24.06.2010 | 00:00:00 | ID: 6119 | Ressort: Umwelt | Tier

Das Auge brütet mit

Missour/Leipzig (agrar-PR) - Auch Vogelweibchen sind empfänglich für sexy Anblicke
Optische Reize durch attraktive Artgenossen wirken sich positiv auf die Mütter aus und lassen den Nachwuchs schneller wachsen. Das schlussfolgern Wissenschaftler aus einem Brutexperiment mit Kragentrappen, einer nordafrikanischen Vogelart mit ausgeprägtem Balzverhalten. Weibchen, die bei dem Experiment attraktiven Männchen bei der Parade zusahen, waren fruchtbarer, hatten größeren Bruterfolg und investierten mehr Testosteron in ihre Eier, was zu einem schnelleren Wachstum des Nachwuchses führte. Die Ergebnisse zeigten, dass sich Nachzuchten per künstlicher Befruchtung ohne angemessene Stimulation der Weibchen negativ auf den Bruterfolg und damit das Überleben der Art auswirken können, schreiben Adeline Loyau und Frederic Lacroix jetzt in der Onlineausgabe des Fachblatts Proceedings of the Royal Society B.

Für das Experiment hatten die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Französischen CNRS-Station für Experimentale Ökologie 90 brütende Weibchen der Kragentrappe (Chlamydotis undulata undulata) unterschiedlichen Artgenossen gegenübergestellt. Je 30 Weibchen wurden im Emirates Center for Wildlife Propagation (ECWP) im Marokkanischen Missour visuell mit attraktiven Männchen, unattraktiven Männchen oder Weibchen konfrontiert. Bei dem Experiment wurden die untersuchten Weibchen künstlich befruchtet und einzeln in Volieren gehalten, die je fünf Meter von denen ihrer Artgenossen entfernt waren. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler ausschließen, dass andere Faktoren außer den optischen Reizen eine Rolle spielten. "Meines Wissens ist unsere Studie das erste Beispiel im Artenschutz für eine erfolgreiche Manipulation der mütterlichen Ressourcen durch sensorische Reize", erläutert die Verhaltensbiologin Adeline Loyau vom UFZ. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, die Verteilung der Ressourcen der Weibchen unabhängig von der Qualität der männlichen Gene zu steuern." Männliche Balzsignale erzeugen ein effektives Signal und bieten damit Naturschützern ein einfaches und preiswertes Mittel. Die Ergebnisse könnten also auch große Bedeutung für Nachzuchtprogramme von anderen bedrohten Vogelarten haben.

Die Kragentrappe ist ein sandfarbener Wüstenvogel, der von Nordafrika bis zur Mongolei verbreitet ist. In der Arabischen Welt ist die Vogelart als Beute für die Falken-Jagd beliebt. Die Jagd und der Verlust an Lebensräumen haben dafür gesorgt, dass die Populationen der Kragentrappe stark zurückgegangen sind. Inzwischen wird die Art als gefährdet eingestuft und in Artenschutzprogrammen gezüchtet, um die natürlichen Populationen zu unterstützen. Dazu wurde im Marokkanischen Missour das Emirates Center for Wildlife Propagation (ECWP) vom damaligen Emir Abu Dhabis, Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan, gegründet.

Bereits 2007 hatten Forscher um Adeline Loyau gezeigt, dass Weibchen des Blauen Pfaus (Pavo cristatus), die sich mit attraktiven Männchen gepaart hatten, mehr Ressourcen in ihre Eier investierten als Weibchen, die sich mit unattraktiven Männchen paarten. Bei attraktiven Partnern legten sie größere Eier und erhöhten den Testosterongehalt im Eigelb, was einen direkten Einfluss auf die Entwicklung des Nachwuchses hat. Auch andere Forscher hatten zuvor gezeigt, dass verschiedene Faktoren wie die Qualität der Gene der Väter oder das Nahrungsangebot Einfluss auf die Vogelweibchen und deren Nachwuchs haben. Unter ungünstigen Bedingungen kann es effektiver sein, in den aktuellen Nachwuchs weniger zu investieren und es in der nächsten Saison wieder zu probieren. Mit den neuen Experimenten konnten Loyau und Lacroix nun zeigen, dass auch optische Reize Einfluss auf die Entwicklung des Nachwuchses haben können. Die Daten wurden von Loyau während ihres Gastaufhaltes am UFZ in den Laboren in Leipzig ausgewertet. Inzwischen arbeitet die französische Biologin in der Station für Experimentale Ökologie (SEEM) des französischen Forschungszentrums CNRS in Moulis in den Pyrenäen.
Tilo Arnhold

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