Physikalische Prozesse
zu wenig verstanden
Giardini
zeigte in einer Veröffentlichung zusammen mit seinem Forscherteam bereits im
August 1, was man aus dem Basler Projekt gelernt hat und wo es
Klärungsbedarf gibt: Die physikalischen Prozesse und Parameter, welche die aktive
Stimulation von Erdbeben aufgrund der Wasserinjektion verursachen und kontrollieren,
sind bisher kaum verstanden. So ist etwa nicht bekannt, wie häufig und wie stark die Erdbeben sein können.
Von
dem europäischen Projekt «Geiser» ( Geothermal Engineering Integrating
Mitigation of Induced Seismicity in Reservoirs), das im Januar
2010 startet, erhofft man sich mehr Erkenntnisse. Vorerst sollten im Zweifelsfall nach
Ansicht von Giardini Projekte der Tiefengeothermie in sicherer Entfernung von
urbanen Zentren zur Stromgewinnung genutzt werden. «Erst wenn wir wissen, wie
sich die tiefengeothermischen Systeme, die EGS, physikalisch verhalten, können wir
sie auch in erdbebengefährdete Regionen nahe an die Städte bringen», sagt
Giardini. Im Fall der derzeit laufenden Bohrung im Triemli sieht er keine grössere
Probleme, da die Region deutlich weniger seismisch aktiv ist als Basel. Ausserdem
handle es sich hier nicht um EGS, da geplant sei, das natürlich zirkulierende
Wasser zu nutzen. Bevor ein Langzeitbetrieb bewilligt wird, gibt es zwei
Sondierbohrungen, auf die eine umfassende Risikoanalyse folgen soll.
Für
Giardini hat oberste Priorität, dass man sich den Erdbebenrisiken, verursacht
durch Geothermiebohrungen, stellt und diese offen benennt. «Jede Technologie
hat Risiken, Dämme können brechen und
Atomkraftwerke Störfälle haben», sagt er. Diese seien auf breiter Ebene
mit Wissenschaftlern, Politikern und der Öffentlichkeit zu diskutieren. Die
offene Frage sei, ob die Gesellschaft einen Weg finde, diese sinnvoll
abzuwägen und ein bestimmtes Risiko zu akzeptieren.
Schweizerischer
Erdbebendienst als «Honest Broker»
Das
Wissenschaftsmagazin «Nature» bat Giardini aufgrund seiner Publikation im
August um seine Meinung2, da diese von öffentlichem Interesse sei.
Mit dem Artikel übernimmt er die Aufgabe eines «Honest Broker» in Sachen
Geothermie, indem er die Chancen und Risiken der Tiefengeothermie darlegt und deren
derzeitige Potentialausschöpfung diskutiert. Er fordert damit nicht nur zur
offenen Diskussion des heiklen Themas auf, sondern schuf auch die Grundlage
dafür und zeigt auf, wo es Handlungsbedarf gibt und welche Fragen geklärt
werden müssen.
Literaturhinweis:
1Kraft
T et al.: Enhanced Geothermal Systems: Mitigation Risk in Urban Areas: EOS
(2009), 90, 237-280.
2Giardini
D: Geothermal quake risks must be faced: Nature (2009), 462, 848-849.
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