Bad Kreuznach (agrar-PR) - Paul Bocuse, der Pionier der Nouvelle Cuisine und
Grandseigneur des gehobenen kulinarischen Genusses, hat kürzlich im
Interview mit der Tageszeitung Le Figaro drastisch zum Ausdruck
gebracht, wie sehr ihn die Konfrontation mit Weinwissen beim Weingenuss
stört. Für zulässig hält er lediglich die Fragen "Ist er gut?" und "Hat
er Ihnen geschmeckt?" und tut weitergehende Erläuterungen als
"Geschwätz" ab. Die Beschaffenheit und Qualität eines Weines auf gut
oder schlecht und auf die Kompatibilität mit dem individuellen
Geschmacksempfinden zu reduzieren, kommt aus berufenem Munde.
Widerspruch darf dennoch angebracht werden. Das Thema Wein ist zu
komplex, um es auf einfachste Bewertungsparameter zu reduzieren.
Ist eine differenzierte Bewertung schon Geschwätz?
Die Frage "Ist er gut?", kann nicht als Frage
gemeint sein nach der Güte eines Weins im Sinne seiner Position
innerhalb der Hierarchie der Qualitätsstufen oder im Sinne der
Rebsortentypik, der regionalen Authentizität oder der Originalität von
Terroir oder Jahrgang. Dann würde die Frage nämlich den oenologischen
Fachvortrag provozieren, den der Meister nun gerade nicht hören will.
Der Fragesteller soll nur ein "Ja" oder ein "Nein" ernten und kein
"Geschwätz". Mit "gut" kann er daher nur meinen "genießbar", so wie
Milch gut ist, die noch nicht sauer geworden ist, oder Brot gut ist,
das noch nicht hart oder schimmelbefallen ist. Die Frage "Hat er Ihnen
geschmeckt?" duldet als Antwort gleichfalls nur ein "Ja" oder ein
"Nein". Ein "Ja, aber er passte nicht zum Hauptgericht." wäre demnach
schon unzulässig, weil diese Antwort einen "geschwätzigen" Austausch
über Aromen sowie die Korrespondenz und Verträglichkeit
unterschiedlicher geschmacklicher Nuancen provozieren würde. Ebenso
unzulässig ist ein "Nein, aber am Nachmittag auf der Terrasse hätte ich
ihn gemocht.", weil eine Erörterung über das geschmackliche Empfinden
im Zusammenhang mit situativen Anlässen, emotionaler Befindlichkeit,
oder den lokalen Rahmenbedingungen mit der schon genannten Bezeichnung
abqualifiziert würde: "Geschwätz".
Doppelter Genuss: Wein trinken und darüber reden.
Was Maître Bocuse, warum auch immer, nicht
bedachte, ist die Lust des Weinfreundes, über seine Leidenschaft zu
reden, sich mit Gleichgesinnten über Jahrgänge, Rebsorten und Lagen
auszutauschen, über das Für und Wider von Holzausbau, von Echtkorken,
von Reinzuchthefen oder von Rotwein zum Fisch zu diskutieren und die
Überlegenheit seines Lieblingsweins gegenüber anderen zu begründen. Das
ist wie beim Fußball: So schön das Miterleben eines spannenden Spiels
auch ist, es fehlte etwas ohne die lebhafte Analyse und die taktische
Nachbetrachtung, die Einzelbewertung der Akteure und die Einschätzung
der Trainerleistung. Den Fußballfan nach dem Spiel zu fragen: "War es
gut?" oder "Hat es Dir gefallen?" und ein schlichtes "Ja" oder "Nein"
zu erwarten, wäre eine Geringschätzung des Wesens sowie der sozialen
Funktion von Fußball. Selbstverständlich gehört zum Genuss von Spiel
und anschließendem Palaver eine Grundausstattung an Wissen über die
Regeln und taktische Besonderheiten, an Kenntnissen wenigstens der
renommierten Teams und der herausragenden Spieler sowie an zumindest
theoretischer Kompetenz in Sachen Ballbehandlung, Technik und Fairness.
Zumindest ebenso tiefgründig und facettenreich wie
die vergleichsweise herangezogene Lieblingssportart der Deutschen ist
der Wein, und ebenso gern wird der Wein genossen, erlebt, mit der
persönlichen Erwartung abgeglichen und bewertet, wird darüber
gesprochen, gefachsimpelt, geurteilt, Erfahrungen, Erlebnisse und
Meinungen ausgetauscht und natürlich diskutiert. Wein ist ein
Genussmittel, das der Winzer durch den Anbau von Trauben, deren
Verarbeitung zu Most und der Vergärung des darin enthaltenen
Fruchtzuckers zu Alkohol erzeugt. Soweit, so einfach. Wein ist aber
auch ein Getränk, das seine vielfache Individualität aus dem
Zusammenwirken von Rebsorte, Terroir (Lage, Boden, Klima),
Beschaffenheit des Lesegutes und nicht zuletzt der Arbeit des Winzers
im Weinberg und im Keller erfährt. Wer daher Weinqualität taxieren
will, sollte im Respekt vor der Leistung der Natur und der Leistung des
Winzers zumindest mit dem Rüstzeug eines weinkundlichen Grundwissens
ausgestattet sein. Der Vergleich zur Bewertung eines Fußballmatchs darf
hier gerne noch einmal in Erinnerung gerufen werden. Das heißt nicht,
dass nur der einen Wein einschätzen kann, der mindestens ein
önologisches Grundstudium absolviert hat.
