Hannover (agrar-PR) - Grünlandmilchprogramm Nachdem die Bundesregierung bereits vor der
Wahl für diverse Branchen Konjunkturprogramme aufgelegt hat, wurde
endlich auch für die Landwirtschaft ein „Sofortprogramm" im
Koalitionsvertrag vereinbart. Es wurde auf der Klausurtagung des
Bundeskabinetts in Meseberg bewilligt. Erhebliche Probleme zeigten sich
jedoch bei der nun anstehenden Umsetzung,
die von der Politik offensichtlich im Vorfeld nicht bedacht wurden.
orum geht es im Einzelnen? Die bereits beschlossene
Reduzierung der Agrardieselbesteuerung in Höhe von ca. 280 Mio. Euro
jährlich soll unbefristet fortgeführt werden. Darüber hinaus hat das
Kabinett vorgesehen, in den Jahren 2010 und 2011 ein Sofortprogramm zur
Bewältigung der Krise in der Landwirtschaft im Volumen von insgesamt
750 Mio. Euro aufzulegen. Von diesem Betrag sollen 200 Mio. Euro als
Aufstockung der Bundesmittel zur landwirtschaftlichen
Unfallversicherung und 50 Mio. Euro für die Fortführung des
Liquiditätshilfeprogramms der landwirtschaftlichen Rentenbank zur
Anwendung kommen.
Die verbleibenden 500 Mio. Euro will der Bund
infolge der „krisenbedingt aktuell schwierigen Situation" in der
Milchwirtschaft für ein „Grünlandmilchprogramm" einsetzen, „um aktuell
drohende Flächenbrachen und damit verbundene unwiderrufliche Schäden
für Natur und Kulturlandschaft zu verhindern". Vorgesehen sind 300 Mio.
Euro in 2010 und 200 Mio. Euro in 2011. Daraus folgt: Gemäß der
Zielsetzung des Koalitionsvertrages soll die Umsetzung zum einen
schnell erfolgen, zum anderen müssen die Maßnahmen etwas mit „Grünland"
und „Milchwirtschaft" zu tun haben. Eine derartige Umsetzung wird
EU-rechtlich kaum möglich sein, es zeichnen sich für das
„Grünlandmilchprogramm" nachfolgende „Elemente" ab.
Grünlandprämie: Um hier etwas machen zu können, soll
der Artikel 68 der Betriebsprämienverordnung (EG) Nr. 73/2009 nun doch
angewendet werden. Allerdings ist das „verteilbare" Mittelvolumen über
diesen Weg begrenzt auf ca. 113 Mio. Euro im Jahr. Bemessungsgrundlage
soll die festgestellte Grünlandfläche aus dem Sammelantrag des
jeweiligen Antragsjahres sein. Damit ist gemeint Dauergrünland gemäß
Artikel 2 Nr. 2 der EU-Verordnung Nr. 796/2004 und Grünland im Sinne
des Artikels 2 Buchstabe F der EU-Verordnung Nr. 795/2004, also auch
Wechselgrünland. Der Nachweis der Milcherzeugereigenschaft soll durch
Vorlage der Milchgeldabrechnung aus April des jeweiligen Antragsjahres
bzw. bei Direktvermarktern durch eine Bestätigung des Hauptzollamtes
über die am 1. April des Antragsjahres verfügbare
Direktvermarktungsreferenzmenge erfolgen.
In Niedersachsen könnten über diesen Weg 16,8 Mio.
Euro an die Landwirte ausgezahlt werden, was rechnerisch einen Betrag
von ca. 37 Euro je ha durch Milcherzeuger bewirtschaftetes Grünland
ergibt. Probleme bei dieser Variante bestehen insbesondere darin, dass
die erste Auszahlung der Mittel frühestens mit der Betriebsprämie 2010,
also im Dezember 2010, erfolgen kann, sofern die EU hier nicht noch
kürzere Entscheidungswege möglich macht.
Kuhprämie: Diese soll im Rahmen der sogenannten
De-Minimis-Beihilfe (Obergrenze für Betriebsinhaber in drei Jahren
maximal 7.500 Euro pro Betrieb) erfolgen. Der Bund schlägt vor, 85 Mio.
