Frankfurt (agrar-PR) - Mehrgefahrenversicherung und Wetterderivate gewinnen bei
fortschreitendem Klimawandel an Praxisrelevanz - Verhängnisvoll ist im
globalen Markt das Zusammentreffen von kleiner Ernte und niedrigem
Preis - Jahrestagung der Jungen DLG diskutiert über Risikomanagement im
Ackerbau
Für das Management von Witterungsrisiken gibt es eine Vielzahl
innovativer Instrumente, die von deutschen Ackerbauern bisher aber kaum
genutzt werden. Gehört die Hagelversicherung heute in vielen Betrieben
zum Standard, sind Mehrgefahrenversicherungen oder Wetterderivate
bisher kaum verbreitet, obwohl die Witterungsrisiken in den letzten
Jahren spürbar zugenommen haben. Prof. Oliver Mußhoff vom Department
für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen
stellte bei der Jahrestagung der Jungen DLG (Deutsche
Landwirtschafts-Gesellschaft) in Bernburg eine so genannte
Wetterindexversicherung vor, mit der sich Ackerbaubetriebe
beispielsweise gegen die finanziellen Folgen einer
Frühsommertrockenheit versichern können, die vor allem in
Nordostdeutschland ein echter Risikofaktor ist. Das Prinzip dieser so
genannten Wetterderivate ist einfach: An einer Wetterstation wird die
Niederschlagssumme während der Vegetationsperiode gemessen und in einem
Wetterindex zusammengefasst. Als Versicherungsleistung gibt es 1 Euro
pro Millimeter Unterschreitung des langjährigen Mittelwertes für den
Wetterindex. Vorteil dieses Absicherungsinstrumentes ist die verglichen
mit Hagel- oder Ertragsausfallversicherungen einfache Abwicklung, da
eine aufwändige Begutachtung auf dem Feld entfällt. Dadurch können
solche Absicherungsinstrumente auch entsprechend günstiger angeboten
werden. Andererseits muss der Ackerbauer mit einem Restrisiko leben,
das umso größer ist, je weiter der Messpunkt vom Standort seines
Betriebes entfernt ist. Mußhoff wies darauf hin, dass erste Anbieter
mit solchen indexbasierten Wetterderivaten am Markt sind. Der
Agrarökonom geht davon aus, dass Versicherungen gegen Witterungsextreme
im Zuge des fortschreitenden Klimawandels verstärkt nachgefragt werden.
Explosive Mischung
Der
Vorsitzende des DLG-Fachzentrums Landwirtschaft, Landwirt René Döbelt
aus Nemt (Sachsen), wies im Rahmen eines Arbeitskreises unter der
Überschrift „Risiken bändigen“ darauf hin, dass in einer globalisierten
Agrarwelt vor allem die Kombination aus Preis- und Mengenrisiken zu
einer explosiven Mischung werden kann. Bis weit in die neunziger Jahre
hinein seien die hiesigen Getreidepreise bei einer kleinen Ernte nach
oben gegangen. Diesen Zusammenhang gebe es aufgrund der mittlerweile
weltweit vernetzten Agrarmärkte nicht mehr. Der Vorstandsvorsitzende
der Münchener und Magdeburger Agrarversicherung AG, Dr. Joachim
Crönlein, stellte klar, dass die von einer Hagelversicherung
abgedeckten Schäden auch in Zukunft nicht über einen Wetterindex
reguliert werden können. Seit einigen Jahren biete auch sein Haus eine
Mehrgefahrenversicherung an, über die sich Landwirte auf Wunsch gegen Hagel,
Sturm, Frost, Wolkenbruch, Trockenheit und Hochwasser absichern
könnten. Der Manager geht davon aus, dass der Bedarf an solchen
Versicherungslösungen steigen wird, sobald es mit den Agrarpreisen
nachhaltig nach oben geht. Was eine staatliche Förderung für
Mehrgefahrenversicherungen angeht, ist Crönlein nach den Erfahrungen
der letzten Jahre ernüchtert: „Es gibt in der Landwirtschaft derzeit
dringendere Probleme als die Subventionierung von Versicherungen“. Ein
neuer Vorstoß in Sachen Beitragsteilung habe wohl erst nach 2013
Aussicht auf Erfolg. Prof. Mußhoff zeigte sich generell skeptisch, was
die Bezuschussung von Versicherungsprämien angeht. Der Staat sollte
sich grundsätzlich nur dann einschalten, wenn ein Markt nicht
funktioniert, argumentierte der Wissenschaftler. Um
Mehrgefahrenversicherungen zum Durchbruch zu verhelfen, sei allenfalls
eine Anschubfinanzierung sinnvoll, nicht aber eine
Dauersubventionierung.