterium, das die Tiere der Verfügungsgewalt des Eigentümers und des Tierhalters unterliegen, nicht erfüllt.

Auch ist die Jagd nicht als landwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, wenn im Mittelpunkt der Tätigkeit das Nachstellen, Fangen, Erlegen und Aneignen der Tiere steht. Soweit dies nicht auf einer gezielten Haltung beruht und die Vermarktung der Produkte nur "unter anderem" auch vermarktet werden sollen, handelt es sich nicht um einen landwirtschaftliche Tätigkeit.

Bei der Definition des landwirtschaftlichen Betriebes kommt es neben der Gewinnerzielungsabsicht und der dauerhaften Lebensfähigkeit auch darauf an, dass der Betriebsinhaber fachlich geeignet ist und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens darauf schließen lassen, dass es sich um eine erwerbsorientierte Haltung handelt.

Zusammenfassend ergeben sich somit recht hohe Hürden, um die Haltung von sonst wild lebenden Tieren als landwirtschaftlich privilegierte Haltung einzustufen. Auch bei der Haltung von Damwild, Alpakas und Bisons ist daher die nachhaltige Wirtschaftlichkeit immer nachzuweisen.

Zuletzt muss bei Bauvorhaben immer auch noch geprüft werden, ob die baulichen Anlagen ausschließlich dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen. Die funktional-räumliche Zuordnung zum Betrieb muss gegeben sein und objektiv muss man nachweisen können, dass jeder vernünftige Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs ein Vorhaben mit gleicher Gestaltung und Ausstattung ebenso an diesem Standort errichten würde.
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