14.11.2019 | 15:29:00 | ID: 28038 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarpolitik

Backhaus bei Bauernprotesten: „Agrarpaket bringt Fass zum Überlaufen“

Schwerin (agrar-PR) - Die Proteste von Landwirtinnen und Landwirten gegen das Agrarpaket der Bundesregierung im Rahmen der Umweltministerkonferenz in Hamburg nahm Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Dr. Till Backhaus zum Anlass, um heute vor Ort seine Positionen deutlich zu machen:

„Die mit dem Agrarpaket verfolgten Ziele sind wichtig und gut, es ist richtig, mehr für den Insektenschutz und die Biodiversität insgesamt aber auch in der Agrarlandschaft im Besonderen zu erreichen. Wir stehen vor der Herausforderung, die unerwünschten Folgen der bisherigen Agrarpolitik, zum Beispiel im Grundwasserschutz und mit Blick auf die Biodiversität, zu beheben. Dafür brauchen wir die Landwirtschaft; sie ist Teil der Lösung, denn sie beeinflusst die Qualität von Wasser, Boden und Luft maßgeblich.“

Minister Backhaus zeigte Verständnis für die Proteste der Landwirte, die sich durch die Ankündigungen im Agrarpaket in ihrer Existenz bedroht sehen. „Für mich ist das Agrarpaket aber nicht die Ursache für den Protest, sondern der entscheidende Tropfen, der Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sagte er weiter. Die Landwirtschaft habe mehrere witterungsbedingt schwierige Wirtschaftsjahre hinter sich, müsse durch die Verschärfung der Düngeverordnung ihre Wirtschaftsweisen anpassen und stehe nicht zuletzt durch die Diskussion um mehr Tierwohl gesellschaftlich in der Kritik. Das zerre an den Nerven.

„Was wir brauchen, ist ein neuer Gesellschaftsvertrag. Die Darstellung unserer Landwirtschaft in der öffentlichen Debatte hat in unserer Wohlstandsgesellschaft mittlerweile einen gefährlichen Tiefpunkt erreicht. Das muss sich ändern! Was die Branche braucht und verdient, ist Anerkennung und Wertschätzung für die vielen öffentlichen Leistungen, die sie bereits erbringt und für alle das, was noch auf den Weg gebracht werden soll. Das heißt nicht, dass man nicht auch mal kritisieren darf.“

Das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern hat auf Initiative von Minister Backhaus ein Papier erarbeitet, in dem zu den einzelnen Punkten des Agrarpakets fachlich Stellung genommen wird:

Aktionsprogramm Insektenschutz

Mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz will die Bundesregierung den Ursachen des Insektenschwunds entgegenwirken und die Lebensbedingungen für Insekten verbessern. Dazu gehört u.a. auch die Einschränkung von Pflanzenschutzmitteln in ökologisch besonders schutzbedürftigen Bereichen wie am Gewässerrand und in bestimmten Schutzgebietstypen.

Das unmittelbare Verbot der Anwendung in diesen Schutzgebietstypen betrifft nicht alle Mittel, sondern nur solche mit besonderer Relevanz für Insekten, d.h. Herbizide und biodiversitätsschädigende Insektizide.

Der Umfang der davon betroffenen landwirtschaftlich genutzten Flächen wird deutlich geringer ausfallen, als vom Bauernverband zunächst errechnet.

Es ist zudem abzuwarten, über welche Rechtsvorgaben der Bund seine Ziele umsetzen will. Das BMEL hat eine praxistaugliche Umsetzung zugesichert.

Positiv ist zudem, dass die Bundesregierung – allen voran Herr Finanzminister Olaf Scholz – für das Agrarpaket und das Aktionsprogramm Insektenschutz erhebliche zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt hat. Damit werden die Chancen für eine ausgewogene Umsetzung erheblich verbessert.

Umschichtung von EU Mitteln

Für das Jahr 2020 gab es noch keine Entscheidung zu einer Umschichtung von Mittel. Ohne eine Entscheidung hätte für viele Agrarumweltmaßnahmen die Finanzierungsgrundlage gefehlt. Die moderate Erhöhung der Umschichtung von 4,5 % auf 6 % für das Jahr 2020 ist ein guter Kompromiss und sichert insbesondere bestehende Agrarumweltmaßnahmen.

Tierwohlkennzeichnung

Die Verbesserung des Tierwohls in unseren Ställen ist ein wichtiges gesellschaftliches Ziel. Dass für die Tierwohlkennzeichnung auch in Deutschland die Grundlagen geschaffen werden, ist überfällig. Angestrebt wird eine verpflichtende Tierwohlkennzeichnung auf europäischer Ebene, insofern kann dies nur der erste Schritt sein.

Umsetzung nur im Dialog und in enger Abstimmung mit den Landwirten

Bei allen notwendigen Maßnahmen zur Reduzierung von unerwünschten Umweltwirkungen der aktuellen Landwirtschaft dürfen diese die aktuelle wirtschaftliche Lage der Landwirtschaftsbetriebe und insbesondere auch die Wettbewerbssituation in einem europäischen und internalen Markt nicht außer Acht lassen. Die Anwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln aber auch die Nutztierhaltung als wesentliche Produktionsfaktoren dürfen dabei nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden.

Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen sind notwendig und bedürfen einer Folgenabschätzung. Rechtsänderungen werden in den rechtsstaatlichen Verfahren unter Einbindung der Verbände und Betroffenen erlassen.

Effektiver und schneller in der Wirkung können dagegen gemeinsam mit den Landwirten entwickelte Fördermaßnahmen zum Erreichen der gewünschten Ziele sein. Landwirte sollen nach dem Motto „öffentliches Geld für öffentliche Güter“ animiert werden, durch die Erfüllung gesellschaftliche Anforderungen ihr Einkommen zu stabilisieren und nicht durch überzogenes Ordnungsrecht in ihrer Existenz bedroht werden. Veränderungen durch entsprechende Anreizwirkungen sind daher prioritär anzustreben.

Überarbeitung des Düngerechts

Vom Agrarpaket zu trennen sind die strengeren Düngeregelungen. Die Düngeverordnung präzisiert die Anforderungen an die gute fachliche Praxis der Düngung. Vor dem Hintergrund, dass der Europäische Gerichtshof im Juli 2017 Deutschland in allen Anklagepunkten wegen unzureichender Umsetzung der EG-Nitratrichtlinie verurteilt hat, muss die Düngeverordnung erneut geändert und zügig EU-rechtskonform gemacht werden, um Strafzahlungen von bis zu 857.000 Euro pro Tag zu verhindern: Dies ist auch im besonderen Interesse der Landwirtschaft. 

Die von Bund und Ländern erarbeitete Novellierung der Düngeverordnung im Jahr 2017 ist aus Sicht der Europäischen Kommission nicht ausreichend, um dem Urteil vollständig nachzukommen. Derzeit werden daher die deutschen Vorschläge zur erneuten Novellierung durch die europäische Kommission geprüft. Anschließend ist eine erneute zügige Novelle der Düngeverordnung erforderlich.
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