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Landtechnik für veränderte klimatische Bedingungen – Boden und Wasser im FokusFrankfurt (agrar-PR) - Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Karlheinz Köller, Universität Hohenheim, Stuttgart Mit dem Einfluss des Klimawandels auf
Temperaturverläufe und Niederschlagsverteilungen verändern sich
regional und weltweit die Anbaubedingungen für die wichtigsten
Kulturpflanzen mit ökologischen und ökonomischen Konsequenzen nicht nur
für die Landwirtschaft, sondern für die gesamte Gesellschaft
(Hochwasserschäden, Lebensmittelpreise usw.). Ressourceneffiziente,
boden- und wasserschonende Pflanzenproduktion ist die Basis für eine
nachhaltige, sowohl ökologischen als auch ökonomischen Forderungen
entsprechenden Landwirtschaft. Diese Art der Landbewirtschaftung wird
zu Recht als Präzisionslandwirtschaft bezeichnet. Kern dieser
Präzisionslandwirtschaft ist die innovative Landtechnik, die sich auf
der diesjährigen Agritechnica in überzeugender und begeisternder Weise
präsentiert.
Boden und Wasser schonende Pflanzenproduktion
Vor
dem Hintergrund weltweit anhaltender Bodenzerstörung durch Erosion,
Versalzung, Wassermangel, Wasserverschmutzung, Bebauung usw. sowie den
erkennbaren Folgen des Klimawandels bleibt der konsequente Boden- und
Wasserschutz weltweit die wichtigste Herausforderung und Aufgabe zur
Sicherung einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion und
Ernährungssicherung. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen weltweit
konsequente Maßnahmen zur Vermeidung von Bodendegradation und
Wasserverschwendung entwickelt und umgesetzt werden. Das bedeutet für
die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion eine Steigerung der
Effizienz in sämtlichen Teilbereichen von Bodenbearbeitung über Saat,
Düngung und Pflanzenschutz bis hin zur Bewässerung mit dem Ziel, die
Anzahl der Überfahrten auf dem Acker sowie den Aufwand an
Betriebsmitteln zu reduzieren. Die Ergebnisse sind weniger Bodenerosion
und -verdichtung, weniger Arbeitszeit, geringerer Energie- und
Kraftstoffverbrauch, weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel und
weniger Wasser bei gleichbleibenden oder steigenden Erträgen. Diese
Ziele und Ergebnisse lassen sich nur mit intelligenter Technik,
zunehmendem Einsatz von Sensoren, Informationstechnologien und weiterer
Automatisierung von Arbeitsprozessen, verbunden mit
teilschlagspezifischen Bewirtschaftungsstrategien erreichen. Über die
Kombination und Weiterentwicklung dieser Bausteine entwickelt sich die
Landwirtschaft mehr und mehr zu einer Präzisionslandwirtschaft.
Innovativer Bodenschutz
Die
wichtigsten Maßnahmen für eine nachhaltige Landbewirtschaftung sind
eine ganzjährige Bedeckung des Bodens mit Pflanzen oder Pflanzenresten
sowie eine möglichst geringe Intensität der Bodenbearbeitung.
Entsprechende Verfahren sind konservierende Bodenbearbeitung und
Direktsaat, die zwar weltweit verbreitet, aber regional in
unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlicher Technik realisiert
werden.
Der
wichtigste Grund, weltweit gesehen, sich für konservierende
Bodenbearbeitung und Direktsaat zu entscheiden, ist Bodenerosion durch
Wasser und Wind. Erosion tritt bei landwirtschaftlicher Nutzung von
Flächen fast immer auf. Für eine nachhaltige Landnutzung sollte die
tolerierbare Erosion zusammen mit dem natürlichen Bodenabtrag geringer
als die Bodenneubildung sein. Wenn man beispielsweise davon ausgeht,
dass die meisten Böden in Mitteleuropa für ihre Entwicklung rund 10 000
Jahre benötigt haben, und die Masse des obersten Bodenhorizontes
(Lagerungsdichte 1,5 kg/dm3, Mächtigkeit 20 cm) rund 3 000
t/ha beträgt, darf die Erosion für eine nachhaltige Bewirtschaftung
nicht wesentlich über 400 kg pro Hektar und Jahr liegen. In der Praxis
werden hingegen in gemäßigten Breiten, je nach Standort und Intensität
der Bodenbearbeitung 10 bis 30 t Boden pro Hektar und Jahr abgetragen,
wobei in Einzelfällen auch wesentlich höhere Werte auftreten können. In
tropischen Regionen ist der mittlere Bodenabtrag noch deutlich höher,
im Mittel 70 t Bodenabtrag pro Hektar und Jahr bei konventioneller
Bodenbearbeitung. Die natürliche Bodenneubildung beträgt auch in diesen
Regionen selten mehr als 2 t pro Hektar und Jahr.
