17.11.2023 | 14:49:00 | ID: 38098 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarwirtschaft

Extremsituation auf den weltweiten Rohstoffmärkten führten zu außergewöhnlichen Verhältnissen - Erhebliche Gewinnsteigerungen aller Betriebsformen im Wirtschaftsjahr 2022/23

Berlin (agrar-PR) - Auf der Basis der ersten Buchführungsergebnisse stellen die Landwirtschaftskammern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland ihre Auswertung der ökonomischen Entwicklung landwirtschaftlicher Haupterwerbsbetriebe für das Wirtschaftsjahr 2022/23 vor.
Die vorherrschenden Unsicherheiten auf den weltweiten Handelsplätzen sorgten für Marktverhältnisse, von denen die bäuerlichen Familienbetriebe in Deutschland profitieren konnten. Der Boom auf dem Milchmarkt, international steigende Preise für Getreide und sinkende Schweinebestände führten im Wirtschaftsjahr 2022/23 zu einer deutlichen Steigerung der Gewinne in allen Betriebsformen der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe. Die Wirtschaftsergebnisse gewährleisteten im betrachteten Zwölfmonatszeitraum bei einem Großteil der Betriebe Verhältnisse, die eine ausreichende Faktorentlohnung von Arbeit, Boden und Kapital zulassen.

Regional unterschiedliche Vegetationsbedingungen sorgten für durchschnittliche Getreideerträge in der Ernte 2022
In Norddeutschland entsprachen die geringfügig über dem Vorjahresergebnis liegenden Getreideerträge der Ernte 2022 in etwa dem langjährigen Mittel. Gute Vegetationsbedingungen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sorgten für einen Ertrag von gut 83 dt/ha, in Niedersachsen wurden durchschnittlich 75,5 und im Saarland 61,5 dt/ha geerntet. In Rheinland-Pfalz ließen fehlende Niederschläge nur einen Ertrag von 64,5 dt/ha zu. Auf den in der Anbaufläche weiter ausgedehnten Rapsbeständen wurden weit überdurchschnittlich zwischen 39 dt/ha im Saarland bis zu 45 dt/ha in Nordrhein-Westfalen geerntet.

Die Zuckerrüben zeigten sich zwar bei der Sommertrockenheit des Sommers 2022 anpassungsfähig, konnten die hohen Erträge des Jahres 2021 aber nicht wiederholen. Die Erträge gingen in Rheinland-Pfalz um 24 Prozent zurück (648 dt/ha), in Niedersachsen um 12 Prozent (692 dt/ha). Auch in Nordrhein-Westfalen (793 dt/ha) und Schleswig-Holstein (773 dt/ha) konnten bei den Hektarerträgen die 800 dt-Schwelle nicht überschritten werden.

Bedingt durch fehlende Sommerniederschläge fielen auch die Erträge bei Kartoffeln unterdurchschnittlich aus. Ohne Bewässerung kam es zu gravierenden Ernteeinbußen. So hatten die Speisekartoffelproduzenten in Rheinland-Pfalz einen 20 prozentigen Rückgang auf 255 dt/ha zu verzeichnen. In Niedersachsen wurden 402 dt/ha, in NRW 467 dt/ha und Schleswig-Holstein 312 dt/ha erzielt.

Auch die Silomaiserträge haben die Ertragserwartungen weder qualitativ noch mengenmäßig erfüllt. Ertragsrückgänge im Nord-Süd-Gefälle von -17 Prozent in Schleswig-Holstein bis zu -40 Prozent in Rheinland-Pfalz waren die Folge. Auch das Grünland brachte in einigen Regionen nicht ausreichende Grundfuttermengen. Dennoch waren die Futterbaubetriebe in der Lage, den Qualitätsanforderungen entsprechende Silagen anzulegen.

