Stuttgart (agrar-PR) -
Forschung für gezielten Pestizideinsatz und neue Züchtungen / Universität Hohenheim an internationalem Genomanalyse-Projekt beteiligt (Nature, Ausgabe vom 17. September 2009) Der Erreger der Kraut- und Kartoffelfäule, Phytophthora infestans, ist
weltweit der zerstörerischste Schädling im Kartoffelanbau. Im Rahmen
eines internationalen Forschungsvorhabens hat ein Wissenschaftler der
Universität Hohenheim jetzt dabei geholfen das Erbgut des
heimtückischen Erregers zu analysieren. Der Pilz, so die
Forschungsergebnisse, kann bis zu 700 verschiedene Proteine in die
Pflanzenzelle einschleusen und damit die Pflanze ausbeuten und
letztlich zerstören. Details über Erbgut und Wirkungsmechanismen des
Erregers veröffentlichten Forscher aus 35 Forschungsinstitutionen aus
sechs verschiedenen Ländern, unter anderem von der Universität
Hohenheim, in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature.
Er war verantwortlich für die große Hungersnot in
Irland in den 1840er Jahren und ist doch noch lange nicht Geschichte.
Heute noch rafft der Erreger Phytophthora infestans in weniger als zwei
Wochen unzählige Quadratkilometer Kartoffelfelder weltweit dahin. Die
Bekämpfung der Kartoffelkrankheit ist aufwändig und teuer und die
erfolgreich behandelten Kartoffeln lassen sich nicht mehr als
Bioprodukte vermarkten. Allein im laufenden Jahr wird der
wirtschaftliche Schaden durch die Kartoffelkrankheit auf 6,7 Milliarden
Dollar geschätzt.
Das gesamte Erbgut des Erregers der Kraut- und
Knollenfäule besteht aus 240 Megabasen, das sind 240 Millionen
genetische Informationsträger. Damit ist das Genom des Erregers größer,
als das der meisten Pflanzen, deren Genom bisher vollständig
entschlüsselt wurde.
Erreger ist höchst anpassungsfähig
Hauptsächlich zwei Gründe machen die Bekämpfung von
Phytophthora infestans so schwierig, meint Privatdozent Dr. Marco
Thines, Co-Autor des Artikels: „Der Erreger passt sich sehr schnell an
neue Kartoffelsorten an und entwickelt Resistenzen gegenüber
Pestiziden, mit denen man ihn bekämpfen könnte.“
Die Forschungsergebnisse der Expertengruppe liefern
die Erklärung für die hohe Anpassungsfähigkeit des Erregers. „Der
Erreger schleust kleine Proteine in die Pflanzenzelle ein. Diese
programmieren Teile des Stoffwechsels um und beeinflussen die
Informationsverarbeitung in der befallenen Pflanze. Dadurch wird unter
anderem die Erkennung des Erregers verhindert, “ erklärt Marco Thines.
Wie ein Parasit lebt der Erreger dann in der Pflanze weiter und
entzieht ihr lebenswichtige Energie.
Dass es insgesamt 700 verschiedene Proteine gibt,
die der Erreger potentiell einschmuggeln kann, konnten die Forscher nun
aufdecken. Diese Vielfalt macht die Interaktion zwischen Wirt und
Pathogen jedoch auch zu einem äußerst komplexen System. Das
internationale Forscherteam wird nun die Gene dieser 700 sogenannten
Effektoren analysieren, um die Interaktionen jedes einzelnen mit der
Pflanzenzelle verstehen zu können. „Durch die Genom-Sequenzierung haben
wir nun ein Wissen in der Hand, mit dem wir hoffen herausfinden zu
können, an welcher Stelle der Pilz in den Pflanzenstoffwechsel
eingreift, um dann gezielt Methoden zu entwickeln, um die Infektion mit
dem Pathogen zu verhindern“, fasst Dr. Thines zusammen.
Gezielte Bekämpfung des Erregers wird möglich
Durch die Genomsequenzierung wird die Basis gelegt,
um die Interaktion zwischen Wirt und Pathogen besser verstehen zu
können. Dies wird letztlich dazu führen, dass gezieltere
Bekämpfungsstrategien ermöglicht werden. Ein Beispiel dafür sind
maßgeschneiderte Fungizide, die das Pathogen an der Besiedlung des
Wirtes hindern können. Darüber hinaus werden auch in der
Pflanzenzüchtung die neuen Erkenntnisse von großer Bedeutung sein. „Es
kann nun mit molekularbiologischen Techniken in Arten, die nah mit der
Kartoffel verwandt sind, nach Resistenzfaktoren gefahndet werden,
welche die Effektoren des Pathogens erkennen und eine Abwehrreaktion
gegenüber dem Schaderreger auslösen können“, meint Marco Thines. Diese
Resistenzfaktoren könnten dann, zum Beispiel durch Einkreuzung und
Züchtung, in Kartoffeln eingebracht werden, um eine nachhaltige
Resistenz zu schaffen. „Dies würde letztlich zu einer weltweit
verbesserten Ernährungssituation führen und den Einsatz von Pestiziden
verringern, was nicht nur die Kartoffelproduktion günstiger machen,
sondern auch die Umwelt entlasten würde“, so die Vision von Marco
Thines.
Hintergrund
Bei der Genom-Sequenzierung wird das Erbgut des
Erregers in kleine Teile gespalten, diese werden in ein Bakterium
eingebracht und vermehrt. So werden Kolonien mit gleichen Fragmenten
des Erbguts erhalten. Nach einer Extraktion kann molekularbiologisch
die Gensequenz ermittelt werden. So konnte die komplette Genom-Sequenz
des Pilzes entschlüsselt werden.
Die Aufgabe von Marco Thines im Forschungsverbund
war es, an der Analyse einer der zwei großen Proteinklassen, die an der
Interaktion beteiligt sind, mitzuarbeiten.