22.10.2009 | 00:00:00 | ID: 3103 | Ressort: Umwelt | Pflanze

Forstminister Peter Hauk MdL: "Im Waldnaturschutz nimmt Baden-Württemberg einen Spitzenplatz ein"

Stuttgart (agrar-PR) - Innovatives Alt- und Totholzkonzept zum Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten vorgestellt / Nutzungsverzicht auf rund sieben Prozent der Staatswaldfläche / Investition für den Naturschutz in Millionenhöhe
"Die Alt- und Totholzkonzeption ist ein innovativer Ansatz für eine moderne, integrative Naturschutzstrategie im Wald. Damit werden wir unserer besonderen Verantwortung gerecht und übernehmen eine Spitzenposition im Waldnaturschutz", sagte der baden-württembergische Minister für Ernährung und Ländlichen Raum, Peter Hauk MdL, bei der Vorstellung des neuen Alt- und Totholzkonzeptes für den Staatswald des Landes am Donnerstag (22. Oktober) in Bad Boll (Landkreis Göppingen).

Ziel der Waldbewirtschaftung in Baden-Württemberg sei es, die unterschiedlichen Anforderungen an die Funktionen des Waldes (Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion) auf der gesamten Waldfläche zu erbringen. Deshalb habe die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) gemeinsam mit der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) ein Konzept entwickelt, mit dem Alt- und Totholz im Wirtschaftswald langfristig erhalten, weiterentwickelt und systematisch in die Waldbewirtschaftung integriert werden könne.

"Die Umsetzung eines solchen Konzeptes braucht einen verlässlichen Rahmen: Verkehrssicherungspflicht und Unfallverhütung in der Holzernte auf der einen Seite, grundlegende Stilllegungsforderungen oder der Ruf nach Totholzanteilen von über 60 Kubikmeter je Hektar Wald auf der anderen Seite. Diese Forderungen sind nicht pauschal unter einen Hut zu bringen", so Minister Hauk. Das Konzept sei dynamisch und auf die Bedürfnisse besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten abgestimmt. Es berücksichtige darüber hinaus auch die Anforderungen der Arbeitssicherheit der Waldarbeiter.

"Mit diesem Konzept machen wir einen deutlichen Sprung nach vorne. Wir erhalten ein System, das auf intelligente Weise Lebensraumansprüche und -vernetzung mit der sinnvollen Nutzung des ökologischen Rohstoffs Holz in Einklang bringt. Neben dem knapp einem Prozent Bannwälder, inklusive Schutzwäldern im Biosphärengebiet 'Schwäbische Alb', entstehen durch Habitatbaumgruppen und Waldrefugien auf rund sieben Prozent der Staatswaldfläche (Gesamtfläche 330.000 Hektar) wertvolle Lebensräume und Strukturen, in denen die Natur sich selbst überlassen bleibt. Dabei sind weitere Flächen, die ebenfalls dem Naturschutz dienen, wie zum Beispiel FFH-Gebiete oder Auerwildbiotope nicht berücksichtigt", betonte Hauk. Das Prinzip der naturnahen Waldwirtschaft und der Schutz von Horstbäumen und Großhöhlen, zum Beispiel für den Schwarzspecht, gelte darüber hinaus unverändert auf der gesamten Fläche.

Das neue Konzept bedeute vor allem einen erheblichen Nutzungsverzicht und mache deutlich, dass Naturschutz für die Landesregierung und den neuen Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg (ForstBW) ein strategisches Ziel sei, das konsequent verfolgt werde und auch etwas kosten dürfe. Eine erste Grobschätzung gehe von jährlichen Mindereinnahmen in der Größenordnung von drei bis fünf Millionen Euro aus. Dies sei jedoch eine Investition, die sich langfristig bezahlt machen würde.

Die neu gebildeten Schutzelemente (Waldrefugien und Habitatbaumgruppen, alte Wälder und Baumgruppen) würden dauerhaft gekennzeichnet, beschrieben und kartiert. Die Bäume würden nicht gefällt, sondern dürfen 'uralt' werden, zusammenbrechen und als 'lebendiges Totholz' langsam im Wald zerfallen. Mit dem Konzept würde ein Netz von Schutzbereichen geknüpft, das eine Wanderung der Arten ermögliche. Für die erfolgreiche Umsetzung des Konzepts sei eine breit angelegte Schulungskampagne umgesetzt worden. Über 200 Multiplikatoren aus dem Bereich Forst und Naturschutz seien geschult worden.

