02.09.2011 | 15:49:00 | ID: 10591 | Ressort: Umwelt | Tier

Minister informiert sich über aktuelle Erkenntnisse der Wildkatzenforschung in Baden-Württemberg

Vogtsburg-Oberrotweil (agrar-PR) - Forst- und Naturschutzminister Alexander Bonde: „Wildkatze fühlt sich im Land wieder zunehmend heimisch“

„Mit der Wildkatze ist eine Tierart, die bis vor kurzem als ausgestorben galt, wieder in einigen Teilen Baden-Württembergs heimisch geworden. In den Rheinauen nahe dem Kaiserstuhl fühlt sie sich offensichtlich so wohl, dass sie dort sogar ihren Nachwuchs aufzieht. Um diese Wildart und deren Lebensräume auch weiterhin zu schützen und zu erhalten, geben die aktuellen Ergebnisse der Wildkatzenforschung wertvolle Hinweise und Hilfestellungen“, sagte der baden-württembergische Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Alexander Bonde, am Freitag (2. September) in Vogtsburg-Oberrotweil (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) bei einer Pressefahrt zum Thema „Europäische Wildkatze in Baden-Württemberg“.

Die Wiederbesiedlung der auch bundesweit seltenen Wildkatze freue ihn ganz besonders, zumal sich die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg engagiert für den Erhalt der Artenvielfalt einsetze, sagte der für Forst und Naturschutz zuständige Minister auf seiner Sommertour. Dieser Erfolg basiere auf einer naturnahen Bewirtschaftung durch Forstleute und Waldbesitzer sowie auf der wissenschaftlichen Kompetenz der Forschungseinrichtungen im Land. „Maßgeblichen Anteil daran haben auch die vielen ehrenamtlichen Naturschützer ‑ insbesondere des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ‑ und die Jäger im Land, die die Wissenschaftler der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) beim Nachweis tatkräftig unterstützen und sich für den Biotopverbund einsetzen“, betonte Bonde.

Die Wildkatze gelte als eine Leit- und Zielart für den Biotopverbund des Waldes. Allerdings sei sie vor allem durch den Straßenverkehr und die Zerschneidung ihrer Lebensräume bedroht, erläuterte der Minister: „Zur weiteren Verbreitung der Wildkatze und anderer Großsäugetiere brauchen wir die Vernetzung der Lebensräume. Wildtierkorridore müssen in Zukunft bei Eingriffen in die Natur daher noch stärker berücksichtigt werden.“

Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse habe die FVA im Auftrag des Landes daher einen Generalwildwegeplan (GWP) erarbeitet, der die überregionalen Verbindungen zwischen den bedeutenden Wildtierlebensräumen in Baden-Württemberg und zu benachbarten Ländern fundiert darstelle. Dieser markiere die überörtlichen Wanderstrecken von Wildtieren und verbinde die großen Waldgebiete im Land, so Bonde. „Der Generalwildwegeplan wurde in die Fortschreibung des Generalverkehrswegeplanes aufgenommen. Er muss als wissenschaftlich fundierte Informations-, Planungs- und Abwägungsgrundlage bei raumwirksamen Vorhaben berücksichtigt werden“, ergänzte der Minister. Der grün-rote Koalitionsvertrag sehe vor, den GWP fachlich weiterzuentwickeln und in die Regional- und Verkehrsplanung zu integrieren.

Hintergrundinformationen:

Biologie der Wildkatze:

Die Wildkatze (Felis silvestris silvestris) ist ein Bewohner großer zusammenhängender Wälder und abwechslungsreicher Wald-Feld-Gebiete. Zudem sonnt sie sich gerne an Felsen, aber auch an Baumstümpfen. Unterschlupf findet sie unter Felsen, Wurzeltellern, Baumhöhlen, in Dachs- und Fuchsbauten sowie in Reisighaufen. Waldarme Kulturlandschaft meidet sie ebenso wie Gebiete, die lange von einer geschlossenen Schneedecke bedeckt sind. Ihre Reviere sind zwischen 100 und 3000 Hektar groß.

