Hannover (agrar-PR) - EU-Agrarpolitik Ein Entwurf
der mit Spannung erwarteten EU-Milchmarktanalyse liegt vor. In der
Einleitung wird zwar eingeräumt, dass sich die Situation „dramatisch
verschlechtert“ habe, an den Entscheidungen des Health-Checks soll
aber nicht gerüttelt werden. Eine Quotenkürzung um 5 Prozent oder ein
Einfrieren der Quote komme nicht als Lösung der Probleme in Betracht.
Anfang Juli hatte Bundesagrarministerin Ilse Aigner noch
EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel aufgefordert, für ein
eventuelles Einfrieren der Quoten „nicht den Weg zu versperren.“
Daraus wird nichts.
Welche alternativen Möglichkeiten nennt die Kommission?
Um das Milchangebot zu verknappen, wird
eine Veränderung des bisher gültigen Saldierungssystems erwogen. Dazu
müsste die geltende Ratsverordnung dahingehend geändert werden, dass
auch bei einer Unterlieferung der nationalen Quoten Überlieferer mit
einer Superabgabe belastet werden. Das Geld könne einbehalten und
umverteilt werden - beispielweise um aufgabewillige Betriebe beim
Rückzug aus der Milchproduktion zu unterstützen.
„Falls es zu einer Veränderung der
Ratsverordnung kommt, wird sie aus Gründen des Vertrauensschutzes erst
zum nächsten Milchwirtschaftsjahr greifen und ist deshalb in der
aktuellen Situation nicht hilfreich“, kommentiert
Landvolk-Milchreferent Dr. Werner Rüther den Vorstoß. Eine Veränderung
der Saldierungsmöglichkeiten tritt frühestens zum nächsten
Milchwirtschaftsjahr, beginnend mit dem 1. April 2010, in Kraft.
Der Deutsche Bauernverband rechnet nicht
damit, dass es EU-weit eine politische Mehrheit für die Veränderung
der Saldierung gibt. Zudem scheint es rechtliche Hürden zu geben, wenn
die Saldierungsmöglichkeiten in die nationale Gesetzgebung einfließen.
Jan Heusmann (Vorsitzender Kreisverband
Wesermünde), Mitglied im Landvolk- sowie im DBV-Milchausschuss, musste
bereits viele aufgebrachte Berufskollegen beruhigen: „Die Ankündigung
löste Bestürzung aus. Aus der Sicht des Landvolks Niedersachsen steht
die Saldierung nicht zur Diskussion. Wenn zu der Preisunsicherheit auch
noch die Unsicherheit hinsichtlich der politischen Rahmenbedingungen
kommt, wäre das fatal.“ Ganz offensichtlich, so Heusmann, werde die
Schwäche des Marktes nicht von einer deutlichen Anlieferungssteigerung
ausgelöst. Aktuelle Zahlen zeigen, dass die bundesweite Milchmenge im
Juli um 1,6 Prozent geringer ausgefallen ist. Die Ursachen liegen
vielmehr in der gesunkenen Nachfrage. Die Wirkung auf den Preis sei
dadurch völlig unsicher. „Zwingt man unsere Milchviehbetriebe in diesen
harten Zeiten auch noch, mit Fremdkapital Lieferrechte zu kaufen, dann
wäre das eine Katastrophe“, schildert Heusmann die Auswirkungen.
„Jetzt auch noch Lieferrechte zu kaufen, wäre eine Katastrophe“ Jan Heusmann, Vors. KV Wesermünde
Um schnell Menge vom Markt zu nehmen,
schlägt die EU-Kommission in ihrer Analyse einen Anreiz vor, damit
vermehrt Kühe geschlachtet werden. Fachleute sehen darin die einzige
Möglichkeit, um noch in diesem Jahr effektiv in den Markt einzugreifen.
Erste vorsichtige Kostenschätzungen belaufen sich auf 500 bis 800 Mio.
Euro, wovon ein Teil sogar noch im EU-Budget zur Verfügung steht. Einer
Wiedereinführung der Beihilfe für den Einsatz von Magermilchpulver in
Futtermitteln steht die Kommission reserviert gegenüber.
Auf der Nachfrageseite sieht sie
Möglichkeiten über die Fortführung der Intervention und der privaten
Lagerhaltung sowie der Gewährung von Exporterstattungen. Auch führt
sie die Ausweitung der Produktpalette an Milchprodukten im Rahmen des
Schulmilchprogramms an und diskutiert eine finanzielle Förderung von
Werbekampagnen für Milch und Milchprodukte.
Weitere Maßnahmen betreffen die
Einkommensstützung. Überlegt wird, die Grenze für nationale
Agrarbeihilfen von 7.000 € auf 15.000 € je Betrieb (für drei Jahre)
anzuheben. Damit können einem Betrieb Zuschüsse, beispielsweise in Form
einer Zinsverbilligung, bis zu dieser Grenze gewährt werden, ohne dass
die Kommission einzuschalten wäre.
In dem Bericht geht es auch um den
möglichen Missbrauch der Marktmacht durch den Handel. Die
Wettbewerbsabteilung hat festgestellt, dass sich die stark gesunkenen
Erzeugerpreise nicht in den Verbraucherpreisen widerspiegeln. „Stellt
die Kommission fest, dass der Wettbewerb nicht funktioniert, wird sie
nicht zögern, alle Befugnisse zu nutzen“, schreibt die Behörde.
Der EU-Agrarrat wird sich in seiner Sitzung am 7. September mit dem Marktbericht der EU-Kommission befassen.