CO2-Bilanz im Fokus
Durch
den verringerten Kraftstoffbedarf und die Humusanreicherung weisen die
in konservierender Bodenbearbeitung oder Direktsaat bewirtschafteten
Flächen große Vorteile in der CO2-Bilanz auf. Auf
zuvor bearbeiteten Böden ist nach der Umstellung auf Direktsaat mit
einer Humusakkumulation zwischen 0,6 und 1,8 t pro Hektar und Jahr zu
rechnen. Pro Tonne Humus werden bei einem mittleren Kohlenstoff-Gehalt
von 55 % rund 2 t CO2 gebunden. Wenn nun der Humusgehalt
nach einer Umstellung auf Direktsaat jährlich um eine t/ha ansteigt,
könnten, bezogen auf die gesamte Ackerfläche in Deutschland, rund 23
Mio t CO2 pro Jahr, das sind 2,3 % der Gesamtemission,
gebunden werden. Da ein Anstieg von zwei % Humus (? 60 t/ha) durchaus
möglich ist, kann diese Akkumulation über mehrere Jahrzehnte andauern.
Langfristig stellt sich aber auch hier ein dem Bodenbearbeitungssystem
entsprechendes Gleichgewicht zwischen Humusabbau und Humusbildung ein.
Weltweit gehen jedes Jahr 5 bis 7 Mio. ha landwirtschaftliche Nutzfläche verloren
Bei
weiter anhaltender Bodenzerstörung im derzeitigen Tempo gehen weltweit
in jeder Stunde etwa 900 Hektar Acker- und Grünland verloren, Tag für
Tag rund 22 000 Hektar. In Deutschland werden täglich etwa 120 Hektar
Boden durch Beton und Asphalt versiegelt. Nach Untersuchungen gehen
jedes Jahr 5 bis 7 Mio. ha landwirtschaftliche Nutzfläche verloren, mit
steigender Tendenz. Auf einer wesentlich größeren Fläche ist die
Bodenproduktivität deutlich gemindert (Bodendegradation). Dies führt zu
sinkenden Erträgen, abnehmender Ertragssicherheit und zu immer höheren
Aufwendungen für die Produktion. Überweidung, Entwaldung und
unsachgemäße landwirtschaftliche Nutzung sind die Hauptursache für
diese Ressourcenzerstörung, die überwiegend durch Bodenabtrag - Wasser-
und Winderosion - und durch Nährstoffverarmung stattfindet. Die
Bodendegradation trägt auch zur weltweiten Klimaveränderung bei.
Bereits heute Kämpfe um Boden und Wasser
Die
Kernfrage für die Zukunft lautet: Wie produziert man immer mehr
Nahrungsmittel auf immer weniger Land, mit immer weniger Wasser? Ohne
eine rasche und gewaltige Steigerung der Mittel für Ausbildung,
Forschung und Beratung zur weltweiten Sicherung der
Grundnahrungsmittelversorgung werden Hungerkatastrophen, soziale
Verwerfungen, Wanderungsbewegungen und bürgerkriegsähnliche Zustände
den Alltag vieler Länder beherrschen. Kämpfe um bessere Böden und
Wasser gibt es in zahlreichen Ländern schon heute. Sie werden nicht
ohne Einfluss auf die Industrieländer bleiben. Diese werden sich nicht
der Verpflichtung entziehen können, die ländliche Entwicklung weltweit
massiv zu fördern, sowie boden- und wasserschonende
Landbewirtschaftungsmethoden auf breiter Basis nachhaltig zu
finanzieren und umzusetzen.
