Darmstadt (agrar-PR) - KTBL-Tagungen „Aktuelle rechtliche Rahmenbedingungen für die Tierhaltung" am 10. Juni in Hannover und am 22. Juni in Ulm geben einen Überblick über die Auswirkungen von Vorschriften auf neue und bestehende Tierhaltungsanlagen.
Bei Genehmigung, Bau und Betrieb von Ställen sind zahlreiche rechtliche
Bestimmungen zu beachten. Auf den beiden KTBL-Tagungen in Hannover und
Ulm erläuterten Fachleute den mehr als 200 Teilnehmern aktuelle
Rechtsfragen zur Planung und Genehmigung von Tierhaltungsanlagen.
Im Außenbereich zählt die Privilegierung beim Bau von
Tierhaltungsanlagen zu den wichtigen rechtlichen Rahmenbedingungen für
bauinteressierte Landwirte. Rechtsanwalt
Dr. Helmar Hentschke,
Dombert Rechtsanwälte, Potsdam, erläuterte die wichtigsten Aspekte des
§ 35 BauGB. Des Weiteren verwies er darauf, dass die Standortsteuerung
beim Stallbau von allen Beteiligten Engagement erfordere. Auf der einen
Seite bedeute es für die Kommunen einen erheblichen Aufwand, eine
sachgerechte Planung mit Berücksichtigung von Tierbestand,
Erweiterungsabsichten, potenziellen Umweltwirkungen und Schutz der
Nachbarn vor Belästigung durchzuführen. Auf der anderen Seite sei auch
der Tierhalter gefordert, sich so früh wie möglich mit eigenen klaren
Vorstellungen über seine Betriebserweiterung einzubringen, denn unklare
und unverbindliche Absichten müsse die Gemeinde nach der gültigen
Rechtsprechung nicht in ihre Planungen einstellen.
Aber selbst wenn die Anlage schon genehmigt und gebaut ist, bedeutet
dies keinesfalls, dass der Tierhalter „automatisch" vor weitergehenden
rechtlichen Einschränkungen geschützt ist; es gibt keinen
uneingeschränkten Bestandesschutz. Darauf machte
Volkmar Nies,
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Bonn, aufmerksam. In seinem
Beschluss vom 14. Januar 2010 habe das Bundesverfassungsgericht
festgestellt, dass jeder Genehmigungsinhaber in gewissem Umfang
nachträglich verschärfte Anforderungen hinzunehmen habe. Auch bei
zentralen Fragen wie dem Schutz der Nachbarn von landwirtschaftlichen
Betrieben vor Geruchsbelästigungen oder dem Bau von Biogasanlagen ist
der juristische Spielraum erheblich - dies machte Nies an verschiedenen
aktuellen Gerichtsurteilen deutlich. Dabei fallen nach seinen
Erläuterungen tatsächliche örtliche Gegebenheiten oft mehr ins Gewicht
als die meist allgemein gehaltenen Bestimmungen einschlägiger
Rechtsvorschriften.
Dr.-Ing. Thomas Richter, Firma BetonMarketing Ost,
Leipzig, erläuterte die Vorschriften, die für Anlagen zur Lagerung von
Jauche, Gülle, Silagesickersaft, Festmist und Gärreste sowie für
Biogasanlagen einzuhalten sind. Anfang 2011 soll die bundeseinheitliche
Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VUmwS) kommen,
die den Besonderheiten von landwirtschaftlichen Lagerbehältern Rechnung
trägt und die die z.T. unterschiedlichen Regelungen der Länder ablösen
soll, stellte Richter in Aussicht. Parallel wird derzeit von der DWA
(Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall) eine
technische Regel für diese Anlagen erarbeitet.
Ein eher selten diskutierter, aber durchaus wichtiger Aspekt
landwirtschaftlichen Bauens ist der vorbeugende Brandschutz bei
Tierhaltungsanlagen. Durch den verbreiteten Einsatz von Kunststoffen im
Ausbau von Ställen besteht große Brandgefahr, warnte
Wolfgang Grötzschel,
Brandschutzprüfer, Landkreis Cloppenburg. Die Bauordnungen der Länder
und einschlägige DIN-Vorschriften regeln brandschutztechnische
Anforderungen an die Konstruktion der Gebäude. Dennoch sind bisweilen
Ausnahmen für landwirtschaftliche Gebäude erforderlich.
Besonders viel Konfliktstoff beim Bau von Tierhaltungsanlagen bieten
Fragen der Emissionen. Die Richtlinie VDI 4250 unternimmt den Versuch,
die komplexen Wirkungen von Gasen, Stäuben, Allergenen und
Mikroorganismen in der Stallluft gesundheitlich zu bewerten. Ihr
Entwurf unter dem Titel „Umweltmedizinische Bewertung von
Bioaerosol-Immissionen" wurde von
Prof. Dr. Jörg Hartung und
Dr. Jochen Schulz,
Tierärztliche Hochschule, Hannover, präsentiert und interpretiert. Ihr
Fazit lautet: Nach der jetzigen Fassung des Entwurfs zur Richtlinie VDI
4250 müssten bei Genehmigungsverfahren für Tierhaltungsanlagen und bei
der Überprüfung bestehender Ställe generell deutlich größere Abstände
zwischen Tierhaltungsanlagen und Wohnbebauung berücksichtigt werden.
Die Experten empfehlen, die gesundheitlichen Auswirkungen von
Bioaerosolen als wichtiges Entscheidungskriterium innerhalb der
Richtlinie eingehend zu prüfen, da dafür keine belastbaren Daten
vorliegen, was bereits gerichtlich festgestellt wurde.
Im Jahr 2008 wurde die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) neu gefasst.
Walter Grotz und
Boris Zimmermann,
Müller-BBM GmbH, Planegg/Gelsenkirchen, schilderten ihre in zwei Jahren
gesammelten Erfahrungen mit der Novelle. „Ein einheitliches Vorgehen
bei der Ermittlung (...) und der Beurteilung der Geruchsemissionen ist
weiterhin weder landes- noch bundesweit festzustellen", fassten die
beiden Fachleute zusammen. Tendenziell sei durch die Einführung von
tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren die Genehmigung von Rinder- und
Schweinehaltungen erleichtert, die Genehmigung von Mastgeflügelanlagen
jedoch erschwert worden.
Zur Vermeidung oder Minderung von Emissionen aus Tierhaltungsanlagen
kommen häufig Abluftreinigungsanlagen zum Einsatz. Welche Möglichkeiten
und Grenzen bei den verschiedenen technischen Lösungsansätzen zu
beachten sind, erläuterte
Ewald Grimm,
KTBL e.V., Darmstadt. Er unterstrich die wachsende Bedeutung dieser
Technik: „In den Veredelungshochburgen Cloppenburg, Vechta und Emsland
(...) werden zwei von drei Bauvorhaben nur noch mit Abluftreinigung
realisiert". Die wichtigsten Verfahren sind Biofilter,
Rieselbettreaktor, zweistufige Ausführung mit Chemo- und Wasserwäsche
sowie dreistufige Variante mit Chemo- und Wasserwäsche plus Biofilter.
Mehrstufige Verfahren weisen die besten Reinigungsleistungen auf.
Autor: Gernot Raiser