24.07.2023 | 11:41:00 | ID: 36964 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarpolitik

Wahlfreiheit sichern, Vorsorgeprinzip erhalten, keine Patente auf Saatgut

Berlin (agrar-PR) - Özdemir muss in Brüssel Gentechnikvorschläge zurückweisen, da sie Verbrauchern, Wirtschaft und Ernährungssicherung schaden
Am 25.Juli 2023 beraten die EU-Agrarminister über einen Gesetzesentwurf der EU-Kommission zur künftigen Regulierung der Gentechnik. Die BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres kommentiert:

„Ein Großteil der Gentechnik-Pflanzen soll nach dem Willen der EU-Kommission künftig weder auf Risiken für Mensch oder Umwelt geprüft werden, noch sollen Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen können, ob sie Gentechnik auf dem Teller haben oder nicht. Damit wird das Prinzip der Wahlfreiheit geschliffen und das Vorsorgeprinzip wird auf den Kopf gestellt.

Global agierende Saatgutunternehmen wollen mit der Gentechnik vor allem erreichen, dass sich Pflanzen patentieren lassen. Damit wollen sie eine Lizenz zum Gelddrucken – zulasten der Bäuerinnen und Bauern und der gesamten Lebensmittelproduktion und Verbraucherinnen und Verbraucher. Die erfolgreiche, breit aufgestellte und dem Opensource-Prinzip basierende Züchtung in Europa wird damit ausgehöhlt.

Bundesminister Özdemir muss in Brüssel dafür sorgen, dass europäische Werte wie das Vorsorge- und Verursacherprinzip, die Wahlfreiheit der Verbraucher und eine gentechnik- und patentfreie Lebensmittelproduktion gestärkt werden! All das geht mit der vorgelegten Regelung der EU-Kommission nicht, die blind den Heilsversprechungen derjenigen folgt, die seit Jahrzehnten Lösungen versprechen, aber nicht liefern, obwohl viele Milliarden an staatlichen Mitteln hineingeflossen sind.

Gentechnik ist ein Beschleuniger für Monokulturen und Pestizideinsatz und hat bislang zu keiner Lösung der großen Herausforderungen der Landwirtschaft bei Klimawandel und Verlust der Artenvielfalt beigetragen.“

Hintergrund
Am 5. Juli 2023 hat die EU-Kommission ihren Gesetzentwurf für Neuregelung der Gentechnik vorgelegt. Er wird nun von den EU-Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament beraten. Wenn sie die bestehenden Gentechnikregelungen verändern wollen, müssen sie sich auf einen Gesetzestext einigen. Ob sie dies bis zur Wahl des EU-Parlaments im Sommer nächsten Jahres bewerkstelligen, ist offen. Künftig soll das EU-Gentechnikrecht über eine „Verordnung“ unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten. Bisher gilt eine „Richtlinie“, die den Rahmen für beispielsweise das deutsche Gentechnikgesetzt gibt.

Die EU-Kommission will die Gentechnikregeln so verändern, dass bestimmte Gentechnikverfahren wie z. B. CRISPR-Cas praktisch nicht mehr darunterfallen, obwohl damit fundamentale Eingriffe in das Genom von Lebewesen möglich sind.

Nach den Ideen der EU-Kommission soll es künftig zwei verschiedene Kategorien von Gentechnikpflanzen geben. Solche die angeblich „gleichwertig“ zu konventionellen Pflanzen sein sollen, mit Genmanipulationen an bis zu 20 Stellen im Genom. Dort darf zusätzlich auch “eine beliebige Zahl” von Gen-Bausteinen entfernt werden. Für diese Gentechnikpflanzen soll keine Risikoprüfung oder Kennzeichnung erforderlich sein. Für den Vergleich mit anderen Pflanzen und insbesondere für die gesundheitliche und ökologische Risikoabschätzung wären neben der Zahl von Veränderungen auch die veränderten Eigenschaften (z. B. Toxin-Produktion o. ä.) relevant. Dies wird im EU-Vorschlag nicht adressiert. Die Kommission legt keine wissenschaftliche Herleitung dieser Kategorie vor. Für diese Gentechnikpflanzen soll es kein Zulassungsverfahren und damit auch keine Risikoprüfung und keine Kennzeichnung mehr geben. Sie sollen künftig nur „angemeldet“ werden. Ausschließlich das Saatgut soll als „NGT“ gekennzeichnet werden müssen.
Es muss davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der künftigen Gentechnikpflanzen in diese sogenannte „Kategorie 1“ fallen wird. 

Alle anderen neuen Gentechnikpflanzen werden der sogenannten „Kategorie 2“ zugeordnet. Für sie soll es ein abgeschwächtes Zulassungsverfahren einschließlich Risikoprüfung geben. Sie sollen auch weiterhin als Gentechnik gekennzeichnet werden. Mögliche unbeabsichtigte Veränderungen in Genom oder in Stoffwechselprozessen der Pflanzen sollen nicht mehr untersucht werden müssen, obwohl erfahrungsgemäß gerade aus ihnen Gefahren für Mensch oder Umwelt entstehen können. Auch das Monitoring möglicher Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit soll deutlich reduziert werden. Die im bisherigen Gentechnikrecht verankerte Pflicht zur Vorlage eines Nachweisverfahrens soll für diese Gentechnik-Pflanzen entfallen können, wenn der Antragsteller „belegen“ kann, dass ein derartiger Nachweis technisch nicht möglich sei. 

Insgesamt würde es nach dem Vorschlag der Kommission drei unterschiedliche Gentechnik-Regelungen geben:
A) die bisherigen Regeln für Gentechnik mit Fremd-Genen („transgene Pflanzen“)
B) Gentechnik-Pflanzen der Kategorie 1, Gentechnik-Pflanzen der Kategorie 2.
Für die Land- und Lebensmittelwirtschaft sind damit erhebliche bürokratische Lasten und Risiken verbunden.

Kein „Opt-out“: Anders als bei bisherigen GVO sieht der Vorschlag vor, dass die EU-Staaten auf ihrem Gebiet den Anbau oder die Verwendung von Gentechnik-Pflanzen der Kategorie 1 oder 2 nicht einschränken oder verbieten dürfen. Deutschland hatte von der Regelung Gebrauch gemacht und den Gentechnikmais MON810 aufgrund von ökologischen Gefahren verboten. Diese Pflanze stellt das Insektengift eines Bakteriums her, was auch Nützlinge schädigt.
In der ökologischen Produktion sollen alle drei Kategorien von Pflanzen und daraus gewonnenen Produkten weiterhin ausgeschlossen sein. Wie das gelingen soll, wenn Gentechnikprodukte ohne Kennzeichnung am Markt sind, lässt die Kommission offen.

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