Bonn (agrar-PR) -
Am kommenden Sonntag wird in den christlichen Gemeinden das Erntedankfest gefeiert. Es hat seinen Ursprung in jenen Zeiten, in denen reiche Ernten eine Seltenheit, Missernten mit der Folge katastrophaler Hungersnöte um so häufiger war. Jede Ernte war ein Glücksfall, für den man dankbar sein musste. In
unserer industrialisierten Kultur scheint der notwendige
Erfahrungshorizont für ein Erntedankfest abhanden gekommen zu sein. Ein
überreichliches Angebot an Nahrungsmitteln aus aller Herren Länder ist
in unseren Breiten eine Selbstverständlichkeit geworden. Da mag die
heimische Ernte ausfallen wie sie will, kaum einer nimmt die Ernte
überhaupt noch wahr, wenn er nicht gerade in der Landwirtschaft
arbeitet.
Auch wenn in Deutschland und anderswo in Europa in diesem Jahr
deutlich weniger Getreide geerntet wurde als in den vergangenen Jahren,
brauchen sich die Verbraucher keine Sorgen zu machen, dass Mangel oder
gar - wie oft in früheren Jahrhunderten - eine Hungersnot ausbrechen
wird. Landwirte sichern mit den Marktpartnern im verarbeiteten Gewerbe,
Handwerk und Handel trotz wetterbedingt schwierigstem Vegetationsverlauf
auch in diesem Jahr wieder einen reichlich gedeckten Tisch.
Dennoch ist die Berechtigung von Erntedank aktuell geblieben. Das
gilt insbesondere für Landwirte. Denn der Erfolg ihrer Arbeit bleibt in
hohem Maße von Natur und Wetter abhängig. Wer wochenlang auf wärmeres,
sonnenreiches Wetter, danach vielleicht auf Regen gewartet hat und dann
wieder um gutes Erntewetter zittern musste, sieht eine gute Ernte in
einem anderen Licht. Für ihn gibt es Grund zur Dankbarkeit.
Vergessen sollte man auch nicht, dass die Menschheit insgesamt
weiterhin zwischen Überschuss und Mangel taumelt. Noch leidet ein
Drittel der Weltbevölkerung immer noch an Unterernährung. In weiten
Regionen der Erde ist der Hungertod etwas Alltägliches. In unseren
Breiten muss keiner mehr Angst haben, zu jener großen Zahl von Menschen
zu gehören, die statt "täglich Brot" täglich Hunger haben. Mehr als
bisher muss man deshalb dankbar sein für jedes Kilogramm an Getreide,
das irgendwo auf der Welt zusätzlich geerntet werden kann. Das Erntejahr
2010 sollte deutlich gemacht haben, dass wirklich alle Veranlassung
besteht, auch heute noch für eine gute Ernte dankbar zu sein.