Berlin (agrar-PR) -
Kienle: Neuabgrenzung muss plausibel und nachvollziehbar sein Die Beihilfen für benachteiligte Gebiete sind von größter Bedeutung, um
den Fortbestand der Landbewirtschaftung zu gewährleisten, zur Vitalität
ländlicher Gebiete beizutragen und Landaufgabe und Abwanderung zu
verhindern. Zwar hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss
(EWSA) Verständnis für den Vorschlag der EU-Kommission, die bisher rund
150 unterschiedlichen Förderkriterien in den Mitgliedstaaten deutlich
zu verringern. Die jetzt vorgeschlagenen lediglich acht
biophysikalischen Kriterien – zum Beispiel Temperaturen, Bodentextur,
Hangneigung – und vor allem die dabei vorgesehenen Schwellenwerte
sollten jedoch „mit großer Vorsicht“ angegangen werden. Zusätzlich
müssten weitere Kriterien und Schwellenwerte geprüft und diskutiert
werden, empfahl der EWSA.
Der Stellvertretende Generalsekretär des Deutschen
Bauernverbandes, Adalbert Kienle, forderte als Mitglied des EWSA, dass
die Neuabgrenzung „gleichermaßen für die Agrargemeinde, die Politik und
die Steuerzahler plausibel und nachvollziehbar sein muss“. Die von der
EU-Kommission vorgelegten Kriterien und Schwellenwerte seien
schließlich „nicht in Stein gemeißelt“. So sei man in Deutschland und
ebenso in Österreich nach wie vor von der Richtigkeit und Objektivität
der landwirtschaftlichen Vergleichszahl bzw. Ertragsmesszahl als
Abgrenzungs- und Förderkriterien überzeugt.
Auch der Berichterstatter des Europäischen Parlamentes für die
benachteiligten Gebiete, Herbert Dorfmann, Südtirol/Italien, schloss im
Gespräch mit dem EWSA nicht aus, dass die „sehr wissenschaftlichen
Abgrenzungskriterien“ politisch nicht durchzuhalten seien. Jedenfalls
fordere er bei der Abgrenzung „auch sehr viel Subsidiarität“, also
nationalen Spielraum. Wie der EWSA legte der Europaabgeordnete Dorfmann
großen Wert auf eine strikte Trennung zwischen der Ausgleichszulage für
die benachteiligten Gebiete und den Agrarumweltmaßnahmen.
Die von der EU-Kommission geplante Neuabgrenzung bezieht sich
nicht auf die Berggebiete, sondern auf die sogenannten „ anderen
benachteiligten Gebiete“. Diese machen in der EU 35 Prozent der
landwirtschaftlichen Nutzfläche aus, in Deutschland 53 Prozent. Die
Ausgleichszulage für diese Gebiete beläuft sich in der EU insgesamt auf
1,8 Milliarden Euro pro Jahr. In Deutschland wenden Bund, Länder und EU
für diese Gebiete jährlich gut 250 Millionen Euro auf. Auslöser für die
Diskussion um die Neuabgrenzung, die 2014 in Kraft treten soll, war
eine harte Kritik des Europäischen Rechnungshofes. Ein erster Anlauf
der EU-Kommission zur Neuabgrenzung war 2005 am harten Widerstand der
Mitgliedstaaten gescheitert.