07.04.2011 | 02:51:00 | ID: 8985 | Ressort: Landwirtschaft | Tier

Chronischem Botulismus endlich auf der Spur?

Horstmar-Leer (agrar-PR) - Die Agrar- und Veterinär- Akademie (AVA) beschäftigt sich seit rund einem Jahr intensiv mit dem Problemfeld des chronischen Botulismus in landwirtschaftlichen Betrieben.
Kühe sterben, Landwirte und Tierärzte erkranken - und kaum ein Politiker und scheinbar auch Ämter zeigten bisher Interesse am Geschehen. Ein Tagungsband (150 Seiten stark) der AVA zum chronischen Botulismus wurde aufgelegt, bisher zwar über 2000 Mal ins In- und Ausland verschickt, aber eine Vielzahl von „Fachleuten“ und Politikern sprechen von „Panikmache, Unsinn und Quatsch“. „Eine solche Erkrankung gäbe es nicht -… es sei letztendlich die Unfähigkeit der Landwirte, Kühe zu füttern…“. Eine ungeheure Ignoranz, wie nicht nur AVA-Chef Ernst-Günther Hellwig, Fachtierarzt und Diplomagraringenieur, meint.

Aktuell wird nun in der Presse und im Rundfunk über einen mit chronischem Botulismus betroffenen Milchviehbetrieb in Sachsen berichtet. Nicht nur die rund 600 gestorbenen Milchkühe sind Thema, sondern auch das nachgewiesene Erkranken von Menschen an dieser Krankheit (Prof. Dr. Dirk Dressler, Medizinische Hochschule in Hannover). Rechtsanwalt Dr. Eberhard Grabow vertritt den Betriebsleiter und möchte auch anderen Betroffenen helfen. Hohe Schadenersatzansprüche kämen auf die Behörden zu, die diese Erkrankung des chronischen Botulismus bisher ignorierten, so der Jurist.

Der Freistaat Sachsen fordert nun die bundesweite Ursachenklärung durch das Friedrich-Loeffler-Institut, um überhaupt wissenschaftliche Erkenntnisse und eine klare Krankheitsdefinition zu erhalten. „Nur auf dieser Grundlage ist eine Diagnosestellung in den Rinder haltenden Betrieben möglich“, so die sächsische Gesundheitsministerin Christine Clauß, die auch die Aufnahme der Faktorenerkrankung dieser Clostridiose in die Liste der meldepflichtigen Tierkrankheiten begrüßen würde, um so den betroffenen Landwirten auch finanzielle Hilfen über die Tierseuchenkasse zukommen zu lassen. Derzeit fehle hierzu aber jede rechtliche Grundlage, so die Ministerin.

Seit rund 10 Jahren gibt es Berichte von chronischem Botulismus in Rinderherden, mit zum Teil sehr hohen Verlustraten. Auch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sind eine Reihe von Milchviehbetrieben betroffen, die z. B. in einem Fall Verluste von weit über 1.000 Kühen beklagen („das Leben sterben sehen“). Eine Landwirtsinitiative kümmert sich auf der Internetseite: www.botulismus.org um betroffene Milchkuhhalter und gibt Auskünfte und Hilfestellungen.

Mittlerweile treten auch in Schweinebetrieben Verdachtsfälle auf. Die Ursachen dieser chronischen Erkrankung sind bisher nicht geklärt. 

In der GÖTTINGER ERKLÄRUNG, initiiert von der Agrar- und Veterinär- Akademie (AVA), fordern Tierärzte die wissenschaftliche Klärung der offenen Fragen zu dieser Faktorenerkrankung. Insbesondere wird auch die Rolle der Biogasanlagen angesprochen, ob evtl. das Einbringen von unbehandelten Risikomaterialien wie Schlachthofabfälle, Essensreste und Hühnerkot in die Fermenter  nachfolgend zu einer vermehrten Kontamination der Umwelt mit Clostridium botulinum - Sporen über die Biogasrestmasse führen könne. Dies würde zu einer vermehrten Aufnahme von Botulinumsporen durch das Grundfutter in den Magen-Darm-Trakt der Kühe führen und diese chronische Erkrankungsform letztendlich auslösen.

Bisher konnten die gestellten Fragen nicht beantwortet werden, da der Sporen-Input und Sporen-Output dieser Clostridienart bisher in Deutschland nicht untersucht, bzw. die Aufforderungen dazu ignoriert wird. Die AVA fordert seit längerem diese Untersuchung und schlägt vor, in betroffenen Betrieben „gemeinsam“ (Befürworter und Gegner) die Ursachenforschung zu betrieben.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium vergibt nun ganz aktuell ein Forschungsvorhaben im Wettbewerb zu dieser Fragestellung: „Bedeutung von Clostridium botulinum bei chronischen Krankheitsgeschehen“. Schlusstermin für die Abgabe der Angebotsunterlagen bei der BLE ist der 12.04.2011. „Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) bedarf wissenschaftlicher Entscheidungshilfen zur Lösung seiner politischen und administrativen Aufgaben. Da die Bundesforschungsanstalten nicht immer den Entscheidungshilfebedarf des Ministeriums abdecken können, ist es notwendig, Forschungsaufträge an wissenschaftliche Einrichtungen außerhalb der Bundesverwaltung zu vergeben“. Es  heißt in der Ausschreibung: „Im Rahmen dieser Vergabe im Wettbewerb möchten wir Sie darüber informieren, dass in der Rubrik „Tier“ auf der Internetseite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) eine neue Bekanntmachung zu einem geplanten Forschungsvorhaben des BMELV veröffentlicht wurde“ (Bekanntmachung Nr. 06/11/51 über die Durchführung eines Forschungsvorhabens im Bereich Tiergesundheit vom 28. März 2011).

Die Agrar- und Veterinär- Akademie (AVA) begrüßt dieses Forschungsvorhaben außerordentlich und hofft damit, dass den betroffenen Betrieben endlich geholfen werden kann. In der NUTZTIERPRAXIS AKTUELL (NPA), dem Fachorgan der AVA, wurde in den letzten Ausgaben intensiv auf die Problematik des chronischen Botulismus eingegangen; sei es aus tiermedizinischer und auch aus juristischer Sicht, mit der sich insbesondere der Rechtsanwalt Dr. Burkhard Oexmann aus Hamm intensiv auseinander setzte.

Da mittlerweile auch 3 Tierärzte (der AVA bekannt) am chronischen Botulismus erkrankt sind, fordert die Agrar- und Veterinär- Akademie (AVA) unbedingt die Anerkennung dieser Erkrankung als Berufskrankheit.

Die Agrar- und Veterinär- Akademie (AVA) hofft, dass nun doch endlich das Erkrankungsbild des chronischen Botulismus von der Politik, den Vertretern der  Landwirtschaft und Kritikern ernst genommen wird, damit weitere Forschungsprojekte zu den Ursachen dieser Erkrankung, insbesondere die mögliche Rolle der Biogasanlagen, ins Leben gerufen werden können. Die Göttinger Erklärung hat sicher dazu beigetragen. Es tut sich langsam etwas! (ava)
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