Bonn (agrar-PR) -
Oberharzer Wasserregal bewirbt sich um Weltkulturerbe-Status / Bonner Vorschlag zur Instandsetzung Regen ist das Erdöl von gestern. Zumindest im Harz. Dort entstand ab
dem 15. Jahrhundert eine Art der Wasserenergienutzung, die weltweit
wohl einmalig sein dürfte. Momentan bemüht sich die Region um den
Weltkulturerbestatus für das „Oberharzer Wasserregal“. Doch seitdem die
Anlagen vor 30 Jahren außer Betrieb genommen wurden, hat sich ihr
Zustand deutlich verschlechtert. Zu diesem Ergebnis kommt ein Experte
der Universität Bonn in einer jüngst veröffentlichten Studie. Da er die
Bewerbung momentan für aussichtslos hält, schlägt er vor, das
ausgeklügelte System aus Gräben und Auffangbecken zu reaktivieren.
Einige Millionen Euro jährlich könnte der so gewonnene Strom seinen
Berechnungen zufolge einbringen – mehr als genug, um die Instandhaltung
der Anlagen zu finanzieren.
Der Regen, der über dem Brocken
niedergeht, war früher zwar kein Gold, aber doch immerhin Silber wert.
Schon im Mittelalter bauten die Menschen im Harz das dort reichlich
vorhandene Edelmetall ab. Dabei stießen sie recht schnell auf ein
Problem, das auch heutige Bergleute noch beschäftigt: Die
Trockenhaltung der Grubenbauten.
Ursache ist das so genannte
Kluftwasser, das aus dem umgebenden Gestein in die Stollen strömt – je
tiefer, desto mehr. Die Harzer Bergleute trieben den Teufel schließlich
mit dem Beelzebub aus: Sie nutzten das Regenwasser zum Antrieb von
Pumpen, mit denen sie dann ihre Gruben entwässerten. Um Clausthal und
Zellerfeld setzte man also schon vor mehr als 500 Jahren auf
regenerative Energie.
Und das ziemlich effizient: „Drei Viertel
aller Regentropfen, die über der wasserwirtschaftlich genutzten Fläche
des Harzes herabfielen, wurden zur Trockenlegung der Stollen und zum
Betrieb der Bergwerke verwandt“, betont Peter Welke. Der
Lehrbeauftragte der Universität Bonn beschäftigt sich seit vielen
Jahren mit dieser weltweit wohl einmaligen Nutzung der Wasserkraft.
Leider ist das ausgeklügelte System aus Gräben und Auffangbecken heute
jedoch in einem schlechten Zustand. Das ist besonders schade, weil sich
die Region momentan um den Weltkulturerbestatus für das „Oberharzer
Wasserregal“ bemüht.
Zusammen mit seinen Studenten führt Welke
regelmäßig Geländepraktika in der ehemaligen Bergbau-Region durch.
Dabei konnte er zahlreiche Schäden dokumentieren, die er inzwischen in
einer 50-seitigen Publikation in der Zeitschrift Siedlungsforschung
(Band 25) festgehalten hat. Dennoch sei es sehr wohl möglich, die
Anlage wieder betriebsfähig zu machen, meint er. Der gelernte Physiker
und Absolvent der früheren Bergakademie Clausthal hat sogar
ausgerechnet, wie viel Strom das uralte Wasserkraftwerk liefern könnte:
„Bei den augenblicklichen Preisen ließen sich damit Erlöse von mehreren
Millionen Euro jährlich erzielen. Das ist mehr als genug, um die
Instandhaltung zu finanzieren.“ Auch Professor Dr. Winfried Schenk vom
Geographischen Institut der Universität Bonn plädiert dafür, das
einmalige Kulturdenkmal wieder herzurichten: „Warum sollte eine Anlage,
die 500 Jahre lang zur Energieerzeugung eingesetzt wurde, das nicht
auch heute wieder tun?“ Den Verfall, den Welke im Laufe seiner
Forschungsarbeiten dokumentiert habe, hält Schenk für erschreckend –
gerade auch angesichts der großen kulturgeschichtlichen Bedeutung des
Oberharzer Wasserregals.
Turmhohe Wasserräder unter Tage
Mitunter
ist Welke selbst erstaunt, mit welcher Raffinesse die Bergleute damals
vorgingen: Über kilometerlange Gräben, die nur ein minimales Gefälle
aufwiesen, führten sie das Wasser zu großen Sammelbecken. Von dort
leiteten sie es bei Bedarf zu den jeweils aktiven Gruben. Dort ließen
sie das kostbare Nass unter Tage auf turmhohe Wasserräder fallen, die
ihrerseits wieder Pumpen antrieben. Das seiner Lageenergie beraubte
Wasser leiteten sie danach über Dutzende von Kilometern in die Ebene
ab. „Das Harzer System der Wassernutzung hätte auf jeden Fall verdient,
zum Weltkulturerbe ernannt zu werden“, betont Welke angesichts dieser
Ingenieurs-Meisterleistung.
1930 wurden die Gruben im Harz
geschlossen. Dennoch war das einmalige Kulturdenkmal bis 1965 noch in
einem guten Zustand. Damals hatte die Preussag den Zustand des
Grabensystems zum letzten Mal im Detail dokumentiert. „Im Prinzip hätte
man es damals ohne größeren Aufwand direkt wieder in Betrieb nehmen
können“, meint Welke. Mitte der 90er Jahre gingen die
Wassernutzungsrechte in der Region an die Harzwasserwerke GmbH. Im
Gegenzug sollten diese das Grabensystem erhalten. Dennoch sind
inzwischen zahlreiche Gräben teilweise trocken gefallen oder undicht
geworden, wenn sie nicht gar völlig zerstört wurden. Peter Welke: „An
eine Nutzung ist momentan ebenso wenig zu denken wie wohl auch an eine
Anerkennung als Weltkulturerbe.“