Ernährung der Menschheit bald nicht mehr gewährleistet
Boden
ist die unersetzbare Grundlage der Nahrungsmittelproduktion. Daneben
ist die Gewinnung einer Vielzahl von Rohstoffen ohne Boden nicht
möglich. Boden ist eine nicht erneuerbare Ressource, d.h. einmal
zerstörter Boden ist unwiederbringlich verloren. Die Neubildung einer
fruchtbaren Bodenkrume durch Verwitterung benötigt je nach Klima und
Ausgangsmaterial zwischen 3.000 und 15.000 Jahren. Gegenwärtig leben
rund 6 Mrd. Menschen auf der Erde. Ihnen stehen etwa 1,5 Mrd. Hektar
Acker- und Grasland zur Produktion von Nahrungsmitteln und Rohstoffen
zur Verfügung, das sind rund 2500 m² pro Kopf. Unterstellt man, dass im
Durchschnitt auf dieser Fläche, abzüglich der Verluste, Nahrungsmittel
mit dem Nährwert von 500 kg Getreide pro Jahr geerntet werden, so ist,
von den Verteilungsproblemen einmal abgesehen, eine ausreichende
Ernährung aller Menschen möglich. Wenn aber nun die Zahl der Menschen
weiterhin mit etwa 1,7 % pro Jahr zunimmt, so ist, selbst bei
ansteigenden Erträgen (in den letzten Jahren stagnieren die Erträge
allerdings), die Ernährung der Menschheit schon bald nicht mehr
gewährleistet. Dieses Problem wird durch die zunehmende Bodenzerstörung
noch drastisch verschärft.
Standortspezifische Bodenbearbeitung und Saat
Zur
Realisierung der genannten Ziele stehen den Landwirten weltweit
innovative technische Lösungen für die Bodenbearbeitung und Saat zur
Verfügung. Wichtigste Voraussetzung für einen nachhaltigen Schutz des
Bodens vor Erosion ist eine ausreichende Bedeckung des Bodens mit
Pflanzenresten, z.B. Stroh, das nach der Ernte auf dem Feld verbleibt.
Je nach Boden, Niederschlag und Standort (Hanglänge und -neigung) ist
ein unterschiedlicher Bedeckungsgrad erforderlich. Je flacher die
Bearbeitung, umso höher ist der Bodenbedeckungsgrad und der Schutz vor
Erosion. Je tiefer die Bearbeitung, umso geringer ist die Strohauflage.
Unter Berücksichtigung von Strohertrag und Hangneigung lässt sich z.B.
die Bearbeitungstiefe eines Grubbers mittels elektronischer Regelung
und entsprechender Steuerungssoftware stufenlos variieren. Basis
hierfür ist eine mit einem speziellen Kamerasystem erstellte,
georeferenzierte Strohbedeckungskarte. Entsprechende Kamerasysteme
werden heute bereits für verschiedene Funktionen bei Erntemaschinen,
Düngerstreuern und im Pflanzenschutz verwendet. Ziel ist, auch für die
Bodenbearbeitung ein System zu entwickeln, das eine Online-Regelung des
Gerätes in Abhängigkeit von der aktuellen visuellen Erfassung der
Strohauflage ermöglicht. Abgesehen von den genannten Vorteilen
bezüglich des Erosionsschutzes ermöglicht die ortspezifische
Bodenbearbeitung deutliche Einsparungen an Kraftstoff und Arbeitszeit.
Effizientere Nutzung des im Boden gespeicherten Wassers
Verfahren
der konservierenden Bodenbearbeitung und Direktsaat führen nicht zu den
genannten Vorteilen beim Erosions- und Hochwasserschutz, der
CO2-Bindung sowie Einsparungen an Arbeitszeit, Energie und Kosten,
sondern leisten auch einen entscheidenden Beitrag zur effizienteren
Nutzung des im Boden gespeicherten Wassers. Dieser Aspekt gewinnt
weltweit zunehmend an Bedeutung. Bedingt durch den höheren Anteil
organischer Substanz und geringere Evaporation ist der Anteil
pflanzenverfügbaren Wassers um etwa 30 % höher als bei konventioneller
Bewirtschaftung. Diese Differenz entscheidet in trockenen Jahren über
die Höhe des Ernteertrages und den wirtschaftlichen Erfolg. Aber nicht
nur für die Ernte, auch für die Saat ist der aktuelle
Bodenfeuchtegehalt von entscheidender Bedeutung. Neben der Bodenart,
der Bodenbedeckung und Bodentemperatur kann auch die Bodenfeuchte schon
auf kleinem Raum stark variieren und die Keim- und Wachstumsbedingungen
der Pflanzen beeinflussen. Neben der Temperatur ist die Bodenfeuchte
der wichtigste Keimfaktor. Die für die Keimung erforderliche
Wasserversorgung des Samens wird entscheidend von der Saattiefe
bestimmt. Eine Bodenfeuchte abhängige Regelung der Saattiefe könnte
z.B. auf Trockenstandorten mit begrenztem Wasserangebot bei der Saat
entscheidende Vorteile bewirken. In Verbindung mit dynamischen, in
Echtzeit messenden Feuchtesensoren ließe sich eine
teilflächenspezifische Saattiefenregelung mit einem Höchstmaß an
gekeimten Samen realisieren. Entsprechende Messsysteme, wie z.B. Time
Domain Reflectometry (TDR), sind vorhanden und werden in verschiedenen
Bereichen mit Erfolg eingesetzt, z.B. im Beregnungsmanagement.
