Berlin (agrar-PR) - Der Deutsche Naturschutzring (DNR) sieht in der
Bundestagswahl eine Richtungswahl. "Entweder erleben wir die
Wiederauferstehung entfesselter Märkte und die Jagd auf kurzfristige
Renditen oder wir schaffen im letzten Augenblick den Einstieg in eine
nachhaltige Entwicklung", betonte DNR-Präsident Hubert Weinzierl. Die
Bundesregierung sei meilenweit davon entfernt, die Ziele der nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie zu erreichen. Daher bedürfe es der
Kurskorrektur insbesondere in den Bereichen der Finanzmärkte, der
Steuerpolitik und der umweltschädlichen Subventionen, in der
Klimapolitik und in der Hinwendung auf nachhaltigen Konsum. Deutschland
brauche einen ökologischen New Deal, der mit Investitionen in
innovative grüne Technologien und in eine nachhaltige Infrastruktur
gleichzeitig zu einer Stabilisierung der Konjunktur führe und den
Klimaschutz vorantreibe.
Wirtschaftskrise, Klimakrise, Energiekrise,
steigende Rohstoffpreise und eine wachsende soziale Spaltung hätten
ihre gemeinsame Ursache in der Entfesselung der Märkte. Auf der Jagd
nach kurzfristiger Rendite werde dort die Zukunft verspielt und soziale
Verantwortung klein geschrieben. Deshalb müssten die Finanzmärkte
reguliert und Nachhaltigkeit zum Kompass der Wirtschaftspolitik werden.
Das bedeute auch, dass die Preise endlich die ökologische Wahrheit
sagen müssten: Derjenige, der die Umwelt belaste, solle auch dafür
bezahlen müssen. Als größter Irrtum habe sich der geradezu abgöttische
Glaube an das quantitative Wirtschaftswachstum erwiesen. Seit 1950 habe
sich unser Straßennetz von 350.000 auf etwa 700.000 Kilometer
verdoppelt, statt 1,5 gebe es inzwischen 54 Millionen Kraftfahrzeuge
und der tägliche Landverbrauch betrage über 100 Hektar. Die nachholende
Industrialisierung und das hohe Bevölkerungswachstum in großen
Erdregionen verschärften die Ressourcenkonflikte. Wir müssten lernen,
mit Grenzen und Endlichkeit unseres gemeinsamen Planeten Erde
umzugehen.
Auf die Herausforderungen der Zeit habe auch die
Landwirtschaftspolitik der letzten Jahre nicht angemessen reagiert,
sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND). Staatlich geförderte Überproduktion und
Exportsubventionen hätten im Handel zu einer aggressiven Preispolitik
geführt und viele Höfe in den Ruin getrieben. Es sei ein von der
Politik zu verantwortender Skandal, dass sich Milchbauern nicht anders
zu helfen wüssten, als Milch zu vernichten. Die in der kommenden
Legislaturperiode anstehende Reform der Agrarsubventionen müsse zur
Umverteilung der EU-Gelder führen. Vor allem umwelt- und sozialbezogene
Leistungen müssten künftig stärker gefördert werden. Der BUND forderte
die Ausweitung des ökologischen Landbaus auf zunächst 20 Prozent der
Fläche bis 2020. Nur so ließen sich die Ernährungsgrundlagen sichern,
neue Marktchancen erschließen und die Klimagasemissionen verringern.
"Ich vermisse klare Aussagen der Bundeskanzlerin zur künftigen
Agrarpolitik", sagte Weiger. Auch beim Thema Gentechnik sei Angela
Merkel gefragt. "80 Prozent der Deutschen wollen keine Gentechnik im
Essen. Selbst 60 Prozent der FDP-Wähler sind dagegen. FDP und Union
aber wollen die Gentechnik auf dem Acker durchsetzen. Wir warnen die
potentiellen Koalitionäre Union und FDP vor Wunschträumen. Wie schon
bei der CSU wird es für sie ein böses Erwachen geben, wenn sie auf
Gentechnik setzen und am Ende den Protest der Bauern und Verbraucher
ernten", sagte Weiger.
Der NABU fordert ein Bundesprogramm Biologische
Vielfalt. Ziel muss es sein, die in Deutschland beschlossenen
Naturschutzmaßnahmen (Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt)
gegen den Verlust von Arten und Lebensräumen zu bündeln und gemeinsam
mit Bundesländern, Kommunen, Eigentümern und Landnutzern
voranzutreiben. Bis 2012 müssten dazu mindestens 300 Millionen Euro
jährlich bereit gestellt werden. Die Mittel sollten unter anderem aus
den Einnahmen des Emissionshandels sowie den Einsparungen beim
Unterhalt von Bundesverkehrswegen kommen.
Ferner müssten in den kommenden zehn Jahren 125
Querungen für wandernde Tierarten (Grünbrücken) über Schnellstraßen zur
Vernetzung von Tierlebensräumen errichtet werden.
