Freising-Weihenstephan (agrar-PR) - Max-Planck-Wissenschaftler haben zusammen mit Kollegen der
Universität Neuchâtel (Schweiz), der TU München und dem United States
Department of Agriculture (University of Missouri, USA) transgene
Maispflanzen getestet, die über ihre Wurzeln den natürlichen Lockstoff
(E)-beta-Caryophyllen (kurz: EβC) in den Erdboden abgeben. EβC lockt
Nematoden an, kleine Fadenwürmer, die die Raupen des Maiswurzelbohrers
angreifen und töten. In Freisetzungsversuchen waren die Anzahl
überlebender Schädlinge und der Schaden an den Wurzeln deutlich
reduziert. Durch diese Art der natürlichen Verteidigung kann ein
umweltschonender Anbau von Mais durch verringerten Einsatz von
synthetischen Insektiziden ermöglicht werden.
Der Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera) ist in den USA
der gefährlichste Maisschädling, sein Befall führt zu hohen
Ertragseinbußen. Die Bekämpfung erfolgt durch Insektizide, Fruchtfolgen
und durch - in Europa nicht zugelassene - gentechnisch veränderte
Bt-Maissorten. Auch in Deutschland ist der Schädling seit dem Jahr 2007
auf dem Vormarsch. Die Larven des Käfers fressen die Wurzelhaare und
bohren sich in die Wurzeln der Maispflanzen. Die Folgen sind
verheerend: Der Mais nimmt weniger Wasser und Nährstoffe auf, die Halme
bleiben mickrig und knicken um. Wo der Maiswurzelbohrer zur Plage wird,
errichtet das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit (BVL) Sicherheitszonen und verordnet den Einsatz
des Insektizids Chlothianidin. Im Frühling 2008 löste dieses Insektizid
eine ökologische Katastrophe aus: Das Pflanzenschutzmittel haftete
nicht ausreichend an den gebeizten Maiskörnern;
Clothianidin-kontaminierter Staub setzte sich auf Blüten ab und
vergiftete so rund 330 Millionen Honigbienen.
"Viel
umweltfreundlicher als der Einsatz von Insektiziden wäre der von
natürlichen Fraßfeinden des Käfers", ist Jörg Degenhardt deshalb
überzeugt. Zusammen mit Sergio Rasmann und Ted Turlings von der
Universität Neuchâtel in der Schweiz und Jonathan Gershenzon vom
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena hatte der kürzlich
an die Universität Halle berufene Wissenschaftler schon vor vier Jahren
herausgefunden, dass angefressene Maiswurzeln Wildarten spezieller
Würmer (Nematoden) anlocken, indem sie den Duftstoff
(E)-beta-Caryophyllen (EβC) in den Boden abgeben. Auffallend bei diesen
Versuchen war gewesen, dass die meisten nordamerikanischen Maissorten
trotz Maiswurzelbohrerbefall keine Nematoden mehr anlocken konnten.
Vermutlich ist im Verlauf konventioneller Maiszüchtung durch den
Menschen in diesen Sorten die Fähigkeit zur Abgabe des
Nematoden-Lockstoffes verloren gegangen.
Die Wissenschaftler
widmeten sich daher einer Maissorte, die kein EβC erzeugen konnte. Am
Lehrstuhl für Genetik der TU München ist die Transformation dieser
Maispflanzen mit Hilfe von Agrobacterium tumefaciens etabliert. Alfons
Gierl und seine Mitarbeiter haben in Zusammenarbeit mit Jörg Degenhardt
nun ein Gen in diese Maislinie eingebracht, das ein EβC erzeugendes
Enzym kodiert. Die erzeugten transgenen Pflanzen wurden von Jörg
Degenhardt auf die Bildung des Duftstoffes untersucht: In den Wurzeln
der Pflanzen wurde nun kontinuierlich EβC in den Erdboden abgegeben.
Ivan Hiltpold testete daraufhin in Freisetzungsexperimenten zusammen
mit Bruce Hibbard von der Universität Missouri und dem United States
Department of Agriculture, wie die Pflanzen Maiswurzelbohrerattacken
überstehen.
"Die Freilandstudien zeigten, dass EβC abgebende
transgene Pflanzen die Effektivität der nematodenvermittelten
Bekämpfung von Maiswurzelbohrerraupen deutlich erhöhten", so Hiltpold.
In Parzellen mit transgenen Maispflanzen, die EβC produzieren konnten,
fand er weitaus weniger Wurzelschäden und ein um 60 Prozent
vermindertes Auftreten von Diabrotica-Käfern im Vergleich zu Parzellen
mit nicht-transgenem Mais. Dieser Wirkungsgrad entspricht der Effizienz
der synthetischen, gegen Diabrotica eingesetzten Insektizide.
Zusätzlich im Labor durchgeführte Arbeiten haben bestätigt, dass
transgene Pflanzen, verglichen mit nicht transgenen, deutlich mehr
Nematoden anlocken konnten.
"Die Nutzung dieser indirekten
Verteidigung ist eine attraktive Strategie, um die Resistenz von
Pflanzen gegenüber pflanzenfressenden Insekten zu erhöhen und so
weniger Pestizide ausbringen zu müssen", sagt Degenhardt. "Die in
diesen Versuchen verwendeten transgenen Maispflanzen haben keinen
kommerziellen Wert - sie dienten dem ‚proof of principle’, also dem
Nachweis, dass es das EβC ist, das vor Maiswurzelbohrerbefall schützt".
Das
EβC-Merkmal ist in anderen, meist europäischen Maissorten und auch in
den Vorfahren des Mais vorhanden. Daher könnte einerseits durch
konventionelle Züchtung das Merkmal wieder in EβC defiziente Pflanzen
eingekreuzt werden. Andererseits verspricht die Erzeugung von
EβC-Maissorten mithilfe der Gentechnik zusätzliche Vorteile: Sie ist
schneller und verhindert den Verlust wichtiger Ertragsmerkmale der in
der Landwirtschaft verwendeten Maissorten. In Kombination mit
traditionellen Fruchtfolgen, bei denen abwechselnd Mais und Weizen
angebaut werden, könnten drohende Maiswurzelbohrerplagen verhindert
oder zumindest begrenzt werden.
In weiteren Experimenten soll
nun untersucht werden, wie diese indirekte EβC Verteidigungsstrategie
am sinnvollsten und ökologisch schonend für Mais und andere Pflanzen
angewendet werden kann. Ein Patent über diese Arbeiten ist angemeldet.
Publikation:
Jörg
Degenhardt, Ivan Hiltpold, Tobias G. Köllner, Monika Frey, Alfons
Gierl, Jonathan Gershenzon, Bruce E. Hibbard, Mark R. Ellersieck and
Ted C. J. Turlings: Restoring a maize root signal that attracts
insect-killing nematodes to control a major pest. Proc. Natl. Acad.
Sci. USA, Early Edition, 3.-7. August 2009, DOI:
10.1073/pnas.0906365106.