Präzissionsbewässerungssysteme
Der
vorherzusehende Zuwachs der Weltbevölkerung auf 9 Mrd. Menschen im
Jahre 2050 erfordert eine Verdoppelung der Produktion von Lebens- und
Futtermitteln sowie von Rohstoffen für die Energieerzeugung.
Bewässerung wird zu einem Schlüsselfaktor für die Steigerung der
Agrarproduktion. Heute werden etwa 20 % der globalen Ackerfläche
bewässert. Auf dieser Fläche werden 40 % der globalen Pflanzenerträge
produziert. Andererseits werden bereits heute 70 % des weltweit zur
Verfügung stehenden Frischwassers in der Landwirtschaft verwendet, und
Wasser (Nutzung und Verteilung) stellt eines der weltweit größten
Konfliktpotenziale dar. Die Entwicklung und Realisierung effizienter
Bewässerungs- und Beregnungssysteme sind von essenzieller Bedeutung für
die weltweite Ernährungssicherung. Als technische Lösungen bieten sich
z.B. teilflächenspezifische Applikationssysteme in Verbindung mit
dynamischen Feuchtesensoren (z.B. TDR) und drahtloser
Informationsübertragung (Sensornetzwerke) an. Die zunehmende globale
Bedeutung der Entwicklung innovativer Bewässerungssysteme spiegelt sich
auch in entsprechenden unternehmerischen Aktivitäten. So hat sich z.B.
die Firma John Deere in den vergangenen drei Jahren mit den John Deere
Water Technologies zum weltweit drittgrößten Anbieter von
Bewässerungstechnologien entwickelt.
Auch die Wasserqualität gewinnt an Bedeutung
Neben
einer effizienten Wasserapplikation gewinnt auch die Wasserqualität
zunehmende Bedeutung. Unter Ackerland findet die stärkste
Grundwasserneubildung statt. Damit tragen Landwirte eine hohe
Verantwortung für die Bereitstellung qualitativ hochwertigen
Trinkwassers. Grundwasserschonende Bewirtschaftungsmaßnahmen, besonders
bei Düngung und Pflanzenschutz, gewinnen deshalb zunehmende Bedeutung.
Teilflächenspezifische Applikation von Dünge- und
Pflanzenschutzmitteln, basierend auf sensor- und computergesteuerten
Regelungseinrichtungen, ist für viele Landwirte mittlerweile Stand der
Technik. Gesetzgeberische Vorgaben für das Grenz- und Randstreuen bei
Ausbringung von Düngemitteln oder für den nachhaltigen Einsatz von
Pflanzenschutzmitteln treiben die technische Entwicklung voran und
führen zu weiteren Innovationen bei der Gerätetechnik. Zunehmende
Präzision bei Dosierung und Applikation werden durch Elektronik und
Computersteuerungen realisiert. Wichtige Neuerungen sind hier in den
Bereichen DPGS-Steuerungen und ISOBUS-Terminals festzustellen. Darüber
hinaus ermöglichen neue Datenbanksysteme die Steuerung und
Dokumentation von Düngungs- und Pflanzenschutzmaßnahmen.
in
beeindruckender Weise werden im Rahmen der „World Soil and Water Show“
auf der diesjährigen Agritechnica die genannten Themen im weltweiten
Kontext als Aufgabe höchster Priorität mit globalen Herausforderungen
an Forschung, Entwicklung, Praxis und Politik dargestellt. Die Show
zeigt weltweite, innovative Ideen und Konzepte zur Vermeidung der
Bodenzerstörung und zur wassereffizienten Produktion. Pressekontakt Herr Rainer Winter | Telefon: | 069 / 24788-212 | E-Mail: | R.Winter@dlg.org |
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