"Auch im Hinblick auf den Klimawandel ist es wichtig, eine möglichst große Vielfalt an Arten sowie intakte und belastbare Ökosystem zu erhalten. Wir brauchen dieses Potenzial, damit sich die Natur an die sich verändernden Verhältnisse anpassen kann", ergänzte Forstminister Hauk. Dafür biete das Land eine gute naturräumliche Basis. Bei der Bundeswaldinventur wurden rund die Hälfte der Wälder in Baden-Württemberg in ihrer Baumartenzusammensetzung als 'naturnah' und 'sehr naturnah' eingestuft. Dies sei der höchste Wert im gesamten Bundesgebiet.

Hintergrundinformationen:

Das Alt- und Totholzkonzept für den Staatswald Baden-Württemberg basiert auf den Erkenntnissen über die Lebensraumansprüche derjenigen Waldarten, die besonders auf Alt- und Totholz angewiesen sind. Es wurde von Forst- und Artenschutzexperten gemeinsam in einem Kooperationsprojekt entwickelt.

Die Umsetzung des Alt- und Totholzkonzepts leistet einen aktiven Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt und insbesondere zum Erhalt der europäisch geschützten Altholzarten. Der interdisziplinäre Ansatz gewährleistet die Berücksichtigung der Arbeitssicherheit, Verkehrssicherung und Wirtschaftlichkeit.

Mit dem Alt- und Totholzkonzept werden Waldteile und Baumgruppen aus der Bewirtschaftung genommen und die Bäume der natürlichen Entwicklung und dem Zerfall überlassen. Bei der Auswahl dieser Bäume und Wälder werden drei Gruppen unterschieden:

Besondere Einzelbäume

Zum Beispiel Bäume mit Schwarzspechthöhlen werden markiert und geschützt.

Habitatbaumgruppen

Darüber hinaus werden ganze Gruppen von alten Bäumen ausgewählt, mit weißer Wellenlinie markiert und aus der Bewirtschaftung genommen. Aus diesen Habitatbaumgruppen können uralte Baumveteranen entstehen. Im Laufe der natürlichen Entwicklung sterben die Bäume früher oder später ab, brechen zusammen und zerfallen langsam als lebendiges Totholz. Das enge Nebeneinander und die natürliche Abfolge der unterschiedlichen Habitate in und an den Bäumen erfüllt die Ansprüche einer ganzen Gruppe von Alt- und Totholzarten.

Waldrefugien

Neben den Baumgruppen werden auch Waldbestände nicht weiter bewirtschaftet und sich selbst überlassen. Bei der Auswahl dieser Waldrefugien werden sehr alte Wälder, schwer zugängliche Waldteile, seltene Waldgesellschaften sowie seltene Artvorkommen berücksichtigt und so die 'Juwele der Artenvielfalt' geschützt.

Die Habitatbaumgruppen und Waldrefugien werden gekennzeichnet, kartiert und beschrieben. Durch die Kombination der Schutzelemente entsteht ein engmaschiges Netz von uralten Bäumen und Totholz, das die vorhandene Artenvielfalt schützt und für die seltenen Altholzarten die Möglichkeit zur Ausbreitung und Wiederbesiedlung von Lebensraum schafft.

Beim Weltgipfel in Johannesburg 2002 wurde vereinbart, bis zum Jahr 2010 den Rückgang an biologischer Vielfalt erheblich zu reduzieren. Auch die Initiative 'Countdown 2010' hat zum Ziel, den Verlust an Arten und Lebensräumen bis zum Jahr 2010 aufzuhalten. Die Partner dieser Initiative der Weltnaturschutzorganisation IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) verpflichten sich, hierfür besondere Anstrengungen zu unternehmen. Weltweit sind rund zwei Millionen Arten bekannt. Auf rund 14 Millionen schätzen Experten ihre tatsächliche Anzahl. In Deutschland leben 40.000 bis 50.000 Tierarten und 20.000 Pflanzenarten, rund 75 Prozent davon sind in Baden-Württemberg beheimatet, etwa 30 bis 40 Prozent gelten als gefährdet.
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