Hannover (agrar-PR) - Preistief Eisbergsalat für
neun Cent und verschiedene Gemüsesorten bis zu
40 Prozent billiger als
im vergangenen Jahr: Historisch tiefe Preise machen den
niedersächsischen Anbauern derzeit schwer zu schaffen! Doch warum ist
das Gemüse so billig und wie sehen die Alternativen aus?
Für Dieter Schwutke gibt es keine Alternative: „Der Betrieb wird
weiterhin so geführt wie bisher.“ Allerdings dürfte es auch schwierig
werden, noch einen Produktionsbereich zu finden, den der Landwirt nicht
besetzt hat.
Vielfalt als Kernkompetenz
Zwiebeln, Kartoffeln, Rotkohl, Weißkohl,
Möhren, Rote Beete Mais, Gurken und Spargel, Schwutkes Gemüsevielfalt
ist reichhaltig. Doch auch der Ackerbau mit Zuckerrüben, Roggen und
Wintergerste sind wichtige Standbeine für den Betrieb. Insgesamt werden
etwa 800 ha bewirtschaftet, 250 Mastschweine und 900 Mastgänse runden
die Produktion ab. Schwutke sieht gerade in der Vielfältigkeit seinen
Vorteil:
„Oft haben die Berater uns gesagt, wir sollten uns mehr
spezialisieren, aber ich habe eigentlich immer das Gegenteil gemacht“,
schmunzelt er. Doch das Lachen vergeht ihm schnell, wenn er auf die
aktuelle Lage auf dem Gemüsemarkt zu sprechen kommt. „Die Gemüsepreise
sind viel zu niedrig, darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren.
Aber in dieser schwierigen Situation kommt uns unsere breite
Produktionspalette
zu Gute.“
Nicht alle niedersächsischen
Gemüsebauern können derart gelassen in die Zukunft blicken. „Das
Problem sind die großen Handelsketten“, erklärt Axel Boese,
Geschäftsführer der Fachgruppe Gemüsebau Norddeutschland. „Die Anbauer
müssen immer etwas mehr anbauen, als sie vermarkten können, um
Ausfällen wegen schlechten Wetters vorzubeugen. Wird dann doch mehr
geerntet, nutzen die Einkäufer die Überproduktion aus, um die Preise zu
drücken.“ Der deutsche Einzelhandel wird zu 80 Prozent von fünf großen
Ketten beherrscht. Diese Übermacht bekommen auch die Lieferanten
anderer Branchen zu spüren. „Ist das Angebot wieder knapp, müssten die
Preise für die Gemüseproduzenten eigentlich steigen. Doch darauf lassen
sich die Einkäufer der Handelsketten nicht ein. Wird ein Produkt zu
teuer, wird es kurzerhand für eine Woche ausgelistet und die Situation
ausgesessen“, beschreibt Boese die schwierige Lage
der Gemüsebauern.
Das bekommt auch Schwutke zu spüren:
„Wir haben wenige, langfristige Anbaukontrakte, das Meiste wird über
kurzfristige Verträge vermarktet.“ Und wenn er von kurzfristig spricht,
meint er ein bis zwei Wochen. „Trotzdem passiert es schon mal, dass die
Handelsketten auch dann noch abspringen“, führt Hofnachfolgerin Manuela
Schwutke aus. „Dann hat man alles nach Wunsch verpackt und bleibt
trotzdem auf der Ware sitzen.“ Ehemann Dominic sitzt derweil auf dem
Trecker, die Zwiebeln müssen geerntet werden. „Wir wollen den Betrieb
weitermachen, daran können auch die Preise nichts ändern“, fügt Manuela
Schwutke an und blickt zuversichtlich in die Zukunft.
Die Macht des Handels
Viele der niedersächsischen Betriebe
haben sich auf Gemüse spezialisiert, sie sind von den Tiefpreisen
schwer getroffen. Auch an den Direktvermarktern geht diese Krise nicht
spurlos vorbei. Die Preise auf dem Markt oder im Hofladen müssen
angepasst werden. Bauer Schwutke. hat einen 250 m² großen Laden im Dorf
und fährt mit seinen Verkaufswagen vier verschiedene Wochenmärkte an.
„Sinken die Preise im Supermarkt, müssen wir auf dem Markt auch
billiger verkaufen“, bestätigt Schwutke.
Wenn ein Supermarkt einen Kopf
Eisbergsalat für 9 Cent anbietet, aber die Verpackungskosten schon bei
19 Cent liegen, so ist das ein Fall für das Kartellamt. Der Verkauf von
Waren unter dem Einstandspreis ist verboten. Bevor die Behörde jedoch
informiert werden und reagieren kann, sind derartige
Sonderangebotsaktionen häufig schon wieder vorbei. So schildert der
Fachgruppe Gemüsebau im Deutschen Bauernverband in einem offenen Brief
an das Bundeskartellamt im Juli dieses Jahres
die Situation.
Andreas Laubig, Pressesprecher der Edeka
Minden-Hannover erklärt die Lage des deutschen Einzelhandels: „Im
intensiven Wettbewerb haben die Unternehmen gar keine Möglichkeit, die
Preise anzuheben, um so auch den Landwirten mehr zu zahlen. Hier geben
die Discounter die Preise vor, das ist Marktwirtschaft, auch wenn es
weh tut.“ Dabei wäre es gerade für die Edeka wichtig, dass die Vielfalt
in den Regionen erhalten bleibt. Im Konzept des Konzerns sind die
Eigentümer der Filialen dazu angehalten, sich bei Frischwaren nach
regionalen Lieferanten umzusehen.
„Vielleicht liegt hier die Chance für
die Gemüsebauern in Niedersachsen, zumindest einige sollten darüber
nachdenken, mit ihrem lokalen Edeka-Markt Kontakt aufzunehmen“, schlägt
Laubig vor.
Leben von der Substanz
Viele Gemüsebauern machen seit Jahren
keine ausreichenden Gewinne mehr. Egal ob Groß- oder Familienbetrieb,
sie leben von der Substanz. Die Konsequenz: Die Zahl der Produzenten
geht auch in diesem landwirtschaftlichen Betriebszweig zurück. Zwischen
2004 und 2008 gaben rund 100 Gemüseanbauern in Niedersachsen die
Produktion auf (s. Kasten).
Doch wer ist nun Schuld? Die
Gemüsebauern, die zu viel produzieren? Die Supermärkte, die die Preise
drücken? Oder der intensiven Wettbewerb des deutschen
Lebensmitteleinzelhandels, der die Märkte zu Tiefstpreisen zwingt? Eine
eindeutige Antwort darauf gibt es nicht und würde den Landwirten wohl
derzeit auch nicht helfen. Und so schließt sich die Fachgruppe
Gemüsebau Norddeutschland der Parole an,
die derzeit in der
Landwirtschaft sehr häufig zu hören ist: Durchhalten!