Stadtallendorf (agrar-PR) - Auf
der Sitzung des Erweiterten Präsidiums und des Erweiterten
Verbandsrates des Hessischen Bauernverbandes, die am Dienstag der
vergangenen Woche in der Hessentagsstadt Stadtallendorf stattfand, hat
der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Friedhelm Schneider, noch
einmal sein Bedauern über den Rücktritt von Ministerpräsident Roland
Koch und Landwirtschaftsministerin Silke Lautenschläger zum Ausdruck
gebracht. Er lobte die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit und
ihren Einsatz für die hessische Landwirtschaft. Des Weiteren ging er
auf die zu befürchtenden Einsparungen im Etat des
Bundeslandwirtschaftsministeriums ein. In erster Linie werde wohl der
Agrarsozialbereich betroffen sein, darüber hinaus werde es
voraussichtlich auch Kürzungen bei der Gemeinschaftsaufgabe
„Agrarstruktur und Küstenschutz“ geben. Die Tatsache, dass die
Bundesverordnung zum Erosionsschutzkataster noch mal auf den Tisch
komme, wertete Präsident Schneider auch als Verdienst der Bemühungen
des Hessischen Bauernverbandes. Bei der Umsetzung der
EU-Wasserrahmenrichtlinie sei eine Beratung der Landwirte aus einem
Guss wichtig. Der Gesetzgeber müsse viel stärker berücksichtigen, dass
sowohl beim Erosionsschutz als auch im Gewässerschutz durch die gute
fachliche Praxis und Erfahrung der Landwirte kein Handlungsbedarf für
zum Beispiel Bewirtschaftseinschränkungen bestehe.
Vor dem
Hintergrund der verheerenden Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko
forderte Präsident Schneider eine Renaissance der Biokraftstoffe, die
nicht nur für den Einsatz in umweltsensiblen Bereichen prädestiniert
seien. Zum Milchmarkt merkte der Präsident an, dass es aufgrund der
Euroschwäche bessere Exportchancen für Milchprodukte und damit die
Aussicht auf höhere Milcherzeugerpreise, die längst überfällig seien,
gebe.
Der
stellvertretende Generalsekretär des Hessischen Bauernverbandes, Dr.
Hans Hermann Harpain, stellte mehrere Untersuchungen zur Ausgestaltung
der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 vor. Dazu zähle das Gutachten
des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der im Kern den Abbau
beziehungsweise Wegfall der ersten Säule befürworte. (Beachten Sie
hierzu bitte auch das Interview mit HBV-Präsident Schneider im LW
Hessenbauer, Heft 22/2010, Seite 9.) Allerdings komme die
Fortschreibung der Scenar 2020-Studie, an der mehrere
Forschungseinrichtungen der EU beteiligt waren, zum Ergebnis, dass beim
Wegfall der Direktzahlungen mehr als 45 Prozent der Betriebe aufgeben
müssten. Laut des ebenfalls vorgestellten Eurobarometers 2010 hielten
über 90 Prozent der befragten Europäer die Landwirtschaft und ländliche
Räume für wichtig oder sehr wichtig für die Zukunft. 39 Prozent der
Befragten seien sogar der Ansicht, dass die Zahlungen der EU an die
Landwirtschaft erhöht werden müssten.
Entschließung verabschiedet
Unter
der Überschrift „Starke Agrarpolitik auch nach 2013 erhalten!“
verabschiedeten das HBV-Präsidium und der Verbandsrat einstimmig eine
Entschließung (siehe LW Hessenbauer, Heft 22/2010, Seite 8). Darin wird
unter anderem gefordert, die erste Säule mit Direktzahlungen als
Ausgleich für die gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft und
für die höheren EU-Standards im Vergleich zum Weltmarkt ungeschmälert
fortzuführen. In der zweiten Säule müsse sich die Förderpolitik wieder
stärker auf die Landwirtschaft konzentrieren. Darüber hinaus wurde die
Entschließung der HBV-Gremien zur Zukunft der Ausgleichszulage vom 9.
Oktober 2008 bestätigt
(siehe "Positionen"). Darin
heißt es, dass die Abgrenzungskriterien nach der Landwirtschaftlichen
Vergleichszahl (LVZ) beizubehalten seien. In Deutschland sei die
Kalkulation der Ausgleichszulage anhand der LVZ objektiv begründet. Die
von der EU vorgeschlagene Veränderung der Abgrenzungskriterien bringe
vor Ort neue Ungerechtigkeiten und sei häufig nicht nachvollziehbar.
Dr. Harpain hatte
zuvor das Prinzip der EU-Kommission für die Neuabgrenzung der
benachteiligten Gebiete erläutert. Nach den bisherigen LVZ-Kriterien
gebe es in Hessen rund 400 000 Hektar benachteiligte Gebiete. Bei
Anwendung des neuen EU-Modells verringere sich diese Fläche auf circa
330.000 Hektar. Das könne der Bauernverband keinesfalls akzeptieren.
Kandidaten für Gemeindeparlamente benennen
Der
Generalsekretär des Hessischen Bauernverbandes, Peter Voss-Fels, wies
auf die Kommunalwahl 2011 hin. Der Berufsstand müsse sich rechtzeitig
damit auseinandersetzen und Kandidaten aus den eigenen Reihen für die
Gemeindeparlamente benennen. Die Firma tegut habe im Rahmen ihrer
Aktion, den Liter konventionell erzeugte Vollmilch zu einem Aufpreis
von 7 Cent für 55 Cent je Liter zu verkaufen, insgesamt 100.000 Euro
eingenommen und dieses Geld einem „Milchfonds“ zugeführt. Davon seien
30.000 Euro für das Projekt „Die faire Milch“ verwendet worden, den
Rest wolle man für spezielle „Landwirtschaftsprojekte“ nutzen.
HBV-Präsidium und Verbandsrat sprachen sich einstimmig dafür aus, dass
tegut dieses Geld direkt an ihre Milchlieferanten auszahlen sollte,
denn es handele sich hierbei um Bauerngelder, die die Milcherzeuger
dringend benötigten.
Der Vorsitzende
des Kreisbauernverbandes Marburg-Kirchhain-Biedenkopf, Erwin Koch,
stellte den Verbandsvertretern die historische Entwicklung von
Stadtallendorf vor. Zwischen 1938 und 1945 habe es dort die größte
Munitionsfabrik Europas mit rund 26.000 Beschäftigten, darunter viele
Zwangsarbeiter, gegeben. Heute zähle Stadtallendorf 21.000 Einwohner
mit ca. 16.000 Arbeitsplätzen. Die größten Arbeitgeber seien die
Eisengießerei F. Winter und der Süßwarenhersteller Ferrero.