Stuttgart (agrar-PR) -
Bienenforscher der Universität Hohenheim untersuchen Wechselwirkungen von Bienenkrankheiten und Pestiziden Um über 50% sank die Zahl der Bienenvölker in Europa in den vergangenen 50 Jahren. Weltweit neue Bienenkrankheiten und zunehmende Umweltbelastung sind die Haupt-Stressfaktoren für Honigbienen. Jetzt wollen Forscher der Universität Hohenheim Ursachen und Auswirkungen des Rückgangs erstmals im Rahmen eines EU-Kooperationsprojektes systematisch untersuchen. Drei Jahre lang werden sie Zusammenhänge zwischen Umwelt, Krankheit und dem Bienenvolk aufdecken. Die EU fördert bei einem Gesamtvolumen von 3,0 Mio. die Hohenheimer Bienenkunde mit 0,25 Mio. und macht das Projekt damit zu einem der Schwergewichte der Forschung in Hohenheim. Insgesamt elf Universitäten aus neun Ländern beteiligen sich an dem Forschungsprojekt.
Mit verkrüppelten Flügeln kommt die frisch geschlüpfte Biene zur
Welt. Das fleißige Helferlein kann damit seine Aufgaben für den
Bienenstock nicht oder nur unzureichend erfüllen. Die Varroa-Milbe hatte
sich bereits in der Brutzelle eingenistet und dort Bienenblut von Larve
und Puppe gesaugt, teilweise mit schwerwiegenden Folgen. Häufig
erkranken die Bienen gleichzeitig auch an Sekundärinfektionen, wie dem
“Bienenparalysevirus“ oder dem „Verkrüppelten-Flügel-Virus“.
Immer neue Bienenkrankheiten wie die Varroa-Milbe werden nach Europa
eingeschleppt und breiten sich rasend aus. Doch für den Rückgang der
Bienenvölker machen die Wissenschaftler um Dr. Peter Rosenkranz von der
Landesanstalt für Bienenkunde der Universität Hohenheim neben der
Varroa-Milbe weitere Ursachen aus: Zunehmende Intensivierung des
imkerlichen Managements, hinzu kommen Rückstände von
Pflanzenschutzmitteln, die die Honigbienen beim Genuss des Nektars mit
aufnehmen. Vor allem in der Kombination können diese Faktoren
lebensbedrohlich sein. „Das Hauptproblem ist das Zusammentreffen von
Varroa, dem Nosema-Erreger und verschiedene Bienenviren als
Sekundärinfektionen, sowie die zunehmende Belastung der Umwelt durch
Pestizide“, meint Peter Rosenkranz. Im alljährlichen Überlebenskampf der
Bienenvölker vor dem Winter könnten diese vielfältigen Faktoren zum
Todesstoß werden.
Hohe Überwinterungsverluste in Europa und den USA
„Die Imker in Europa und den USA verzeichneten im vergangenen Winter
erneut Bienenvolkverluste von 20 bis 35%. 10-15% werden noch als normal
angesehen“, sagt der Bienenkundler. Europaweit gesehen nimmt die Zahl
der Bienenvölker immer weiter ab, wodurch nicht nur die Honigproduktion
abnimmt, sondern die Dichte an Bestäubern vor allem in der
Kulturlandschaft bedrohlich zurückgeht.
Erstmals in Europa wollen die Forscher jetzt testen, wie die
verschiedenen Kombinationen aus Pestizid, Sekundärkrankheiten,
Nosema-Erregern und Varroa-Krankheit als Haupt-Stressfaktoren auf die
Bienenvölker wirken. Dazu bilden sie vier verschiedene Gruppen, die sie
erst verschiedenen Umweltchemikalien und dann verschiedenen Krankheiten
aussetzen.
Chemie, Krankheit, Bienenvolk
„Wir orientieren uns an einem Szenario, wie es auch bei den
Honigbienen draußen vorkommen kann“, sagt Peter Rosenkranz. „Die
Honigbienen sind wochenlang verschiedenen Wirkstoffen aus dem
Pflanzenschutz und der Varroa-Bekämpfung ausgesetzt und zwar in
verschiedenen Kombinationen. Zusätzlich können sie sich die
verschiedensten Krankheitserreger einfangen“.
Alle diese Fälle spielen die Wissenschaftler in ihren Versuchen mit
vier Bienengruppen durch. Die Kontrollgruppe soll so gesund bleiben wie
sie war, sie wird möglichst ohne Belastungen gehalten. Der zweiten
Gruppe füttern die Wissenschaftler geringe Mengen an
Pflanzenschutzmitteln. Den Bienen in der dritten Gruppe wird ein
Wirkstoff zugesetzt, das Imker im Kampf gegen die Varroa-Milbe
verwenden. Die vierte Gruppe bekommt schließlich eine Kombination aus
beiden Chemikalien, also ein Pestizid und das Varroa-Bekämpfungsmittel,
verabreicht.
„Honigbienen sind in der Natur all diesen Belastungen über längere
Zeit ausgesetzt“, sagt Peter Rosenkranz. Darum werden die Gruppen
mehrere Wochen zur Beobachtung gehalten. Dann kommen die
Krankheitserreger ins Spiel. Mit Varroa oder Nosema werden die vier
Gruppen gezielt infiziert und auf ihre Wechselwirkungen mit den
Stressfaktoren getestet.
Welche Kombination schadet am meisten?
In einem sogenannten Käfigtest untersuchen die Bienenforscher dann
jede einzelne Biene mit ihrem individuellen Krankheitsbild. Je nach
Kombination der Stressfaktoren können insgesamt 20 bis 30
unterschiedliche Ausprägungen vorkommen.
Deren Zusammenspiel wollen die Wissenschaftler jetzt an den Bienen
testen. Das Team um Peter Rosenkranz beobachtet, wie sich die beiden
Krankheitserreger vermehren und welche Symptome die unterschiedlichen
Bienen-Typen zeigen, je nach ihrer Vorbelastung mit anderen Faktoren.
Hintergrund: Schwergewichte der Forschung
Rund 26 bzw. 32 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher
der Universität Hohenheim allein in den beiden vergangenen Jahren. In
loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“
herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von
mindestens einer Viertelmillion Euro, bzw. 125.000 Euro in den
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.