Preise der Marktfrüchte wurden durch die Krisensituation maßgeblich beeinflusst
Die Auswirkungen der Ukrainekrise ließen die Marktpreise aller Getreidearten an den Handelsbörsen, trotz einer global ausreichenden Erntemenge nahezu auf Vorjahresniveau, steigen. Ausgehend von hohen Vorjahreswerten zogen die Preise für Getreide im abgelaufenen Wirtschaftsjahr deutlich an. Über das gesamte Wirtschaftsjahr betrachtet wiesen die Auswertungen Preissteigerungen zwischen 25 Prozent in Schleswig-Holstein und 33 Prozent in Niedersachsen aus.

Basierend auf bereits hohen Preisen für Raps zum Ausgang des Wirtschaftsjahres 2021/22 zogen die Kurse nach der Ernte 2022 nochmals deutlich an. Während im Saarland Durchschnittserlöse von 57,70 EUR netto erlöst wurden, erzielten in Niedersachsen der Schnitt aller Betriebe sogar 66,20 EUR je Dezitonne.

Witterungsbedingte Ertrags- und Qualitätseinbußen bei Kartoffeln führten zur Verknappung vermarktungsfähiger Ware und somit zu steigenden Preisen. Gegenüber dem Vorjahr ergab sich ein Plus von jeweils mehr als 30 Prozent in Niedersachsen (16,20 EUR/dt) und Nordrhein-Westfalen (19,30 EUR/dt). Der stark durch den Anbau von Speisekartoffeln geprägte Markt in Rheinland-Pfalz nimmt mit einem Durchschnittspreis von 40,40 EUR je dt (plus 45 Prozent) eine Sonderstellung ein.

Milchpreisrallye und stabile Schlachtrindernotierungen sorgen für hohe Umsatzerlöse
Die anhaltend rückläufige Milchproduktion hat die Milchpreise EU-weit positiv beeinflusst. So wurden zum Jahreswechsel 22/23 die Marke von 60 Cent je Liter durchbrochen. Nach Auswertung der Buchabschlüsse wurden im Rahmen aller ausgewerteten Betriebe Durchschnittspeise in einer engen Spanne von 54 Cent im Saarland und Schleswig-Holstein sowie 56 Cent in Rheinland-Pfalz gezahlt.

Die Preise für Jungbullen stabilisierten sich im abgelaufenen Wirtschaftsjahr auf hohem Niveau. Auch das verhaltene Angebot an Altkühen führte zu moderat höheren Erlösen als im Vorjahr. Ähnlich stellte sich die Situation bei Kälbern und Färsen dar. In der Gesamtschau bewegten sich die Erlöse im Bereich Rindermast um circa 10 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Märkte für Ferkel und Schlachtschweine mit überraschend hoher Volatilität
Im Wirtschaftsjahr 2022/23 lagen die Erzeugerpreise für Ferkel und Mastschweine auf einem signifikant höheren Niveau als in den beiden ruinösen Vorjahren. Schon im Sommer 2022 setzte ein deutlicher Aufwärtstrend bei den Notierungen ein. Die EU-weit abnehmenden Bestände führten zu einem Angebotsrückgang. Im Jahresdurchschnitt wurden Ferkelpreise von 62 EUR in NRW, 65 EUR in Niedersachsen und 79 EUR in Rheinland-Pfalz erzielt. Das entspricht einer Preissteigerung in der Ferkelerzeugung zwischen 50 und 75 Prozent. Der Erlös pro Mastschwein von etwas mehr als 200 EUR je Tier entspricht einer Erhöhung um circa 45 Prozent.

Energiekrise und deutliche Kostensteigerung der Betriebsmittel
Bereits das Vorjahr war durch sehr hohe Steigerungen der Betriebsausgaben gekennzeichnet. Krisen- und inflationsbedingt verschärfte sich die Gesamtsituation 2022/23. Die Ausgaben für Düngemittel stiegen in einer Spanne zwischen 23 Prozent in NRW und 36 Prozent in Schleswig-Holstein. Die Kosten für Strom, Wasser und Heizstoffe zogen im Vergleich zum Vorjahr um 4 Prozent an. Für Treib- und Schmierstoffe gaben die Landwirte zwischen 6 Prozent (in Rheinland-Pfalz) und 18 Prozent (in Schleswig-Holstein) mehr aus. In Anbetracht knapper Grundfutterversorgung und deutlich gestiegener Kosten für die Einzelkomponenten stiegen im Wirtschaftsjahr 2022/23 die Ausgaben für Futtermittel um 12 Prozent in NRW und 22 Prozent in Schleswig-Holstein an.