Sie jagt dort, wo ihre Hauptbeute, die Wühlmäuse, am zahlreichsten sind (Waldränder und Säume, (Wald-) Wiesen, totholzreiche alte Wälder). Die Wildkatze ist ein reiner Fleischfresser. Neben (Wühl-) Mäusen, ernährt sie sich von Vögeln, Fischen und Reptilien - selten auch von Kaninchen und größeren Beutetieren.

Für die Wildkatze gilt laut Bundesjagdgesetz eine ganzjährige Schonzeit. Sie steht auf der Roten Liste Deutschland (Kategorie 2, stark gefährdet) und auf der Roten Liste Baden-Württemberg (Kategorie 1, vom Aussterben bedroht).

Vorkommen der Wildkatze:

In Baden-Württemberg galt die Wildkatze seit 1912 als ausgestorben. Im Januar 2006 wurde der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg eine überfahrene Katze bei Breisach am Kaiserstuhl gemeldet, die zweifelsfrei als Wildkatze bestätigt werden konnte. Ein zweiter Wildkatzennachweis gelang ein Jahr später ‑ wiederum am Kaiserstuhl.

Seither lief eine systematische Fahndung nach der Wildkatze auch in anderen Regionen, die von der FVA, der Wildforschungsstelle in Aulendorf (WFS) und dem BUND mit der Lockstock-Methode durchgeführt wurde. Dabei werden die Katzen mittels Baldrian an eine angeraute Holzlatte (= Lockstock) gelockt und hinterlassen beim Reiben daran Haare. Über eine genetische Analyse konnten mit dieser Methode insbesondere im Kaiserstuhl und in der Rheinebene zahlreiche Wildkatzen nachgewiesen werden.

Aufgrund der bisherigen Untersuchungen lässt sich für Baden-Württemberg ein wissenschaftlich bestätigtes Wildkatzenvorkommen in der Rheinebene mit Schwerpunkt in den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen bestätigen. Für weitere Gebiete (Bühl/Baden-Baden, Karlsruhe, Esslingen und den Naturpark Stromberg-Heuchelberg) liegen in geringer Zahl ebenfalls genetische Nachweise vor. Der BUND hat am 19.08.2011 einen genetischen Nachweis für den Ostalbkreis veröffentlicht. Sämtliche Daten werden im Rahmen des von der FVA durchgeführten Wildtiermonitorings (www.wildtiermonitoring.de) erfasst.

In enger Zusammenarbeit mit der Wildforschungsstelle, den Wildtierbeauftragten und dem BUND sind weitere Untersuchungen zur Verbreitung und Populationsgröße und Verwandtschaftsbeziehungen geplant.

Telemetrieprojekt bei der FVA:

Im Rahmen eines für den Zeitraum 2009 bis 2014 angelegten Forschungsprojekts wurden bisher 15 Wildkatzen im Kaiserstuhl und den angrenzenden Rheinauen gefangen und mit GPS-Halsbändern zur Gewinnung telemetrischer Daten versehen. Damit kann das Raum-Zeit-Verhalten von Wildkatzen im Hinblick auf die Lebensraumqualität in der Rheinebene untersucht und die Gefährdungen für die Population durch vom Menschen verursachte Eingriffe in Natur und Landschaft eingeschätzt werden.

Darüber hinaus wird die Verbindung der Wildkatzenvorkommen im Oberrheingebiet mit dem Vorkommen in den benachbarten Ländern (Frankreich, Schweiz) untersucht. Hier sollen genetische Verwandtschaftsanalysen Aufschluss über den Austausch, die Populationszusammensetzung und gegebenenfalls über die geschichtliche Entwicklung des Wildkatzenvorkommens geben. (PD)

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