27.10.2023 | 17:46:00 | ID: 37862 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarpolitik

Warum Gentechnik - alte und neue - reguliert bleiben, muss!!

Brüssel (agrar-PR) - Zehn Forderungen zum Vorschlag der Kommission zur neuen Gentechnik-Regelung.
Die EU-Kommission hat am 5.7.2023 einen Verordnungsvorschlag für ‚neue genomische Techniken‘ veröffentlicht.

Knapp gesagt beinhaltet dieser eine Deregulierung der Zulassung von Pflanzen, die mit Neuer Gentechnik hergestellt wurden. Der Vorschlag sieht keinerlei Risikobewertung mehr und widerspricht damit sogar der Empfehlung der eigenen Behörde (EFSA). Der Vorschlag hat bislang wenig Medienecho und Aufmerksamkeit in der Zivilbevölkerung bekommen. Dabei hat er das Potential, die Landwirtschaft noch mehr den Konzernen auszuliefern und sämtliche Wahlfreiheit für Produzenten und Konsumenten, die gentechnikfrei arbeiten und essen wollen, unmöglich zu machen.

Den Grünen wird gerne vorgeworfen, ideologisch zu agieren und die Wissenschaft außen vor zu lassen in Bezug auf die Gentechnik. Dem möchte ich aufs energischste widersprechen. Wissenschaftliche Publikationen zu den Unwägbarkeiten, Risiken und nicht betrachteten Fragestellungen in Bezug auf die Gentechnik gibt es zahlreiche, sie werden von der Kommission genauso ignoriert, wie von vielen gentechnikbefürwortenden Wissenschaftler:innen. Es ist auch keineswegs so, dass wir die Gentechnik verbieten wollen, aber wir bestehen auf Risikoprüfung, Kennzeichnung und der Klärung der Patentfrage zum Schutz von Mensch und Natur.

Aktuell gibt es wenige Belege dafür, dass die mit der Neuen Gentechnik erzeugten Pflanzen tatsächlich entscheidend zur Lösung der Probleme Klimawandel und Biodiversitätsverlust beitragen können. Bislang sind keine Sorten auf dem Markt, die die Versprechungen tatsächlich wahrgemacht hätten. Die Vermutung liegt nahe, dass unter dem Deckmantel ‚Nachhaltigkeit‘ Sicherheitsregularien über Bord geworfen werden sollen um damit Designerpflanzen den Weg zu bereiten. Oder kann man etwa mit blutdrucksenkenden Tomaten oder nicht matschenden Bananen die Weltprobleme lösen?

Es steht zu viel auf dem Spiel als dass wir dem möglichen Potential einer neuen Technik, ungeprüft zu viel zutrauen sollten. Die Vorschusslorbeeren haben die Verfahren der Neuen Gentechnik nicht verdient und sie müssen deshalb auch in Zukunft streng reguliert bleiben.

In meinem Briefing gebe ich einen Überblick über den Vorschlag der EU-Kommission, die Position der konservativen Verhandlungsführerin im Europäischen Parlament und das weitere legislative Verfahren, das über die weitere Ausgestaltung – oder das Zurückziehen – dieses Vorschlags entscheiden wird. Das Briefing führt außerdem aus, warum es fahrlässig wäre, den Vorschlag zur Deregulierung der Neuen Gentechnik Gesetz werden zu lassen und welche Hauptgründe gegen die Deregulierung sprechen.

Auch der umfangreichen Faktencheck zu Gentechnik liegt nun in aktualisierter Form vor.

Zehn Forderungen zum Vorschlag der Kommission zur neuen Gentechnik-Regelung

Gentechnik - alte und neue - muss reguliert bleiben,

1. weil auch die Neue Gentechnik (NGT) eine Risikotechnologie ist, was viele Studien zu ungewollten Effekten zeigen - sie ohne Risikoprüfung einzusetzen, ist fahrlässig. Jeder Staubsauger muss ausführlichen Sicherheitstests unterzogen werden, bevor er in Betrieb genommen werden darf. Jedes Novel-Food-Lebensmittel wird streng geprüft.
2. weil Wahlfreiheit bei Lebensmitteln in der EU ein hohes Gut ist. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen selbst entscheiden können, ob sie Produkte kaufen, die mit oder ohne Gentechnik hergestellt wurden. Genauso wie man sich über den Zucker- oder Fettanteil eines Produktes beim Einkaufen informieren kann, muss das auch bei Gentechnik-Bestandteilen möglich sein. Dafür braucht es eine entsprechende Kennzeichnung.
3. Weil eine Co-Existenz von Gentechnik-Betrieben und Betrieben, die ohne Gentechnik wirtschaften wollen, mit dieser Regelung nicht möglich ist.
4. weil der Vorschlag die Farm-to-Fork Strategie konterkariert. Er steht völlig im Widerspruch mit dem Ziel, den gentechnikfreien Ökolandbau zu steigern, da er diesen massiv erschwert.
5. weil Vorsorge besser als Nachsorge ist. Die Interaktionen von NGT-Pflanzen im Freiland mit der Umwelt sind nicht ausreichend untersucht, um sie als ungefährlich einstufen zu können.
6. weil es unverantwortlich ist, von den Herstellern kein Referenzmaterial und keine Nachweismethoden zu verlangen, damit ist Kontrolle durch öffentliche Stellen unmöglich und Konzerne können nach Gutdünken mit Lizenzforderungen agieren.
7. weil die „Gleichwertigkeit“ von NGT mit herkömmlich gezüchteten wissenschaftlich nicht haltbar ist, es gibt dafür keinerlei wissenschaftlich anerkannte Referenzmethode. Die Annahme ist rein politisch konstruiert und folgt einer unwissenschaftlichen Lobbyargumentation. Risikobewertung und Nachverfolgung müssen bleiben.
8. weil wir frei nutzbares Saatgut für Züchterinnen und Züchter wollen, die damit lokal angepasste Sorten weiterzüchten können. Gentechnik-Saatgut ist patentiert und damit von der weiteren gemeinsamen Züchtung ausgeschlossen. Das verhindert Innovation.
9. weil uns die rasante Erderwärmung und der Artenschwund demonstrieren, dass ein Arbeiten mit der Natur erforderlich ist und nicht ein Weiter-so-wie bisher, verbunden mit der Hoffnung, dass die neuen Techniken uns aus der Patsche helfen werden. Daher dürfen agrarökologisch wirtschaftende Betriebe nicht durch Gentechnikkontamination beeinträchtigt werden.
10. weil Gentechnik nicht geeignet ist, um klimaangepasste Bewirtschaftungssysteme zu entwickeln, das sagt sogar die Schweizer Ethikkommission. Eine „Nachhaltigkeitskennzeichnung“, wie von der Kommission vorgesehen, ist daher mehr als zweifelhaft.

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