09.12.2009 | 00:00:00 | ID: 4065 | Ressort: Umwelt | Klima | |
Von Landschaftszerschneidung betroffener Tropenwald speichert langfristig weniger Biomasse und KohlendioxidLeipzig (agrar-PR) - Erhaltung zusammenhängender Wälder für Klimaschutz wichtig Die Abholzung der tropischen Regenwälder könnte noch größeren
Einfluss auf den Klimawandel haben als bislang gedacht. Die
Gesamtbiomasse von kleinen, nach einer Landschaftszerschneidung
entstandenen Waldstücken, kann im Vergleich zu einem zusammenhängenden
Wald gleicher Gesamtfläche um bis zu 40 Prozent geringer sein. Zu
diesem Ergebnis kommen deutsche und brasilianische Forscher durch
Modellrechnungen anhand von Daten aus dem bereits zu ca. 88 Prozent
abgeholzten Küstentropenwald Mata Atlântica im brasilianischen
Bundesstaat São Paulo. Die übrig gebliebenen Waldfragmente sind kleiner
und haben deshalb ein ungünstigeres Verhältnis zwischen Fläche und
Rand. Ursache für den Rückgang an Biomasse sei die höhere Sterblichkeit
von Bäumen an Waldrändern von Waldfragmenten und damit eine
Verringerung großer alter Bäume, die überproportional viel Biomasse
enthalten, schreiben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für
Umweltforschung (UFZ) und der Universität São Paulo im Fachblatt
Ecological Modelling.
Veränderte Windverhältnisse und ein verändertes Strahlungsklima
führen zu einem insgesamt veränderten Mikroklima an den Waldrändern.
Dies sind Faktoren, denen besonders alte, große Bäume zum Opfer fallen.
Mit Hilfe der am UFZ entwickelten Waldsimulationssoftware FORMIND
modellierten die Forscher unterschiedlich große, nach
Landschaftszerschneidung verbliebene Waldreste. Je kleiner ein Stück
Wald ist, umso ungünstiger ist das Verhältnis zwischen Rand und Fläche.
Dabei stellte sich heraus, dass ein naturbelassener Tropenwald ca. 250
Tonnen pro Hektar Biomasse, ein Waldfragment von 100 Hektar Größe etwa
228 Tonnen Biomasse pro Hektar besaß - ein ein Hektar großer Tropenwald
dagegen nur noch 140 Tonnen Biomasse pro Hektar. Die Biomasse in den
Waldresten sank in dieser Studie also auf bis zu 60 Prozent. "Diese
Erkenntnis hat große Bedeutung für die Funktion der Tropenwälder als
Biomassespeicher. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass man mehr
als nur die Rodungsflächen verliert. Auch der übrig gebliebene Wald
wird dabei ausgedünnt. Es ist ein Fehler, nur in Gesamtflächen zu
denken. Wir müssen anfangen, auch über die räumliche Konfiguration der
verbleibenden Waldfläche nachzudenken", erläutert Dr. Jürgen Groeneveld
vom UFZ die klimapolitische Bedeutung der Studie. Über den
Biomasseertrag pro Hektar hinaus haben diese fragmentierungsbedingten
räumlichen (Rand-)Effekte auch Auswirkungen auf Klimabilanz und
Biodiversität - also gleich auf mehrere Dimensionen von Nachhaltigkeit.
Die Simulationsstudie integrierte qualitativ Ergebnisse anderer
Wissenschaftler, die im Amazonas einzigartige Langzeitexperimente zur
Landschaftszerschneidung durchführen. Noch sind allerdings viele Frage
offen: Bleiben die Ränder stabil? Kann sich der Wald regenerieren oder
setzt sich der Abbau nach innen fort? Die Forscher sehen die Zahlen
daher als erste vorsichtige Schätzung. "Wenn es sich aber bestätigt,
dann ist das ganz fundamental: Waldfragmente können nicht dasselbe
leisten wie zusammenhängende Wälder", ergänzt Kollege Dr. Sandro Pütz.
