Frankfurt (agrar-PR) -
Landwirtschaft: Es gibt keine fertigen Lösungen, wie in krisenhaften Zeiten zu navigieren ist -
Auf Unternehmerkraft setzen - Sehr gut besuchte DLG-Unternehmertage in Würzburg Die Land- und
Agrarwirtschaft ist endgültig angekommen in einer Welt globalisierter
Märkte, die aktuell um Auswirkungen einer taumelnden Wertwirtschaft
verstärkt wird, mit allen Chancen,
aber auch nicht zu unterschätzenden
Risiken für den Einzelbetrieb. Es gibt keine fertigen Lösungen, wie in
diesen krisenhaften Zeiten zu navigieren ist. Allerdings muss vielfach
auch das Rad nicht neu erfunden werden. Dies war Tenor der mit nahezu
600 Teilnehmern sehr gut besuchten Unternehmertage der DLG (Deutsche
Landwirtschafts-Gesellschaft) am 2. und 3. September in Würzburg.
Für
DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer stellt die gegenwärtige Krise eine
Herausforderung dar, die Mut, Klarheit und Verantwortung für das eigene
Handeln verlangt, um den Blick aus dem Jammertal werfen zu können.
Gleichwohl könne der Blick auf die gegenwärtigen
Preis-Kosten-Verhältnisse alles andere als Optimismus verbreiten. „Auch
gut strukturierte Betriebe haben unter diesen Bedingungen große
Schwierigkeiten.“ Sich in Krisen mit verfallenden Produktpreisen und
steigenden Kosten zu behaupten,
sei nicht zuerst eine Frage an das
Umfeld, sondern eine spezifische Herausforderung für jeden einzelnen
Unternehmer, der die Führung eines Betriebes verantwortet. Nach Ansicht
des DLG-Präsidenten entsteht der wirtschaftliche Erfolg in den Köpfen,
sei es durch niedrige Kosten oder hohe Naturalerträge und in der
produktionstechnischen Finesse eines eng in die Prozesse involvierten
Unternehmers. „In seinem Kopf,
in seiner Einschätzung über Wohl und
Wehe seiner Pflanzen und/oder seiner Tiere vermag er erst die
vielen
kleinen Stellschrauben des Erfolges zu identifizieren“, betonte
Bartmer. Im Austausch mit Berufskollegen, in innovativer Neugier und
Adaptionsfähigkeit an die eigenen Rahmenbedingungen sieht
er
Schlüsselfähigkeiten.
Auch
der Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Jakob
Opperer, sieht in der Betriebsleiterqualität einen entscheidenden
Faktor. In seiner Grußansprache wies er darauf hin, dass es heute
unerlässlich ist, Herausforderungen anzunehmen und nicht überholten
Vorstellungen nachzuhängen. Gute Betriebsleiter und Betriebsleiterinnen
würden sich durch große Fachkompetenz auszeichnen, sich Rat von Profis
holen, Dienstleistungen gezielt einkaufen und Arbeiten auslagern.
Darüber hält er die Wahrung der sozialen Kompetenz für besonders
wichtig.
Wachstumsimpulse aus Schwellenländern - Stabilisatoren der Weltwirtschaft
Den
allgemein bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der weiteren
Wirtschaftsentwicklung hielt der Chefanalyst der Bremer Landesbank,
Folker Hellmeyer, klar nach oben gerichtete Frühindikatoren entgegen.
Das Ende der virulenten Phase der Krise bedinge ab Sommer 2009 eine
sukzessiv einsetzende Verbesserung der Finanzmarktfunktionalität mit
Potenzial für eine verbesserte Kreditvergabe. Darüber hinaus sieht er Wachstumsimpulse
aus den Schwellenländern. Diese würden sich mehr und mehr zu
Stabilisatoren für die Weltwirtschaft entwickeln. Die weltweite
Nachfrage nach Agrarrohstoffen nehme daher alsbald wieder Fahrt auf.
Auch erwartet er, dass der anstehende Konjunkturverlauf besser
ausfällt, als derzeit noch prognostiziert. Die jetzt zu erfolgende
Anpassung der Wirtschaftsinstitute und der Großbanken sei lediglich der
erste Schritt. Die Herausforderungen an die internationale Agrar- und
Ernährungswirtschaft sind nach Ansicht des Chefanalysten der Bremer
Landesbank durch die positive konjunkturelle Entwicklung der
Schwellenländer mit verändertem Verbraucherverhalten einerseits und dem
Thema „Biofuels“ andererseits extrem hoch. Unter den gegebenen
Voraussetzungen biete sich mittel- und langfristig ein Szenario, das
von erhöhten Absatzmengen und Preisüberwälzungsspielräumen geprägt sei.
Hellmeyer sieht insgesamt mittelfristig gute Perspektiven für die
Landwirtschaft.