Grundwissen, Kenntnisse für Fortgeschrittene und die Hohe Kunst.
Unverzichtbar zu wissen ist, dass Wein durch
alkoholische Gärung aus dem Saft von Trauben gewonnen wird, dass
Trauben an Rebstöcken wachsen, die von Winzern kultiviert werden, dass
es verschiedene Rebsorten und Anbaugebiete, verschiedene Weinarten und
Qualitätsstufen gibt und was die relevanten Angaben auf dem Etikett
über den Wein aussagen. Immer noch Grundwissen ist, dass der Saft der
Trauben natürlicherweise Fruchtzucker und Fruchtsäure enthält, deren
jeweilige Menge die Beschaffenheit des späteren Weins maßgeblich
bestimmt, dass der Zucker ganz oder teilweise vergoren ist und der Wein
entsprechend mehr oder weniger Alkohol und entsprechend wenig oder mehr
Restsüße enthält, und dass der im Saft der Trauben enthaltene
Zuckeranteil maßgeblich über die spätere Eingruppierung des Weins in
eine der in Deutschland definierten Qualitätsstufen entscheidet. Etwas
für Fortgeschrittene ist dann die Kenntnis der 13 Anbaugebiete in
Deutschland und der wichtigsten der vielen im Anbau befindlichen
Rebsorten sowie die Fähigkeit ein Weinetikett nicht nur lesen, sondern
auch verstehen zu können. Alles Weitere ist Wissen, das den Zugang
öffnet zur Kunst der Weinbereitung, aber auch zur Kunst des
Weingenusses. Dieses Wissen erschließt man am besten durch die Methode
des
learning by doing. Dazu gehören vor allem die sogenannten
spezifischen sensorischen Fähigkeiten, die es dem, der darüber verfügt,
ermöglichen, mittels Riechen und Schmecken Fehltöne zu registrieren,
die sich im Wein verbergen können, wenn schlechtes Erntegut verarbeitet
wurde, wenn während der Verarbeitung etwas falsch gemacht wurde, wenn
Hygienebestimmungen verletzt wurden, der Korken fehlerhaft war oder der
Wein falsch gelagert wurde. Diese Fähigkeiten erlauben es, Aromen im
Wein zu erkennen, zu differenzieren und Aromen außerhalb des
Weinbereichs zuzuordnen. Dann erkennt man im Wein Apfel, oder Birne,
Mango oder Stachelbeere, Kräuter oder Vanille, Tabak oder Paprika und
vieles mehr, und man weiß, über einzelne Aromen oder mehrere in einer
bestimmten Kombination Rebsorten zu identifizieren, kann
nachvollziehen, ob ein Wein im Holz- oder Barriquefass ausgebaut wurde
oder in einem neutralen Gefäß heranreifte und erschließt über das
Registrieren verschiedener mineralischer Töne den Boden in dem die
Reben wurzelten und von da auf den Standort des Weinbergs. Hohe Kunst
ist es dann, spezifische Merkmale des einen oder anderen Jahrgangs oder
gar die prägende Hand des einen oder anderen Winzers wiederzuerkennen.
Zurück zum Grundwissen. Das Grundwissen sollte bei
jedem, der Wein bewusst genießen will als vorhanden vorausgesetzt
werden dürfen. Verinnerlicht zu haben, dass Wein ein Genussmittel ist,
dessen Qualität im Zusammenspiel von natürlichen Gegebenheiten und der
Leistung des Winzers entsteht, schafft ein Bewusstsein, ohne das ein
dem Erzeugnis angemessener Zugang zum Wein nicht möglich ist. Wein ist
kein Produkt, das auf Knopfdruck durch das Mischen verschiedener
Komponenten entsteht, sondern durch seine Rebsorte, seinen Standort mit
dem Zusammenspiel von Geologie, Topographie und Klima und nicht zuletzt
seinen Erzeuger und dessen Arbeit in Weinberg und Keller über eine
individuelle Prägung verfügt. Das nötigt den Respekt ab, den Erzeugnis
und Erzeuger verdienen und der die Aufmerksamkeit der Sinne beim
Weingenuss schärft. Sich Weinwissen schrittweise anzueignen dient auch
dem eigenen Schutz, weil es verhindert dass man angesichts eines ebenso
großen wie vielfältigen Angebots völlig die Orientierung verliert oder
von selbsternannten Experten fehlgeleitet zu werden.
Landwirtschaftskammer stellt Wegweiser zur Orientierung auf.
Eine wichtige Funktion an der Schnittstelle
zwischen Erzeuger und Verbraucher übernimmt in Rheinland-Pfalz, dem mit
Abstand größten Wein anbauenden Bundesland, die Landwirtschaftskammer.
