23.06.2010 | 00:00:00 | ID: 6098 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarpolitik

Wenn einer einen Stall bauen will …

Darmstadt (agrar-PR) - KTBL-Tagungen „Aktuelle rechtliche Rahmenbedingungen für die Tierhaltung" am 10. Juni in Hannover und am 22. Juni in Ulm geben einen Überblick über die Auswirkungen von Vorschriften auf neue und bestehende Tierhaltungsanlagen.

Bei Genehmigung, Bau und Betrieb von Ställen sind zahlreiche rechtliche Bestimmungen zu beachten. Auf den beiden KTBL-Tagungen in Hannover und Ulm erläuterten Fachleute den mehr als 200 Teilnehmern aktuelle Rechtsfragen zur Planung und Genehmigung von Tierhaltungsanlagen.

Im Außenbereich zählt die Privilegierung beim Bau von Tierhaltungsanlagen zu den wichtigen rechtlichen Rahmenbedingungen für bauinteressierte Landwirte. Rechtsanwalt Dr. Helmar Hentschke, Dombert Rechtsanwälte, Potsdam, erläuterte die wichtigsten Aspekte des § 35 BauGB. Des Weiteren verwies er darauf, dass die Standortsteuerung beim Stallbau von allen Beteiligten Engagement erfordere. Auf der einen Seite bedeute es für die Kommunen einen erheblichen Aufwand, eine sachgerechte Planung mit Berücksichtigung von Tierbestand, Erweiterungsabsichten, potenziellen Umweltwirkungen und Schutz der Nachbarn vor Belästigung durchzuführen. Auf der anderen Seite sei auch der Tierhalter gefordert, sich so früh wie möglich mit eigenen klaren Vorstellungen über seine Betriebserweiterung einzubringen, denn unklare und unverbindliche Absichten müsse die Gemeinde nach der gültigen Rechtsprechung nicht in ihre Planungen einstellen.

Aber selbst wenn die Anlage schon genehmigt und gebaut ist, bedeutet dies keinesfalls, dass der Tierhalter „automatisch" vor weitergehenden rechtlichen Einschränkungen geschützt ist; es gibt keinen uneingeschränkten Bestandesschutz. Darauf machte Volkmar Nies, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Bonn, aufmerksam. In seinem Beschluss vom 14. Januar 2010 habe das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass jeder Genehmigungsinhaber in gewissem Umfang nachträglich verschärfte Anforderungen hinzunehmen habe. Auch bei zentralen Fragen wie dem Schutz der Nachbarn von landwirtschaftlichen Betrieben vor Geruchsbelästigungen oder dem Bau von Biogasanlagen ist der juristische Spielraum erheblich - dies machte Nies an verschiedenen aktuellen Gerichtsurteilen deutlich. Dabei fallen nach seinen Erläuterungen tatsächliche örtliche Gegebenheiten oft mehr ins Gewicht als die meist allgemein gehaltenen Bestimmungen einschlägiger Rechtsvorschriften.

Dr.-Ing. Thomas Richter, Firma BetonMarketing Ost, Leipzig, erläuterte die Vorschriften, die für Anlagen zur Lagerung von Jauche, Gülle, Silagesickersaft, Festmist und Gärreste sowie für Biogasanlagen einzuhalten sind. Anfang 2011 soll die bundeseinheitliche Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VUmwS) kommen, die den Besonderheiten von landwirtschaftlichen Lagerbehältern Rechnung trägt und die die z.T. unterschiedlichen Regelungen der Länder ablösen soll, stellte Richter in Aussicht. Parallel wird derzeit von der DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall) eine technische Regel für diese Anlagen erarbeitet.

Ein eher selten diskutierter, aber durchaus wichtiger Aspekt landwirtschaftlichen Bauens ist der vorbeugende Brandschutz bei Tierhaltungsanlagen. Durch den verbreiteten Einsatz von Kunststoffen im Ausbau von Ställen besteht große Brandgefahr, warnte Wolfgang Grötzschel, Brandschutzprüfer, Landkreis Cloppenburg. Die Bauordnungen der Länder und einschlägige DIN-Vorschriften regeln brandschutztechnische Anforderungen an die Konstruktion der Gebäude. Dennoch sind bisweilen Ausnahmen für landwirtschaftliche Gebäude erforderlich.

Besonders viel Konfliktstoff beim Bau von Tierhaltungsanlagen bieten Fragen der Emissionen. Die Richtlinie VDI 4250 unternimmt den Versuch, die komplexen Wirkungen von Gasen, Stäuben, Allergenen und Mikroorganismen in der Stallluft gesundheitlich zu bewerten. Ihr Entwurf unter dem Titel „Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosol-Immissionen" wurde von Prof. Dr. Jörg Hartung und Dr. Jochen Schulz, Tierärztliche Hochschule, Hannover, präsentiert und interpretiert. Ihr Fazit lautet: Nach der jetzigen Fassung des Entwurfs zur Richtlinie VDI 4250 müssten bei Genehmigungsverfahren für Tierhaltungsanlagen und bei der Überprüfung bestehender Ställe generell deutlich größere Abstände zwischen Tierhaltungsanlagen und Wohnbebauung berücksichtigt werden. Die Experten empfehlen, die gesundheitlichen Auswirkungen von Bioaerosolen als wichtiges Entscheidungskriterium innerhalb der Richtlinie eingehend zu prüfen, da dafür keine belastbaren Daten vorliegen, was bereits gerichtlich festgestellt wurde.

Im Jahr 2008 wurde die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) neu gefasst. Walter Grotz und Boris Zimmermann, Müller-BBM GmbH, Planegg/Gelsenkirchen, schilderten ihre in zwei Jahren gesammelten Erfahrungen mit der Novelle. „Ein einheitliches Vorgehen bei der Ermittlung (...) und der Beurteilung der Geruchsemissionen ist weiterhin weder landes- noch bundesweit festzustellen", fassten die beiden Fachleute zusammen. Tendenziell sei durch die Einführung von tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren die Genehmigung von Rinder- und Schweinehaltungen erleichtert, die Genehmigung von Mastgeflügelanlagen jedoch erschwert worden.

Zur Vermeidung oder Minderung von Emissionen aus Tierhaltungsanlagen kommen häufig Abluftreinigungsanlagen zum Einsatz. Welche Möglichkeiten und Grenzen bei den verschiedenen technischen Lösungsansätzen zu beachten sind, erläuterte Ewald Grimm, KTBL e.V., Darmstadt. Er unterstrich die wachsende Bedeutung dieser Technik: „In den Veredelungshochburgen Cloppenburg, Vechta und Emsland (...) werden zwei von drei Bauvorhaben nur noch mit Abluftreinigung realisiert". Die wichtigsten Verfahren sind Biofilter, Rieselbettreaktor, zweistufige Ausführung mit Chemo- und Wasserwäsche sowie dreistufige Variante mit Chemo- und Wasserwäsche plus Biofilter. Mehrstufige Verfahren weisen die besten Reinigungsleistungen auf.

Autor: Gernot Raiser
Pressekontakt
Frau Bettina Sander
Telefon: 06151 / 7001-150
Fax: 06151 / 7001-123
E-Mail: b.sander@ktbl.de
Pressemeldung Download: 
Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL)
Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL)
Bartningstraße 49
64289 Darmstadt
Deutschland
Telefon:  +49  06151  7001-0
Fax:  +49  06151  7001-150
E-Mail:  ktbl@ktbl.de
Web:  www.ktbl.de
>>>  Pressefach


© proplanta 2006-2024. Alle Rechte vorbehalten.