Futterbaubetriebe mit höchster Gewinnsteigerung
Für die Milcherzeuger brachte das zurückliegende Wirtschaftsjahr bei außerordentlichen Milchpreisen vollkostendeckende Ergebnisse. Rindermäster und Mutterkuhhalter konnten im Wirtschaftsjahr 2022/23 die erheblichen Mehrkosten nicht durch die nur moderat gestiegenen Erlöse ausgleichen. Deutlich niedrigere Grundfuttererträge aus der Ernte 2022 erforderten in vielen rindviehhaltenden Betrieben kostenintensiven Grundfutterzukauf.

Die deutlich gestiegenen Preise für Milch, verarbeitete Milchprodukte und Rindfleisch haben sich, trotz gestiegener Kosten, überaus positiv auf die Ergebnisse der Futterbaubetriebe ausgewirkt. Deren Gewinne stiegen zwischen 30 Prozent (SH) und 87 Prozent (RP) und schwankten in den Ländern je nach Betriebsgröße zwischen 122.000 EUR und 187.000 EUR je Unternehmen. Diese Ergebnisse ermöglichten die vollständige Vergütung der eingesetzten Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital (Nettorentabilität). Auch das Ziel, darüber hinaus einen Unternehmergewinn für Risikoabdeckung und Neuinvestitionen zu erwirtschaften, wurde erreicht.

In der weniger spezialisierten Betriebsform des sonstigen Futterbaus finden sich die Bullenmäster und die Mutterkuh-Betriebe wieder. Deren Unternehmensergebnis konnte mit dem Aufwärtstrend der Milchmarktprodukte nicht Schritt halten. Während in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz das Vorjahresniveau gehalten werden konnte, mussten die sonstigen Futterbaubetriebe in NRW einen Rückgang um13 Prozent und im Saarland um 20 Prozent hinnehmen.

Marktfruchtbetriebe ebenfalls mit Faktorentlohnung
Auch die spezialisierten Ackerbaubetriebe konnten aufgrund der beschriebenen Tendenzen auf den Agrarmärkten ihre Gewinne steigern. Während die saarländischen Betriebe aufgrund ihrer regionalspezifischen Situation ein gleichbleibendes Ergebnis zu verzeichnen hatten, verbuchten die Betriebsleiter in Rheinland-Pfalz einen Zuwachs von 18 Prozent und in Nordrhein-Westfalen sogar um 44 Prozent. Die absoluten Beträge der Unternehmensergebnisse bewegten sich zwischen 67.500 EUR im Saarland, 87.000 EUR in Schleswig-Holstein sowie 110.000 EUR in Niedersachsen, NRW und in Rheinland-Pfalz. Dabei wurde mit Ausnahme des Saarlands die Nettorentabilität von 100 Prozent überschritten und der Anspruch an die Faktorentlohnung erfüllt.

Veredlungsbetriebe profitieren von überraschender Marktentwicklung
Angesichts sinkender Tierzahlen hat das weiter rückläufige Ferkel- und Mastschweineangebot im abgelaufenen Wirtschaftsjahr einen unerwartet deutlichen Preisausschlag bewirkt. Die verbesserten Rahmenbedingungen auf den Veredlungsmärkten haben trotz der deutlich gestiegenen Futterkosten zu einer erheblichen Verbesserung der Gewinnsituation geführt. In Niedersachsen, NRW und Rheinland-Pfalz wurden nahezu gleichlautende Unternehmensergebnisse in Höhe von 110.000 EUR erzielt. Damit verbunden war auch erstmals wieder ein Unternehmergewinn. Weiterhin wurden positive Eigenkapitalentwicklungen in den Bilanzen des Wirtschaftsjahres 2022/23 verbucht. Die weniger spezialisierten Veredlungsbetriebe in Schleswig-Holstein steigerten ihr Unternehmensergebnis auf 72.000 EUR.

