Potsdam (agrar-PR) - Als "sozialpolitische Fehlleistung" und "bürokratisches
Monster" kritisiert Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) die von der
Bundesregierung beschlossene künftige Finanzierung der gesetzlichen
Krankenversicherung. "Anstatt die Grundsäulen einer solidarisch
finanzierten Krankenversicherung zu stärken und zukunftsfest zu machen,
bringt diese Bundesregierung das ganze System ins Wanken und zu Fall",
so Tack heute in Potsdam. Es gefährde die Grundlagen der Gesetzlichen
Krankenversicherung und gebe das Grundprinzip der solidarischen
Finanzierung auf. "Das ist ein schwarzer Tag für Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner, Patientinnen und Patienten aber
auch für Ärztinnen und Ärzte", sagt Tack.
Heute hat die Bundesregierung die Weichen dafür gestellt, dass allein
die Versicherten künftige Kostensteigerungen im Gesundheitswesen zu
tragen haben. Der Arbeitgeberanteil an den Beiträgen wird dagegen bei
7,3 Prozent eingefroren. Damit zeige die Bundesregierung, wohin die
Reise geht: "Niedrige Einkommen zur Kasse bitten, Besserverdienende in
die Private Krankenversicherung locken und Arbeitgeber entlasten – diese
unverfrorene Klientelpolitik führt sehenden Auges in die
Zwei-Klassenmedizin," so die Ministerin weiter. Zusatzbeiträge
belasteten diejenigen am meisten, die am wenigsten haben. So würden zum
Beispiel Arbeitnehmer bzw. Rentner mit einem Einkommen von 800 Euro bei
einem Zusatzbeitrag von 16 Euro mit 10,2 Prozent ihres Einkommens zur
Finanzierung der GKV herangezogen – ein Anstieg um 29 Prozent gegenüber
heute. Personen mit einem Einkommen an der heutigen
Beitragsbemessungsgrenze müssten bei gleichem Zusatzbeitrag nur 8,6
Prozent ihres Einkommens für den Krankenversicherungsschutz aufwenden.
"Der so genannte steuerfinanzierte Sozialausgleich ist ein Placebo", so
Tack. "Statt einheitlicher Beiträge für einheitliche Leistungen heizt
die Bundesregierung wieder einen Beitragssatzwettbewerb an. Kassen mit
vielen älteren und kranken Versicherten werden als erstes den
Zusatzbeitrag anheben müssen. Junge und gesunde Versicherte einer
solchen Kasse werden wechseln, zurück bleiben diejenigen, die geringe
Beiträge zahlen und viele Leistungen benötigen."
Die Ministerin kritisiert auch den kostspieligen bürokratischen Aufwand,
den das System aus Zusatzbeitrag und Sozialausgleich nach sich zieht
und zu einem ruinösen Preiswettbewerb führen werde. "Wer wird unter
diesen Wettbewerbsbedingungen künftig auf integrierte Versorgung, die
eine Zusammenarbeit der verschiedenen Krankenkassen erfordert, setzen",
so Tack mit Blick auf die Patientenversorgung. Sie befürchtet, dass das
Konzept der Bundesregierung erneut zu Lasten der neuen Länder geht. "Die
vertragsärztliche Vergütung in den Neuen Bundesländern war im
Bundesvergleich nahezu 20 Jahre lang unvertretbar ungerecht. Die
Ärztinnen und Ärzte in Brandenburg, wie auch in den anderen neuen
Ländern, haben erst bei der letzten Vergütungsreform einen wichtigen
Schritt in Richtung einer Ost-West-Angleichung vollziehen können", sagt
Tack. Wenn der hier eingeschlagene Weg zu mehr Gerechtigkeit in der
vertragsärztlichen Vergütung wieder verlassen werden sollte, wäre das
gerade für jene Regionen, die bereits jetzt unter spürbaren
Versorgungsproblemen zu leiden haben, eine verheerende Entwicklung.
"Mit diesem Gesetz wird das solidarische Gesundheitssystem endgültig ad
acta gelegt. Diese Bundesregierung setzt die Gesundheit ihrer
Bevölkerung aufs Spiel", so die Ministerin. Die eigentliche Aufgabe, die
Sicherung der Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung, gerate
bei so viel sozialpolitischem Kleinholz aus dem Bild. Tack: "Es ist
höchste Zeit, eine Versicherung für alle, die solidarische
Bürgerversicherung, einzuführen."