05.11.2010 | 00:00:00 | ID: 7017 | Ressort: Landwirtschaft | Tier

„Tiere darf man töten und essen“

Bonn (agrar-PR) - Tierhaltung und Tierschutz im Fokus der Deutschen Bauern Korrespondenz
„Tiere darf man töten und essen.“ Das sagte Dr. Clemens Dirscherl, Geschäftsführer des Evangelischen Bauernwerks und leitender Agrarreferent der württembergischen Landeskirche im Aktuellen Interview mit der Deutschen Bauern Korrespondenz, dem Monatsmagazin des Deutschen Bauernverbandes (DBV), die in der aktuellen Novemberausgabe den Schwerpunkt „Tierhaltung und Tierschutz – im Fokus“ thematisiert.

Fragen müsse man sich aber, so der Agrarbeauftragte der Evangelischen Kirche Deutschlands, „ob wir Maß halten? Noch nie in der Menschheitsgeschichte wurde soviel Fleisch gegessen wie heute. Wir leben in einer maßlosen Gesellschaft und genau darin besteht die Gefahr, dass die Tiere durch diese Maßlosigkeit ihre Mitgeschöpflichkeit und damit ihre Würde verlieren.“ Wir müssen uns fragen, ob es eine gute Entwicklung ist, wenn Stallanlagen mit wahrhaftig agrarindustriellen Dimensionen entstünden, gab Dirscherl zu bedenken. Grundsätzlich werde alles was mit einer bestimmten Größendimension verbunden ist, im menschlichen Empfinden als „Masse“ in seinen negativen Folgen wahrgenommen: Massentourismus, Massenkonsum und dann entstehe auch die tiefe Skepsis gegenüber einer Massentierhaltung.

Die aktuelle Tierschutzdebatte habe sich, so Dirscherl, schleichend entwickelt. Dafür seien verschiedene Entwicklungen verantwortlich. So speise sich die Diskussion um Tierhaltung aus der Entwicklung in einer naturentfremdeten Gesellschaft, die ihre Grundbedürfnisse befriedigt habe. Die sogenannte Maslow-Bedürfnis-Pyramide besage, dass sich Persönlichkeiten, sobald entsprechende Bedürfnisse gedeckt sind, durch ein besonderes Ausmaß an Selbstentfaltung oder Selbstverständnis definierten. Dirscherl wörtlich: „Diese Selbstentfaltung findet sehr stark im ökologischen Bereich und eben auch beim Tierschutz statt.“ Aus all dem habe sich schließlich ein gesellschaftliches Klima ergeben, „in dem es schon fast zur political correctness gehört, Fleischkonsum kritisch zu sehen“.

Auch sei es keinesfalls ein Widerspruch, wenn allen Tierschutzforderungen der Verbraucher zum Trotz im Supermarkt zum eher günstigen Produkt gegriffen werde. Vielmehr folge dieses Verhalten dem Grundsatz „der Wille ist stark, das Fleisch ist schwach“. Sehr wohl seien sich die Verbraucher um ihren „Sündenfall“ beim Kauf von Billigfleisch im Supermarkt bewusst. Um ihr Verhalten zu kompensieren, „quasi Buße zu tun“, seien sie in Meinungsumfragen umso konsequenter und gäben Peta, Animals Angels oder anderen Tierschutzorganisationen umso bereitwilliger ihre Unterschrift.

 Um diesem Trend entgegenzuwirken, sei es wichtig, dass die Nutztierhalter und ihre Organisationen Verständnis zeigten. Statt zu versuchen, die Diskussion zu versachlichen, riet Dirscherl im dbk-Gespräch, mit der Emotionalisierung einherzugehen. Die Tierhalter müssten klar verdeutlichen, „dass man Verständnis für kritische Anfragen hat, dass man auch als Landwirt  die Tiere mag, sie als Mitgeschöpfe sieht, aber sie gleichzeitig auch dem Menschen zum Nutzen gegeben sind – eben Nutztiere und keine Kuscheltiere.“ Jeder Landesbauernverband und jeder Kreisbauernverband müsse einen Vorzeigestall haben, den die Verbraucher als „gläsernen Modellstall“ ohne Schutzkleidung besuchen können. Damit müsste verdeutlicht werden, dass sich alle Landwirte an diesem Vorzeigeobjekt orientieren, aber nicht jeder Landwirt diesen optimalen Standard erreichen kann – ebenso wenig „wie jedes Kind in der Mietwohnung sein eigenes Zimmer hat oder einen Zugang zum eigenen Garten.“    

Auch Wirtschaftspsychologe und Unternehmensberater Carl Vierboom sieht im Interview mit der dbk den Verbraucher „zwischen Genusswunsch und Schuldgefühl“. Zudem sei Fleisch „banal geworden“, was Vierboom auf die heutigen zahlreichen ernährungsphysiologisch konkurrenzfähigen Alternativen zu Fleisch, aber insbesondere auch auf dessen gesunkenen Preis zurückführt. Auch die Heimtierhaltung, „die immer mehr das Alltagsleben und das Selbstverständnis der Menschen beeinflusst“ und die Tatsache, dass gerade Kinder an das Thema Tier meist über Zoobesuche oder Heimtiere herangeführt werden, seien für Schuldgefühle durch die Nutztierhaltung verantwortlich.

In weiteren Beiträgen von Vizepräsident Franz-Josef Möllers wird die Veredlung als Wirtschaftsfaktor verdeutlicht. Mit welchen gesellschaftlichen Anforderungen und gesetzlichen Bestimmungen die Bauern in Sachen „moderne Tierhaltung und Tierschutz“ konfrontiert sind und was künftig auf sie zukommt, erläuterte Prof. Dr. Jörg Hartung von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Eine weitere ausführliche Argumentation zum Thema „Tierhaltung im Fokus der Gesellschaft“ des Referatsleiters Tierische Erzeugung beim DBV, Roger Fechler, arbeitet Hintergründe und Fakten zum Thema auf.
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