Leipzig (agrar-PR) -
Naturschutzaktivitäten können CO2-Emissionen zum Schnäppchenpreis reduzieren Bonn, 17. August 2009: "Ökonomie für den Naturschutz" lautet der
Titel eines Memorandums, mit dem 19 Wissenschaftler und das Bundesamt
für Naturschutz (BfN) eine ökonomische Inwertsetzung ökologischer
Leistungen sowie damit verbunden klare finanzielle Anreize zum Schutz
der Natur in Deutschland fordern. Die Idee zum Memorandum entstand auf
der BfN-Tagung "Ökonomie der Honorierung ökologischer Leistungen". "Wie
beim Klimaschutz muss Naturschutz vermehrt durch ökonomische Anreize
befördert werden", sagte Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für
Naturschutz. Die traditionellen Instrumente des Naturschutzes reichten
nicht aus. "Es muss ein eigenständiges wirtschaftliches Interesse an
einem pfleglichen Umgang mit der Natur und an intakten Lebensgrundlagen
entstehen, sonst werden wir damit unser wertvollstes Kapital
verlieren." so BfN-Präsidentin Jessel.
Die Kernforderungen des Memorandums lauten:
die biologische Vielfalt und die Leistungen, die Ökosysteme erbringen, stärker auch ökonomisch in
Wert zu setzen;
klare ökonomische Anreize für den Schutz und die nachhaltige Nutzung unserer
Lebensgrundlagen setzen;
stärker ergebnisorientiert steuern;
Synergien nutzen;
neue Märkte für Naturschutz und naturschutzgerecht hergestellte Produkte schaffen;
mehr Verantwortung für die Biodiversität auch über die Grenzen hinaus wahrnehmen;
"Märkte funktionieren nur dann zugunsten der Gesellschaft, wenn die
richtigen Anreize gesetzt werden",
sagt Prof. Ulrich Hampicke vom
DUENE-Institut an der Universität Greifswald, Naturschutzökonom und
einer der Sprecher der Memorandum-Initiative. Kurzfristige
Gewinnmaximierung, das zeige die derzeitige Wirtschaftskrise
überdeutlich und Raubbau an der Natur bringen bestenfalls für einige
Wenige kurzfristige Vorteile. Die Gesellschaft verliert. "Wenn die
ökonomischen Anreize so gesetzt werden, dass Naturerhalt honoriert
wird, werden die wirtschaftlichen Akteure selbst Ideen und Know-How
entwickeln, um Naturschutz kostengünstig und effizient zu betreiben, im
Einklang mit anderen wirtschaftlichen Zielen", erläutert sein Kollege
Dr. Frank Wätzold vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) das
Credo
der Wissenschaftler.
Wie das praktisch funktionieren soll, zeigt das Memorandum u.a. am
Beispiel der Landwirtschaft. Hier lautet die Forderung: Die Honorierung
der Landwirte für Umwelt- und Naturschutzleistungen stärker abhängig
machen von nachweisbaren Erfolgen. Für die Unterstützung der
Landwirtschaft insgesamt soll gelten: Weniger Einkommenssubventionen
ohne Gegenleistung, dagegen mehr Orientierung am Prinzip "public money
for public goods", "öffentliches Geld für öffentliche Güter",
insbesondere auch für den Schutz
der Natur.
Nicht nur in der Landwirtschaft, auch im Überschneidungsbereich
zwischen Klimapolitik und Naturschutz fehlt es nach Ansicht der
Wissenschaftler an den richtigen Anreizen. Denn gerade auch unter
ökonomischen Gesichtspunkten ist praktizierter Naturschutz aktiver
Klimaschutz. So werden auf großer Fläche z.B. in Norddeutschland
ehemalige Moorböden landwirtschaftlich genutzt. Dabei zersetzt sich der
im Boden gebundene Kohlenstoff nach und nach und gibt dabei in
erheblichem Umfang das Klimagas Kohlendioxid ab. Grünlandumbruch z.B.
für zusätzlichen staatlich geförderten Energiemaisanbau verstärkt den
Effekt. Nach einer Studie unter Leitung von Prof. Hampicke wäre dagegen
die Wiedervernässung solcher Flächen, eventuell kombiniert mit einer
Holzbewirtschaftung auf der Basis der Schwarzerle eine sowohl
wirtschaftlich als auch für den Naturschutz und das Klima günstigere
Alternative. "Mit solchen Nutzungssystemen, die gleichzeitig zu mehr
Naturschutz führen, könnte man Kohlendioxid zum "Schnäppchenpreis"
einsparen: Mit ca. 1 - 2 € pro t CO2
wäre das ungefähr 50mal billiger als eine entsprechende Einsparung
durch Windenergie. Leider gibt es für solche Maßnahmen keine
staatlichen Anreize", so Professor Hampicke.
Die Forderungen der deutschen Wissenschaftler stehen in Einklang mit
den Zwischenergebnissen der von Deutschland und der Europäischen
Kommission im Rahmen der deutschen G8-Präsidentschaft initiierten
globalen "TEEB"-Studie (The Economics of Ecosystems &
Biodiversity). Laut dem ersten Zwischenbericht dieser Studie, der im
Mai 2008 bei der 9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über
die biologische Vielfalt in Bonn vorgestellt wurde, entstehen in
Zusammenhang mit dem Verlust an biologischer Vielfalt bis 2050 durch
Zerstörung von Regenwäldern und Reduzierung der Trinkwasserneubildung
etc. Wohlfahrtsverluste in Höhe von mindestens 7% des jährlichen
weltweiten Sozialprodukts. Insbesondere ökonomische Instrumente werden
vorgeschlagen, um dem entgegenzusteuern. Erste Ergebnisse der zweiten
Phase der Studie werden im September von Bundesumweltminister Sigmar
Gabriel, Umweltkommissar Stavros Dimas und dem Studienleiter Pavan
Sukhdev vorgestellt. Laut Frau Jessel sei eine solche Studie auch für
den Standort Deutschland anzustreben: "Wir brauchen eine Studie, die
die ökonomische Bedeutung der biologischen Vielfalt auch für
Deutschland aufzeigt und konkrete Maßnahmen für eine naturverträgliche
Ausrichtung der Wirtschaft formuliert."
Das Memorandum "Ökonomie für den Naturschutz" finden Sie auf der Website des BfN
www.bfn.de/0318_oekonomie.html oder hier zum Herunterladen:
download Memorandum "Ökonomie für den Naturschutz"