Die Forscher wollen daher in den nächsten Jahren die Langzeiteffekte
untersuchen, um herauszufinden, wie sich die Reste der Tropenwälder
langfristig entwickeln. Die Ergebnisse dieser Studie haben auch
grundlegende Konsequenzen für den Schutz von Wäldern, zumindest
hinsichtlich der Kohlenstoffbilanz: "Es ist auf alle Fälle besser im
Sinne der Kohlenstoffspeicherung, 100 zusammenhängende Hektar zu
schützen als einhundert mal je einen Hektar", meint Jürgen Groeneveld.
Die Daten für das Modell stammen aus dem tropischen Küstenregenwald
im brasilianischen Bundesstaat São Paulo. Die Mata Atlântica wurde
bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts großflächig
abgeholzt, um Bauholz, Holzkohle, Weideland und Ackerflächen zu
gewinnen. Obwohl nur noch etwa ein Achtel der ursprünglichen Waldfläche
übrig ist, gelten diese Reste trotzdem weiterhin als ein Hotspot der
Artenvielfalt mit globaler Bedeutung, da sie eine noch nicht ganz
beschriebene, aber beeindruckende Anzahl nur hier vorkommender und
zudem stark bedrohter Tier- und Pflanzenarten beherbergen. Seit 2003
untersuchen deshalb brasilianische und deutsche Forscher die
Langzeitauswirkungen von Landschaftszerschneidung auf die Lebensräume
in der Mata Atlântica, die sich einst flächendeckend über die gesamte
Ostküste Brasiliens erstreckte und heute einer der am meisten bedrohten
tropischen Wälder ist.
Die neuen Erkenntnisse der ökologischen Modellierer unter der
Leitung von Andreas Huth und Klaus Henle sind auch von Bedeutung für
die Verhandlungen auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Dort wird
unter dem Titel REDD ("Reducing Emissions from Deforestation and
Degradation") ein Mechanismus diskutiert, der die Wälder in den
Klimaschutz einbeziehen soll. Denn Wald bindet Kohlendioxid - seine
Abholzung oder seine Degradation führen zur zusätzlichen Freisetzung
oder zukünftig geringeren Fixierung von Kohlendioxid pro Flächeneinheit
und verstärken so den Treibhauseffekt. Rund 20 Prozent der gesamten CO2-Emissionen weltweit stammen aus der Vernichtung von Wald.
Publikation:
J. Groeneveld, L.F. Alves, L.C. Bernacci, E.L.M. Catharino, C. Knogge, J.P. Metzger:
S. Pütz, A. Huth (2009): The impact of fragmentation and density
regulation on forest succession in the Atlantic rain forest.
Ecol.Modell. 220 (19), 2450-2459
http://dx.doi.org/10.1016/j.ecolmodel.2009.06.015
M.C. Ribeiro, J.P. Metzger, A.C. Martensen, F.J. Ponzoni and M. M. Hirota (2009):
The Brazilian Atlantic Forest: How much is left, and how is the remaining forest distributed? Implications for conservation.
Biol. Conserv. 142, 1141-1153
http://dx.doi.org/10.1016/j.biocon.2009.02.021
Weiterführende Links
Biodiversity: Biodiversity's bright spot. Nature 462, 266-269 (2009):
www.nature.com/news/2009/091118/full/462266a.html
Mata Atlantica - Der brasilianische Küstenurwald (SWR2-Radiofeature):
Mata Atlantica - SWR2-Radiofeature
Forschungsprojekt Mata Atlantica:
www.mata-atlantica.ufz.de
FORMIND: an individual based forest model:
www.ufz.de/index.php?de=3994
UFZ-Spezial "In Sachen Klimawandel"
www.ufz.de/index.php?de=10690
Standpunkt zu den Klimaverhandlungen in Kopenhagen: "Ohne den Wald geht es nicht!"
www.ufz.de/index.php?de=19103 Pressekontakt Frau Doris Böhme | Telefon: | 0341 - 2351269 | Fax: | 0341 - 2351468 |
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