Bad Kreuznach (agrar-PR) - 16.07.2010
Eine Schattenseite des anhaltenden Biogasbooms erleben vielerorts
Landwirte, die sich nicht der Energieproduktion verschrieben haben. Wer
weiterhin auf Ackerbau, Milcherzeugung oder Fleischproduktion setzt,
sieht sich zunehmend der Konkurrenz mit der landwirtschaftlichen
Energiewirtschaft ausgesetzt. Bei zwei Ortsterminen in Hunsrück und
Eifel diskutierte Ökonomierat Norbert Schindler MdB, Präsident der
Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, mit Landwirten,
Verbandsvertretern und Kommunalpolitikern die aktuelle Entwicklung.
Ökonomierat Leo Blum, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes
Rheinland-Nassau bezeichnete den Betrieb von Biogasanlagen als eine für
die Landwirtschaft notwendige Produktionsalternative. Schindler und
Blum stimmten allerdings darin überein, dass Anlagenbetrieb und
Energiepflanzenanbau wirtschaftlich, aber auch ökologisch und sozial
verträglich sein müssen.
Zusammen
mit den beiden Vizepräsidenten der Kammer Heribert Metternich und
Rudolf Schneichel sowie dem Mitglied des Kammervorstands und
Europaabgeordneten Christa Klaß hatte sich Präsident Schindler im
Rahmen seiner regelmäßigen Kreisbereisungen in den Landkreis
Trier-Saarburg begeben. Die anhaltend schlechten Preise für Milch und
Getreide, der hohe Bürokratieaufwand wurden den Berufsvertretern dort
als neben den aktuellen Widrigkeiten der Natur als größte Belastungen
vorgetragen. Aber auch die Folgen der Flächenkonkurrenz zwischen
Nahrungs- und Energieproduktion. 500 Euro pro Hektar und Jahr werden
auch in den Höhenregionen des Hunsrück stellenweise bereits als
Landpacht gezahlt, weiß Hans-Peter Reichert, der um Reinsfelld 140 ha
Acker- und Grünland bewirtschaftet und 140 Milchkühe im Stall stehen
hat. Der Bau zahlreicher Biogasanlagen habe einen regelrechten
Landhunger ausgelöst, der die Pachtpreise in die Höhe treibt. Bei jeder
Neuverhandlung mit Kommunen, Kirchen oder privaten Verpächtern gehe es
auch um mehr Geld. Diese Entwicklung betrachtete die Gesprächsrunde
übereinstimmend als Wettbewerbsverzerrung, da in der gesamten
Nahrungsmittelproduktion und insbesondere bei Milcherzeugern und
Getreideanbauern eine Kompensation durch höhere Erzeugerpreise nicht in
Sicht sei, während die Produktion von Biogas, der Verkauf von Abwärme
sowie der Anbau von Energiepflanzen zur "Fütterung" der Anlagen durch
die Einspeisevergütung gewinnbringend zu betreiben sei. Wenngleich im
Hunsrück die Biogas-Dichte nicht so hoch ist wie beispielsweise in der
Eifel und hier vor allem im Kreis Bitburg-Prüm, macht sich auch hier
bereits die Flächenkonkurrenz bemerkbar. Reichert stellt sich der
verschärften Wettbewerbslage mit einer intensiven Ausrichtung seines
Betriebes auf Direktvermarktung.
Die
Milcherzeuger zahlen nach Worten von Robert Bellersheim, der in
Trierweiler 165 ha bewirtschaftet und 50 Milchkühe in einem modernen
Boxenlaufstall hält, bei den gegenwärtigen Literpreisen von ca. 29 Cent
schlichtweg drauf. Die ständig steigenden Betriebskosten belasteten
jede Kalkulation und machten Investitionen zu schwierigen Unterfangen.
Bellersheim nutzt jede Möglichkeit von Kosteneinsparung und von
Einkommensalternativen, wie etwa die Einrichtung einer
Grünschnittannahmestelle. Als Partner des Landkreises Trier-Saarburg
nimmt er Grünabfälle vom Rasen bis zu Hecken und Ästen von Bürgern aus
den Umlandgemeinden an. Etwa 2.000 Kubikmeter Grünschnitt kommen so pro
Jahr auf der Sammelstelle an, werden hier gehächselt und zur
Humusbildung und Förderung des Bodenlebens auf den Feldern ausgebracht.
Auf diese Weise werde ein ökologischer Nutzen und ein ökonomischer
Nutzen in Übereinstimmung gebracht. Die Verbandsvertreter um
Kammerpräsident Schindler bezeichneten die Kooperation von
landwirtschaftlichem Betrieb und Kreisverwaltung als Einrichtung mit
Modellcharakter, an der seitens der Verwaltung in der Hoffnung auf
höhere Gebühreneinnahmen nicht gerüttelt werden dürfe