Wädenswil (agrar-PR) - Kaum zu glauben, aber wahr: Aus einer Weinflasche
mit Jahrgang 1895 haben Mikrobiologen der Forschungsanstalt Agroscope
Changins-Wädenswil ACW eine Weinhefe wiederbelebt. Diese Hefe hat man
im Herbst 2008 zum ersten Mal nach 113 Jahren Dornröschenschlaf zur
Weinherstellung eingesetzt. Die alte Hefe zeigt hervorragende
Gäreigenschaften, die entstandenen Weine sind von höchster Qualität und
erhielten an anerkannten Degustationen Goldmedaillen.
Im
Juni 2008 hat das Weingut Reblaube der Familie Schwarzenbach in
Obermeilen am Zürichsee zu einer Weindegustation der Rebsorte
Räuschling eingeladen. Aus-erlesene Weine bis Jahrgang 1895 wurden
degustiert. Die Weine waren trotz ihres Alters zum grössten Teil von
guter Qualität. An einer solch faszinierenden Degustation entstehen
schnell einmal verrückte Ideen: Weinrückstände wurden in sterile
Gläs-chen abgefüllt und als bezahlte Auftragsarbeit an die
Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW gebracht. Und
tatsächlich: Unter dem Mikroskop konnten noch intakte Hefezellen
ausgemacht und auf geeignetem Nährmedium sogar wiederbelebt werden.
Die Gruppe Mikrobiologie von ACW hat somit Weinhefen entdeckt, die
jahrelang in einem Ruhezustand zugebracht haben (so genannter
Dormanz-Zustand). Der Erfolg hat die Forschenden angespornt, zwölf
weitere Jahrgänge auf noch lebende Hefezellen zu untersuchen. In vier
davon wurden sie ebenfalls fündig (siehe Kasten).
Der neue Räuschling aus alten Weinhefen
Die spannendsten Hefestämme für weitere Studien sind natürlich die
drei ältesten aus dem Wein von 1895. Diese wurden 2008 in verschiedenen
Weinkellereien eingesetzt, um Räuschling-Weine herzustellen. Und das
Resultat lässt sich sehen: Die daraus entstandenen Weine wurden bei
Degustationen hervorragend bewertet - etliche mit Goldmedaillen. Viele
Kellermeister waren zudem begeistert, dass sie bei Weinen mit
unerwünschter Restsüsse den Restzucker mit der Weinhefe von 1895
wegbekamen und somit hohe finanzielle Einbussen verhindern konnten. Vor
dem Einsatz von Weinhefe 1895 wären diese Weine zu süss geblieben, um
abgefüllt zu werden und in den Handel zu gelangen.
Dreizehn Jahrgänge untersucht ...
Die ACW-Fachleute haben nicht nur den Wein mit Jahrgang 1895 auf
lebende Weinhefezellen untersucht, sondern auch zwölf weitere
Jahrgänge: 1897, 1911, 1927, 1935, 1936, 1940, 1943, 1944, 1945, 1947,
1959 und 1962. Bei insgesamt fünf Jahrgängen wurden sie fündig: beim
Jahrgang 1895 dreizehn Kolonien Saccharomyces cerevisiae aus drei
verschiedenen Hefestämmen und drei Kolonien von Candida stellata, beim
Jahrgang 1897 siebzehn Kolonien C. stellata, beim Jahrgang 1911
vierzehn Kolonien C. stellata und ein Bakterium, beim Jahrgang 1935
siebzehn Kolonien S. cerevisiae aus zwei verschiedenen Hefestämmen und
beim Jahrgang 1962 siebzehn Kolonien S. cerevisiae aus einem Hefestamm.
Das Vorkommen von S. cerevisiae weist auf gute Jahrgänge hin, und das
Vorkommen von C. stellata ist ein Indikator für feuchte und kalte
Weinjahre.
... und die Studien gehen weiter!
Einer der drei Hefestämme aus dem Wein des Jahrgangs 1895 ist bei
Fachleuten unter dem Namen Kolonie 6 bereits berühmt.
Räuschling-Trauben von drei Betrieben wurden 2008 mit dieser Hefe
vergoren - deshalb heisst der Wein R3.
Die hervorragenden Gäreigenschaften von Hefe 1895 (Kolonie 6)
konnten im Jahr 2009 bestätigt werden. Die Qualität der Weine ist sehr
gut. Und obwohl 2009 etliche Weine zu einem Fehlgeschmack (einem so
genannten Fehlton) tendieren, zeigen Weine kaum einen Fehlton, wenn sie
mit der Hefe 1895 vergoren wurden.
Pilotstudien mit allen drei Hefestämmen aus dem Räuschling 1895
zeigen, dass alle über gute Gäreigenschaften verfügen und qualitativ
gute Weine entstehen. Und das ist noch nicht alles: Die jüngeren der
wiederbelebten Hefestämme (zwei Stämme aus 1935 und einer aus 1962)
zeigen ebenfalls gute Gäreigenschaften, wurden aber bis jetzt erst bei
ACW und nicht unter Praxisbedingungen eingesetzt.
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