Euro im Jahr 2010 und 75 Mio. Euro im Jahr 2011 für eine derartige
Prämie vorzusehen. Bemessungsgrundlage soll der durchschnittlich
gemeldete Kuhbestand in der HIT-Datenbank im April des Antragsjahres
sein, ausgenommen die Kühe von Fleischrassen. Aus dem Anteil
Niedersachsens an diesen Mitteln würde sich ein Betrag von 21 Euro je
Kuh im Jahre 2010 und knapp 19 Euro je Kuh im Jahr 2011 ergeben. Aber
auch dieser Weg ist nicht ohne Probleme. So haben einige Betriebe einen
Teil ihrer Freigrenze im Rahmen der De-Minimis-Beihilfe durch Teilnahme
an verschiedenen Programmen (z.B. Liquiditätshilfeprogramme der
Rentenbank oder bereits gezahlte Kuhprämien in Höhe von 25 Euro in
Bayern) schon ausgeschöpft. Es bestehen also unterschiedliche
Fördermöglichkeiten von Bundesland zu Bundesland aber auch von Betrieb
zu Betrieb. Der Förderweg über De-Minimis-Beihilfen würde durch diese
zusätzliche Maßnahme über Jahre blockiert. Schließlich ist auch diese
Maßnahme nicht kurzfristig umsetzbar. Je nachdem, wann das notwenige
Geldleistungsgesetz in Kraft treten wird, ist mit einer möglichen
Antragstellung kaum vor Mai 2010 zu rechnen. Damit dürften auch über
diesen Weg die ersten Mittel frühestens im zweiten Halbjahr 2010
fließen.
Sofern die Umsetzung des „Grünlandmilchprogrammes"
über die Schritte „Grünlandprämie" und Kuhprämie„ in der beschriebenen
Art erfolgt, verbleiben insgesamt noch ca. 118 Mio. Euro von dem
vorgesehenen Gesamtbetrag in Höhe von 500 Mio. Euro.
Unfallversicherung: Diese 118 Mio. Euro sollen in
die landwirtschaftliche Unfallversicherung fließen, 100 Mio. Euro in
2010 und 18 Mio. Euro in 2011. Bundesweit geht das BMELV nach den
diversen Aufstockungsschritten von einer Absenkung der Beiträge zur
Berufsgenossenschaft von ca. 45 Prozent aus. Nach dem derzeit geltenden
Schlüssel der Verteilung der Bundesmittel zur Unfallversicherung wird
Niedersachen einen Anteil von nur 11,85 Prozent erhalten, Bayern
hingegen von gut 30 Prozent. Um zu einer sachgerechten Verteilung der
Mittel über diese Schiene zu kommen, müsste aus niedersächsischer Sicht
ein Verteilungsschlüssel zur Anwendung kommen, der der Zielsetzung
„Grünland und Milcherzeugung" besser gerecht wird.
Schließlich steht auch noch das zusätzliche
EU-Milchprogramm vom Oktober des Jahres zur Umsetzung an. Beschlossen
wurde seinerzeit ein EU-Mittelvolumen von 280 Mio. Euro EU-weit.
Hiervon entfallen ca. 57 Mio. Euro auf Deutschland und damit knapp 8,5
Mio. Euro auf Niedersachsen. Diese Mittel sollen spätestens bis zum 30.
Juni 2010 ohne Antrag auf Grundlage der festgestellten Grünlandfläche
aus dem Sammelantrag 2009 an die Milchviehhalter ausgezahlt werden. Sie
werden einen Betrag von ca. 18 Euro je ha Grünland erhalten.
Das „Grünlandmilchprogramm" scheint sich in der
Umsetzung etwas unübersichtlich zu gestalten, die Auszahlung erfolgt in
Raten. In 2010 wird es vermutlich zwei Grünlandprämien geben, knapp 18
Euro je ha bis Juni aus dem EU-Milchprogramm und noch einmal 35 Euro je
ha im Dezember aus dem Sofortprogramm des Bundes. Irgendwann dazwischen
kommt die Kuhprämie mit 21 Euro pro Kuh zur Auszahlung. Schneller geht
es über die Beitragssenkung zur Unfallversicherung. Hier muss aber der
Verteilungsschlüsse noch nachgebessert werden.
Der gute Vorsatz der Politik, auch die
Landwirtschaft in der Krise nicht „im Regen stehen zu lassen", wird
getrübt durch eine eher „holprige" und in großen Teilen sehr
langatmige, nicht unbedingt zielgerichtete und „gerechte" Umsetzung. Ob
hier noch etwas zu machen sein wird, muss sich zeigen. Den Namen
„Sofortprogramm" verdient die Maßnahme bislang noch nicht.