Hannover (agrar-PR) - Braugerstenrundfahrt Kurz
vor der Ernte lassen die niedersächsischen Braugerstenbestände gute
Erträge erwarten. Das zeigte die Braugerstenrundfahrt der
Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des niedersächsischen
Braugerstenanbaus im Raum Peine am vergangenen Donnerstag. Durch
weitere Flächenrückgänge dürfte die Erntemenge aber unter 100.000 t
sinken.
Nur noch auf 17.000 bis 18.000 ha schätzt Hans-Jürgen Seele,
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft, den diesjährigen Anbau. Im
vergangenen Jahr waren es noch 25.000 ha. Das sei viel zu wenig, meint
er und weist auf den Bedarf von 200.000 t allein der Mälzereien in
Salzgitter und Peine hin. Die Ursache für den Rückgang ist klar: „Bei
der Wettbewerbsfähigkeit ist die Braugerste nicht gerade der
Siegertyp“, stellte Seele bei der Rundfahrt fest. Vielmehr sei sie
mittlerweile ein Nischenprodukt, allerdings mit exzellenten
Anbauspezialisten. Als Motivation bräuchten die Anbauer
Vorvertragspreise von 15 bis 16 Euro je dt. Bei Tagespreisen von 11
Euro je dt, die Marktexperte Alfred Reisewitz von der Agravis nannte
und 13 Euro als „Ende der Fahnenstange“ definierte, gibt es indes
mittlerweile viele Alternativen zur Braugerste.
Fehlende Marktsignale
Dies wurde auch auf der Rundfahrt
deutlich, bei der viele Maisschläge und Biogasanlagen passiert wurden,
die zurzeit eine deutlich höhere direktkostenfreie Leistung bieten.
Allerdings komme der Zuchtfortschritt jetzt auch bei der Braugerste an,
die damit wieder an Attraktivität gewinnen könne, stellte Seele
zufrieden fest. Die Erträge neuer Sorten machten den Anbau interessant.
Gleichwohl müsse der Markt mitkommen. Die Signale fehlen indes zurzeit.
Obwohl der Selbstversorgungsgrad mit Braugerste in Deutschland
insgesamt lediglich bei 50 Prozent liegt, sah Reisewitz bei der
diesjährigen Ernte „kein Mengenproblem“. So werde die Qualität die
Richtung der Vermarktung bestimmen.
Den Teilnehmern der Rundfahrt aus Anbau,
Züchtung und Brauereiwirtschaft präsentierten sich die besichtigten
Schläge in sehr gutem Zustand. So erwartete Seele einen
Durchschnittsertrag von gut 50 dt je ha. Das liegt über dem Mittel der
vergangenen fünf Jahre, aber niedriger als 2008. Die Erwartungen
einzelner Betriebe reichten indes bis über 80 dt.
Hitzestress mit Folgen
Das musste allerdings mit hohem Aufwand
erkauft werden. Bis zu fünf Regengaben waren bei einem bisherigen
Niederschlagsdefizit von ungefähr 200 mm in diesem Jahr mit
außergewöhnlichem Witterungsverlauf notwendig, die aber den natürlichen
Regen nicht vollständig ersetzen konnten. Insbesondere Sorten mit
längerem Stroh wie der Marthe war der Hitze- und Trockenstress seit
April anzusehen. Auffällig waren viele Halme, bei denen die Ähren
stecken geblieben waren. Dies solle sich aber nicht auf den Ertrag
auswirken, so die Aussagen der Züchter. Schon nach der ersten Düngung
hatten die Betriebe beregnen müssen, weil der Dünger sich durch die
Trockenheit nicht löste und obendrauf lag. Manchen Beständen war dies
durch geringere Bestockung anzusehen.
Nach wie vor beherrscht Marthe den Anbau
mit 412 ha Vermehrungsfläche, ist aber deutlich auf dem Rückzug.
Dagegen hat der „Newcomer“ Quench mit einem Anstieg von sieben ha im
Jahr 2007 auf jetzt 354 ha kräftig aufgeholt, die Sorte kann aber noch
nicht endgültig beurteilt werden. Auf der Verliererseite dagegen
Braemar mit einem Rückgang seit 2007 von 184 auf nur noch 21 ha.
Ebenfalls nicht der große Renner neben Marthe war die zum Anbau
empfohlene Sorte Lisanne, die zwar im vergangenen Jahr kräftig zugelegt
hatte, jetzt aber wieder von 109 auf 47 ha Vermehrungsfläche abgefallen
ist.
Kontinuität wahren
Für die Anbauer interessant ist daneben
offenbar die Sorte Streif, deren Vermehrung von einem ha im vergangenen
Jahr bereits auf 50 ha gestiegen ist. Hoffnungsvoll daneben die
Neuzüchtung Grace, deren Versuchsanbau jetzt von der
Bundesarbeitsgemeinschaft der Braugerstenanbauer empfohlen wurde. Auf
dem Schlag von Thomas Hancken in Eixe stand Grace im direkten Vergleich
neben Marthe im Praxisanbau und begeisterte die Rundfahrtteilnehmer mit
ihren langen Ähren und dicken Körnern. Allerdings sei Marthe deutlich
gesünder, stellte Hancken fest. Bei der Sortenwahl sollten aber auch
die Präferenzen und Bedürfnisse der Verarbeiter berücksichtigt werden:
„Wir können nicht ständig die Sorten wechseln“, warnte Seele und
forderte damit eine gewisse Kontinuität im Anbau.