09.09.2009 | 00:00:00 | ID: 2103 | Ressort: Landwirtschaft | Markt & Trends

Gemüsebauern ächzen unter Tiefpreisen

Hannover (agrar-PR) - Preistief   Eisbergsalat für neun Cent und verschiedene Gemüsesorten bis zu
40 Prozent billiger als im vergangenen Jahr: Historisch tiefe Preise machen den niedersächsischen Anbauern derzeit schwer zu schaffen! Doch warum ist das Gemüse so billig und wie sehen die Alternativen aus? Für Dieter Schwutke gibt es keine Alternative: „Der Betrieb wird weiterhin so geführt wie bisher.“ Allerdings dürfte es auch schwierig werden, noch einen Produktionsbereich zu finden, den der Landwirt nicht besetzt hat.

Vielfalt als Kernkompetenz

Zwiebeln, Kartoffeln, Rotkohl, Weißkohl, Möhren, Rote Beete Mais, Gurken und Spargel, Schwutkes Gemüsevielfalt ist reichhaltig. Doch auch der Ackerbau mit Zuckerrüben, Roggen und Wintergerste sind wichtige Standbeine für den Betrieb. Insgesamt werden etwa 800 ha bewirtschaftet, 250 Mastschweine und 900 Mastgänse runden die Produktion ab. Schwutke sieht gerade in der Vielfältigkeit seinen Vorteil:
„Oft haben die Berater uns gesagt, wir sollten uns mehr spezialisieren, aber ich habe eigentlich immer das Gegenteil gemacht“, schmunzelt er. Doch das Lachen vergeht ihm schnell, wenn er auf die aktuelle Lage auf dem Gemüsemarkt zu sprechen kommt. „Die Gemüsepreise sind viel zu niedrig, darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Aber in dieser schwierigen Situation kommt uns unsere breite Produktionspalette
zu Gute.“

Nicht alle niedersächsischen Gemüsebauern können derart gelassen in die Zukunft blicken. „Das Problem sind die großen Handelsketten“, erklärt Axel Boese, Geschäftsführer der Fachgruppe Gemüsebau Norddeutschland. „Die Anbauer müssen immer etwas mehr anbauen, als sie vermarkten können, um Ausfällen wegen schlechten Wetters vorzubeugen. Wird dann doch mehr geerntet, nutzen die Einkäufer die Überproduktion aus, um die Preise zu drücken.“ Der deutsche Einzelhandel wird zu 80 Prozent von fünf großen Ketten beherrscht. Diese Übermacht bekommen auch die Lieferanten anderer Branchen zu spüren. „Ist das Angebot wieder knapp, müssten die Preise für die Gemüseproduzenten eigentlich steigen. Doch darauf lassen sich die Einkäufer der Handelsketten nicht ein. Wird ein Produkt zu teuer, wird es kurzerhand für eine Woche ausgelistet und die Situation ausgesessen“, beschreibt Boese die schwierige Lage
der Gemüsebauern.

Das bekommt auch Schwutke zu spüren: „Wir haben wenige, langfristige Anbaukontrakte, das Meiste wird über kurzfristige Verträge vermarktet.“ Und wenn er von kurzfristig spricht, meint er ein bis zwei Wochen. „Trotzdem passiert es schon mal, dass die Handelsketten auch dann noch abspringen“, führt Hofnachfolgerin Manuela Schwutke aus. „Dann hat man alles nach Wunsch verpackt und bleibt trotzdem auf der Ware sitzen.“ Ehemann Dominic sitzt derweil auf dem Trecker, die Zwiebeln müssen geerntet werden. „Wir wollen den Betrieb weitermachen, daran können auch die Preise nichts ändern“, fügt Manuela Schwutke an und blickt zuversichtlich in die Zukunft.

Die Macht des Handels

Viele der niedersächsischen Betriebe haben sich auf Gemüse spezialisiert, sie sind von den Tiefpreisen schwer getroffen. Auch an den Direktvermarktern geht diese Krise nicht spurlos vorbei. Die Preise auf dem Markt oder im Hofladen müssen angepasst werden. Bauer Schwutke. hat einen 250 m² großen Laden im Dorf und fährt mit seinen Verkaufswagen vier verschiedene Wochenmärkte an. „Sinken die Preise im Supermarkt, müssen wir auf dem Markt auch billiger verkaufen“, bestätigt Schwutke.

Wenn ein Supermarkt einen Kopf Eisbergsalat für 9 Cent anbietet, aber die Verpackungskosten schon bei
19 Cent liegen, so ist das ein Fall für das Kartellamt. Der Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis ist verboten. Bevor die Behörde jedoch informiert werden und reagieren kann, sind derartige Sonderangebotsaktionen häufig schon wieder vorbei. So schildert der Fachgruppe Gemüsebau im Deutschen Bauernverband in einem offenen Brief an das Bundeskartellamt im Juli dieses Jahres
die Situation.

Andreas Laubig, Pressesprecher der Edeka Minden-Hannover erklärt die Lage des deutschen Einzelhandels: „Im intensiven Wettbewerb haben die Unternehmen gar keine Möglichkeit, die Preise anzuheben, um so auch den Landwirten mehr zu zahlen. Hier geben die Discounter die Preise vor, das ist Marktwirtschaft, auch wenn es weh tut.“ Dabei wäre es gerade für die Edeka wichtig, dass die Vielfalt in den Regionen erhalten bleibt. Im Konzept des Konzerns sind die Eigentümer der Filialen dazu angehalten, sich bei Frischwaren nach regionalen Lieferanten umzusehen.

„Vielleicht liegt hier die Chance für die Gemüsebauern in Niedersachsen, zumindest einige sollten darüber nachdenken, mit ihrem lokalen Edeka-Markt Kontakt aufzunehmen“, schlägt Laubig vor.

Leben von der Substanz

Viele Gemüsebauern machen seit Jahren keine ausreichenden Gewinne mehr. Egal ob Groß- oder Familienbetrieb, sie leben von der Substanz. Die Konsequenz: Die Zahl der Produzenten geht auch in diesem landwirtschaftlichen Betriebszweig zurück. Zwischen 2004 und 2008 gaben rund 100 Gemüseanbauern in Niedersachsen die Produktion auf (s. Kasten).

Doch wer ist nun Schuld? Die Gemüsebauern, die zu viel produzieren? Die Supermärkte, die die Preise drücken? Oder der intensiven Wettbewerb des deutschen Lebensmitteleinzelhandels, der die Märkte zu Tiefstpreisen zwingt? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht und würde den Landwirten wohl derzeit auch nicht helfen. Und so schließt sich die Fachgruppe Gemüsebau Norddeutschland der Parole an,
die derzeit in der Landwirtschaft sehr häufig zu hören ist: Durchhalten!
Pressekontakt
Frau Sonja Markgraf
Telefon: 0511/36704-31
E-Mail: pressestelle@landvolk.org
Pressemeldung Download: 
Landvolk Niedersachsen - Landesbauernverband e.V.
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