Erfolgreiche Unternehmer bleiben in Tiefpreisphasen liquide
„Die
Kunst erfolgreicher Unternehmer besteht nicht darin, bei Spitzenpreisen
Gewinn zu machen, sondern in Tiefpreisphasen liquide genug zu bleiben,
um das Unternehmen erfolgreich durch die Krise führen zu können.“ Dies
erklärte Christian Stockinger von der Bayerischen Landesanstalt für
Landwirtschaft (LfL/München). Für den bayerischen Agrarökonomen ist es
zudem ein Irrglaube, die Politik könnte die Märkte bestimmen und für
kostendeckende Preise sorgen. Wenn die Europäische Union (EU) den
bisher eingeschlagenen Weg des weiteren Rückzugs aus Marktbeeinflussung
und Preisbildung beschreite, müssen sich nach Stockinger die Landwirte
einschließlich der Milcherzeuger auf sich ständig verändernde
Preis-Kosten-Verhältnisse einstellen. Die Zukunftsfähigkeit von
Unternehmen hängt seiner Meinung nach insbesondere auch von der
Anwendung technischer Fortschritte ab. Der laufende
Produktivitätsfortschritt werde bei begrenzt aufnahmefähigen Märkten
zwangsläufig zu einer weiteren Verringerung der Produzentenzahl führen.
„Der strukturelle Rückstand ist mittlerweile so groß, dass
einzelbetriebliches Größenwachstum in den Grenzen der individuellen
Bauernhoflösungen für viele Betriebe nicht mehr Ziel führend ist“,
betonte Stockinger. Je nach betrieblicher Situation sei zu
analysieren, ob Investitionen in nicht-landwirtschaftliche Bereiche
sinnvoll sind. So empfiehlt er, außerlandwirtschaftliche Bereiche
dringend bei der Einkommenssicherung und dem Erhalt des Vermögens und
der Gesundheit an Leib und Seele in die Überlegungen mit einzubeziehen.
Getreide und Betriebsmittel muss man heutzutage einlagern können
Für
den Landwirt Thomas Tiedemann aus Katzenow in Mecklenburg-Vorpommern
sind angepasste hohe Naturalerträge auch bei volatilen Märkten
Grundpfeiler für hohe Reinerträge. Auch gelte es, Ein- und
Verkaufszeitpunkte möglichst weitgehend selber zu bestimmen. „Getreide
und Betriebsmittel muss man heutzutage einlagern können“, betonte er.
Darüber hinaus reiche die Kenntnis über die eigenen Schwächen und
Stärken nicht aus. Erst die konsequente Umsetzung der gewonnenen
Erkenntnisse in die Praxis führe zum gewünschten Ergebnis. „Daran
mangelt es manchmal.“ Auch die Liquiditätsplanung erhalte unter den
derzeitigen Gegebenheiten eine noch größere Bedeutung. Nach Ansicht des
Ackerbauern müsse sie beim Ein- und Verkauf stärker einbezogen werden.
Geldvoranschläge seien monatlich anzupassen,
die Kontostände stets im
Blick zu haben, und die goldenen Finanzregeln müssten unbedingt
beachtet werden. Insgesamt sieht er die Managementaufgaben
grundsätzlich in der Hand des Betriebsleiters,
„diese dürfen nicht
delegiert werden.“
Krisen sind gute Möglichkeiten zur Veränderung
„Krisen
zwingen zum Überdenken eingefahrener Wege, sie sind eine gute
Möglichkeit zur Veränderung.“
Dies erklärte die Landwirtin Claudia
Müller aus dem hessischen Wächtersbach. Für die Unternehmerin,
die
gemeinsam mit ihrem Mann einen 140 ha großen Milchviehbetrieb mit 100
Milchkühen, eine Direktvermarktung und eine Biogasanlage betreibt, ist
das ständige Überdenken von Arbeitsabläufen und Produktionsverfahren
die Voraussetzung für notwendige betriebliche Entscheidungen. Es sei
oft schmerzlich und unangenehm, sich mit diesen Dingen auseinander zu
setzen. Doch ein zu langes Verharren am Bestehenden bzw. das sich
selbst Bedauern führe nicht in eine positive Zukunft für den Betrieb
und die Familie. „Rechtzeitig die Schwächen erkennen, diese ausmerzen,
und wenn dies nicht geht, dann etwas Neues anpacken“, lautet die Maxime
von Claudia Müller. Ansatzpunkte sieht die hessische Unternehmerin,
die
seit 2006 dem DLG-Vorstand angehört, unter anderem in der Überprüfung
persönlicher Neigungen,
der Standortfrage, der finanziellen
Möglichkeiten und von Kooperationsmöglichkeiten. „Es geht viel mehr,
als man denkt“, betonte sie.
Krise in der Sauenhaltung überwunden
Dass
Schweinehaltung auch abseits der Veredelungsgebiete erfolgreich sein
kann, zeigte Peter Seeger aus dem südhessischen Otzberg auf. Unter der
konsequenten Ausnutzung seiner Standortvorteile, wie zum Beispiel die
geringe Viehdichte in seiner Region, geringe Futterkosten oder auch die
Möglichkeit, Gülle günstig auszubringen, hat er kräftig in die
Ferkelerzeugung investiert. Seiner Meinung nach habe man die Krise in
der Sauenhaltung überwunden. Langfristige Kredite mit günstigen Zinsen
und Rabatte der Stalleinrichter hätten ein Übriges dazu beigetragen.
Ziel sei es jetzt, die Leistungen zu steigern,
die Arbeitswirtschaft
weiter zu optimieren und Fremdkapital abzubauen. Weiterhin sieht er in
der Optimierung energetischer Prozesse auf seinem Hof noch
Rationalisierungsmöglichkeiten. Seeger sieht allerdings auch die
Gefahren, „wenn man nur auf einen Betriebszweig setzt. Daher hat der
hessische Landwirt diversifiziert und mit dem Ackerbau und dem
Landhandel weitere Standbeine geschaffen.
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