Frankfurt (agrar-PR) - „Die Gesellschaft braucht einen Staat, der
Technologiezugang und technischen Fortschritt ermöglicht und der sich
bei der Sicherheitsprüfung an wissenschaftlichen Standards orientiert“.
Dies forderte der Präsident der DLG (Deutsche
Landwirtschafts-Gesellschaft) Carl-Albrecht Bartmer auf der
Wintertagung in Berlin. Für den DLG-Präsidenten ist der technische
Fortschritt ein unverzichtbares Werkzeug in den Händen
landwirtschaftlicher Unternehmer. „Daher muss er gefördert werden.“
Technologie und Innovation seien die Kernbestandteile für eine
wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum. Bartmer hält darüber
hinaus den technischen Fortschritt für eine notwendige Bedingung, um
die großen Herausforderungen einer dynamisch wachsenden Welt zu
meistern. Eine tiergerechte und ökologisch verantwortliche
Produktivitätssteigerung sei nur über moderne und standortangepasste
Technologien zu erreichen. „Sie versetzt die Landwirtschaft in die
Lage, diese Herausforderungen nachhaltig und ressourceneffizient zu
meistern“, betonte der DLG-Präsident. „Einen überzeugenden Gegenentwurf
hat bis heute niemand präsentiert.“
Die
Produktivität zu steigern sei ein Teil des Spannungsbogens. Den anderen
Teil sieht Bartmer in der Nachhaltigkeit des Wirtschaftens, von den
Ressourcen bis zu den wichtigen Schutzgütern dieses Planeten. „Der
einzige, wirklich zu vermehrende Faktor, ist Wissen und Können“, so der
DLG-Präsident. Nur damit könnten die Knappheiten der endlichen
Ressourcen kompensiert werden. Ein breit angelegtes und hoch effektives
Forschungswesen habe Deutschland in die heutige hervorragende
Wettbewerbsposition gebracht. In den letzten Jahren sei dieser Vorteil
im Agrarbereich wie Schnee in der Sonne dahin geschmolzen. „Es ist
nicht nur eine gesellschaftliche Anforderung, es ist die Erkenntnis
über eine strategische Schlüsselwissenschaft „Agrar“ in den kommenden
100 Jahren, die es notwendig macht, in eine effiziente und effektive
Agrarforschung zu investieren, öffentlich wie privat. Die Agrar- und
Ernährungswirtschaft stehe in den nächsten Jahren vor erheblichen
Herausforderungen. Dabei erhalte die Zukunftsbranche „Agrar“ eine
Schlüsselstellung. „Sie wird diese meistern können, wenn sie sich in
einem Dreieck aus Unternehmertum, Innovation und gesellschaftlicher
Verantwortung bewegt“, erklärte Bartmer.
Weiterentwicklungen
in der Tierhaltung und -fütterung, in der Pflanzenzüchtung, im
Pflanzenschutz, in der Landtechnik und nicht zuletzt in der
Betriebsstruktur sollten nach Ansicht des DLG-Präsidenten nicht
Gegenstand nationaler oder mitunter regionaler Sonderwege sein, auch
nicht öffentlicher Konsensverhandlungen. „Sie sind das Ergebnis von
wirtschaftlichen Prozessen in einem Rechtsrahmen, der wissenschaftlich
basiert den Schutz von Mensch, Art und Natur zu gewährleisten hat.“
Ordnungspolitische
Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen eine Landwirtschaft
Zukunftsbranche sein kann, ist nach Ansicht von Bartmer eine der
vornehmsten Aufgaben des Staates in einer sozialen Marktwirtschaft.
Einkommenssichernde Eingriffe wie ein Sonderprogramm Milch zählten dazu
ebenso wenig wie Feinjustierungen am Erneuerbaren Energien Gesetz
(EEG). Diese seien in der Einkommenswirkung überschaubar und unpräzise.
„Die Überwälzung auf die knappsten Faktoren, also Quotenpreise und im
Fall Biogas die Bodennutzungskosten, beweisen dies.“ Die sich daraus
ergebenden Verzerrungen zwischen den Betriebszweigen zeigten die
Begrenztheit möglicher politischer Einflussnahmen. Der Staat sei nicht
zuständig und wäre auch überfordert, in die Agrarpreisbildung
einzugreifen. Interventionskäufe, Exportsubventionen oder
Produktionsquotierung hält der DLG-Präsident für ein Festhalten am
Althergebrachten und nicht als Antwort auf
Jahrhundertherausforderungen. Vielmehr sollte sehr offen über ein
neues, nachhaltiges europäisches Agrarmodell diskutiert werden. Es sei
strategisch notwendig, ein solches Agrarmodell als Leitlinie
zukünftiger Agrarpolitik zu definieren. Dies müsse nicht nur auf eine
EU-Finanzperiode nach 2013, sondern vielmehr auf eine Agrarwirtschaft
als Zukunftsbranche ausgerichtet sein. Agrarmodelle, die als Argument
für bevorzugte Betriebs- und Stallgrößen, für die restriktive
Verfügbarkeit von modernen Technologien und nicht zuletzt als Vehikel
zur Gestaltung einer „Bilderbuch-Landwirtschaft“ genutzt werden, hält
er für falsch.
Der
DLG-Präsident sieht ein Dilemma darin, wenn Bewirtschaftungskonzepte
nicht nach dem Stand des Wissens und der Technik, sondern nach Wünschen
einer Öffentlichkeit ausgerichtet werden, die die Opportunitätskosten
durch den Verzicht auf zeitgemäße Technologien nicht kennt, in ihren
Wünschen nicht immer verlässlich ist und es auch angesichts
finanzieller Restriktionen in einer Finanz- und Wirtschaftskrise kaum
sein kann. „Wir brauchen einen Ausweg aus dem Dilemma nicht mehr
zeitgemäßer Bewirtschaftungskonzepte“, betonte Bartmer. Diese würden
die Existenzgrundlage ländlicher Räume, die eine wirtschaftliche sein
muss, gefährden. Vitale ländliche Räume entstünden nicht durch
Dienstleistungen untereinander. „Vitale ländliche Räume entstehen durch
wettbewerbsfähige Produkte, die überregional und international verkauft
werden können.“