"Im Alltag ist der Schutz von Arten und
Lebensräumen noch längst nicht etabliert. Das Ziel der EU-Staats- und
Regierungschefs, den Artenverlust bis zum Jahr 2010 zu stoppen, wird
auch in Deutschland unter den jetzigen Voraussetzungen nicht erreicht
werden", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Drei Viertel der hier
vorkommenden Lebensräume, ein Drittel der einheimischen Tierarten und
über ein Viertel der national vorkommenden Pflanzen seien nach wie vor
akut gefährdet. Ferner sind wertvolle Lebensräume durch die intensive
Land- und Landforstwirtschaft beeinträchtigt.
Angesichts des Verzichts des
Bundesverteidigungsministers, die fast 150 Quadratkilometer große
Kyritz-Ruppiner-Heide im Nordosten Brandenburgs als "Bombodrom" zu
nutzen, forderte der NABU die Bundesregierung auf, diese als Nationales
Naturerbe zu sichern.
Greenpeace sieht die Bundestagswahl als
energiepolitische Richtungsentscheidung: Entweder die neue
Bundesregierung schafft die Energiewende mit dem schnellen Ausbau der
Erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne, Wasser oder sie klammert sich an
die alten gefährlichen Technologien wie die Atomkraft. Atomkraft
blockiert den Ausbau einer klimaschonenden Energieversorgung.
Greenpeace veröffentlicht heute das Ergebnis einer von TNS emnid
durchgeführten Meinungsumfrage. Danach sprechen sich 60 Prozent der
Befragten gegen eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken aus. 35
Prozent stimmten dafür. Vor vier Jahren waren nur 46 Prozent gegen eine
Laufzeitverlängerung alter Atommeiler und 43 Prozent dafür.
Brigitte Behrens, Geschäftsführerin von Greenpeace:
"Asse, Krümmel, Gorleben. Ein Desaster folgt dem anderen. Die aktuelle
Umfrage zeigt: Die Menschen haben endgültig genug von Atomkraft. Wir
rufen die Bevölkerung auf, sich an der Bundestagswahl zu beteiligen und
Umweltzerstörung abzuwählen. Die kommende Bundesregierung muss den
Atomausstieg beschleunigen. Die sieben ältesten Reaktoren und der
Pannenreaktor Krümmel müssen in der nächsten Wahlperiode endlich vom
Netz. Und es muss ernst gemacht werden mit einer vergleichenden
Endlagersuche für Atommüll – unter Ausschluss vom ungeeigneten
Salzstock in Gorleben."
Der WWF zieht in Bezug auf die Klimapolitik der
Bundesregierung eine kritische Bilanz. Das Integrierte Energie- und
Klimaprogramm (IEKP) sei darin ein positives Element, dessen Ziel
jedoch ohne Nachsteuern wegen lückenhafter Umsetzung verfehlt werde.
Die Klimaschutzanforderungen an Industrieländer hätten sich aber in den
letzten Jahren noch einmal verschärft. "Damit Deutschland seinen
Beitrag dazu leisten kann, den durchschnittlichen Anstieg der
Erdtemperatur auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, muss ein neuer Geist
in die gesamte kommende Bundesregierung einziehen!", sagt
WWF-Geschäftsführer Brandes. "Was wir dazu im Wahlkampf vernehmen
konnten, war bei weitem zu wenig."
In den kommenden vier Jahren müsse das Fundament
gelegt werden, um den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2050 auf Null zu
fahren. Die neue Regierung müsse ab sofort in allen Sektoren umsteuern
und die Weichen für einen schnellstmöglichen Umstieg auf einhundert
Prozent Erneuerbarer Energien stellen. Die Planung neuer
Kohlekraftwerke, die noch über Jahrzehnte massenhaft CO2
ausstießen, schließe eine solche Strategie aus. Zwingend notwendig sei,
ein solches Programm durch ein Klimaschutzgesetz gegen politische
Stimmungsschwankungen abzusichern.
Brandes betont, dass die kommende Bundesregierung
vor dem bevorstehenden UN-Klimagipfel in Kopenhagen wieder sehr viel
stärker eine Führungsrolle wahrnehmen müsse. Eine konkrete und
ausreichende – auch finanzielle – Unterstützung der Entwicklungs- und
Schwellenländer bei Klimaanpassung, Emissionsminderung,
Technologietransfer und Regenwaldschutz müsse vorangebracht werden.
"Wenn wir die die Erderwärmung, also auch die Zerstörung der Klima
stabilisierenden Regenwälder, nicht stoppen, ist mindestens ein Drittel
der globalen Artenvielfalt bedroht", sagt WWF-Geschäftsführer Brandes.
Eine zentrale Forderung des WWF sei daher, dass die Bundesregierung
ihre Erlöse aus dem Emissionshandel im Gegensatz zur jetzigen Praxis zu
einhundert Prozent für den Klimaschutz einsetzt.