Winzer beklagten Kaufzurückhaltung
Der Mostertrag in den Weinbaubetrieben war mit Ausnahme der Anbauregion Mosel (-20 Prozent) über dem Vorjahr. Die Erlöse konnten insgesamt gesteigert werden, allerdings weit weniger stark als bei den anderen Betriebsgruppen (+4,7 Prozent Umsatzerlös Weinbau, an der Mosel nur um 1 Prozent). Der Flaschenweinpreis stieg um rund 10 Prozent, der Erlös für Trauben und Fasswein blieb nahezu unverändert (+0,3 bzw. 0,6 Prozent).

Vor allem der Aufwand für Energie, Flaschenweinausstattung (Flasche, Etikett, Verschluss usw.) stieg deutlich (+12 Prozent) wie auch der Personalaufwand (+8 Prozent). In der Summe waren die Ergebnisse im Weinbau mit -12,9 Prozent deutlich rückläufig, erstmals seit vielen Jahren und anders als bei allen übrigen Vergleichsgruppen. Besonders betroffen waren die Flaschenweinvermarkter: Bei ihnen war der Ergebnisrückgang mit 19,5 Prozent am deutlichsten ausgeprägt. Der Anteil vom Flaschenwein am Umsatz Weinbau war mit -3 Prozent rückläufig. Winzer klagen auch aktuell über eine Kaufzurückhaltung beim Flaschenwein im Direktabsatz.

Öko-Betriebe konnten nicht Schritt halten
Das Geschäft mit Biolebensmitteln in Deutschland hat im zurückliegenden Wirtschaftsjahr einen deutlichen Dämpfer erhalten. Der deutsche Öko-Markt schrumpfte in Zeiten hoher Inflation erstmalig. Damit konnten die ökologisch wirtschaftenden Betriebe anders als ihre konventionellen Nachbarbetriebe nicht von der Volatilität der Märkte profitieren. Vor diesem Hintergrund stiegen dennoch die Gewinne der Ökobetriebe im abgelaufenen Wirtschaftsjahr um 18 Prozent auf ein Niveau von 75.000 EUR, bei einer Nettorentabilität von über 100 Prozent, an.

Fünfjahresmittel lässt noch keine nachhaltige Entwicklung erkennen
Die landwirtschaftlichen Einkommen werden auch von Faktoren beeinflusst, auf die Betriebsleiter nur wenig Einfluss haben. Das gilt vor allem für die Betriebsmittel- und Produktpreise aber auch für die politischen Rahmenbedingungen wie zum Beispiel steigende Auflagen zum Tierwohl oder der Düngeverordnung. Mit Unternehmensergebnissen zwischen 95.000 und 150.000 EUR je Betrieb hatten die Betriebe in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland im Wirtschaftsjahr 2022/23 ein Niveau erreicht, das neben Privatentnahmen, Steuerlasten und Tilgung auch eine positive Eigenkapitalbildung ermöglichte. Für ausreichende Stabilität und Liquidität sind weitere Jahre mit guten Ergebnissen notwendig.

Mit Blick auf die vom Gesetzesgeber geforderten Investitionen für eine zukunftsweisende, nachhaltige Entwicklung eines Haupterwerbsbetriebes erscheinen Unternehmensergebnisse von 100.000 EUR erforderlich, um den Ansprüchen einer angemessenen Entlohnung und Risikodeckung zu entsprechen. Das Durchschnittsniveau von ca. 70.000 Euro im Zeitraum von 2017 bis 2022 ist davon noch weit entfernt. Daraus resultiert auch die Zurückhaltung bei Neuinvestitionen.

Laufendes Wirtschaftsjahr relativiert die Erwartungen auf nachhaltige Verbesserung
Zum Jahreswechsel ist bereits ersichtlich, dass sich die Wirtschaftsergebnisse des laufenden Wirtschaftsjahres auf einem deutlich niedrigeren Niveau einpendeln werden. Festzustellen ist, dass die Preise auf der Kostenseite langsamer zurückgehen als die Preise für Getreide, Milchprodukte und Schweinefleisch.

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