Mit der Amtlichen Qualitätsweinprüfung hat die Kammer die Durchführung
des gesetzlichen Auftrags übernommen, wonach Qualitätswein (auch
Qualitäts-Perlwein und -Sekt) als solcher nur vermarktet werden darf,
wenn festgestellt ist, dass er fehlerfrei ist, den Angaben auf dem
zugehörigen Etikett entspricht und qualitativen Mindeststandards
genügt. Damit weiß der Verbraucher, auch wenn er sich gerade erst an
das Grundwissen heran arbeitet, dass ein Wein, der durch sein Etikett
als Qualitätswein ausgewiesen ist und die Amtliche Prüfnummer (A.P.Nr.
plus Zahlencode) trägt, von einer neutralen Sachverständigenkommission
als einwandfrei und den Angaben auf dem Etikett entsprechend befunden
wurde. Die Prüfstellen der Landwirtschaftskammer testen in dieser Weise
bis zu 120.000 Weine pro Jahr mit einem Volumen von 500 bis 550
Millionen Litern Qualitätswein aus den sechs Anbaugebieten des Landes
Rheinland-Pfalz. Ist die Amtliche Qualitätsweinprüfung eine
obligatorische Maßnahme, der sich kein Winzer, keine
Erzeugergemeinschaft und keine Kellerei entziehen kann, wenn sie
Qualitätswein vermarkten wollen, so ist die ebenfalls von der
Landwirtschaftskammer durchgeführte Landesprämierung für Wein und Sekt
ein Qualitätswettbewerb der freiwilligen Art. Sechsmal pro Jahr lädt
die Kammer zum Wettbewerb um die Goldene, Silberne und Bronzene
Kammerpreismünze. Auch hier werden die teilnehmenden Weine, pro Jahr
bis zu 19.000 von rd. 2.500 Betrieben, von neutralen Fachgremien
anonym, also ohne Kenntnis von Erzeuger oder Abfüller, geprüft und nach
den Kriterien der Amtlichen Qualitätsweinprüfung (Farbe, Geschmack,
Harmonie) bewertet. Dabei reicht aber eine genügende Benotung nicht, um
eine Prämierung zu erringen. Auf der fünfteiligen Skala muss für Bronze
mindestens eine 3,5 erreicht werden, für Silber eine 4,0. Eine Goldene
Kammerpreismünze erhalten nur Weine mit den Höchstnoten zwischen 4,5
und 5,0. Mit der Amtlichen Qualitätsweinprüfung und der
Landesprämierung für Wein und Sekt stellt die Landwirtschaftskammer
Wegweiser auf, an denen sich der Verbraucher orientieren kann und die
dem Winzer objektiv zeigen, wo er mit dem Ergebnis seiner Bemühungen
tatsächlich steht. Bei Weinmessen, -foren und Präsentationen und mit
einer damit verbundenen offensiven Öffentlichkeitsarbeit trägt die
Kammer die durch die Prämierung dokumentierte hohe Qualität der Weine
aus Rheinland-Pfalz in die Öffentlichkeit und heran an die Verbraucher.
Der Verbraucher kann demnach, auch ohne (schon)
über ausgeprägte sensorische Fähigkeiten zu verfügen, anhand von
Gütesiegeln auf der Flasche, zunächst in Form der Amtlichen
Prüfungsnummer, dann aber auch in Form von Kammerpreismünzen in einer
von drei Stufen, mit hoher Treffsicherheit gute bis sehr gute
Qualitäten aus einem riesigen Angebot herausfischen. Um festzustellen,
ob der so gefundene Wein der individuellen Geschmackserwartung
entspricht, gibt es für das persönliche Probieren aber noch keinen
Ersatz. Die auch von Meister Bocuse zugelassene Frage "Ist er gut?"
beantwortet sich mit dem Hinweis auf Prüfnummer und Prämierung,
vorausgesetzt beide sind jüngeren Datums und der Wein wurde seitdem
fachgerecht gelagert. Bei der Frage "Hat er geschmeckt?" aber wird
niemand, der eine Affinität zu Wein besitzt und über ein gewisses Maß
an Wissen über Wein verfügen kann, sich auf ein bloßes Ja oder Nein
reduzieren lassen, sondern auf einer differenzierten Antwort bestehen.
Die darf dann gerne in ein Tischgespräch münden, in dem durchaus
persönliche Ansichten auch kontrovers ausgetauscht werden können. Hier
dürfen dann Meinungen nach Herzenslust vertreten werden, zumal Normen
und Regeln, die einmal den Charakter von Naturgesetzen hatten, wie
Weißwein zum Fisch oder Rotwein zum Käse, keine Geltung mehr besitzen.
Die Antwort auf die Frage, wie viel Weinwissen
erforderlich ist, um Wein angemessen genießen zu können, lautet
demnach: Grundwissen muss sein, mehr Wissen schadet nicht und lässt
sich ohne Lernstress aneignen. Danach bewusst und mit allen Sinnen
genießen.