Zürich (agrar-PR) - Ein Sonderband der Fachzeitschrift «Journal of Geophysical Research» befasst sich in über 20 Publikationen mit dem noch jungen Forschungsthema «global dimming» und «global brightening». Das sind Phänomene, die, vermutlich vom Menschen hervorgerufen, die Sonneneinstrahlung regulieren und damit das Klima beeinflussen.
Bereits
seit dem Jahr 1923 registrieren spezielle Messgeräte die auf den Erdboden
einfallende Sonnenstrahlung. Aber erst mit dem Internationalen
Geophysikalischen Jahr 1957/58 wurde allmählich ein weltweites Messnetz
installiert. Die Daten zeigen den Wissenschaftlern auf, dass die von der Sonne
gelieferte Energie auf der Erdoberfläche über die Jahrzehnte stark schwankt und
das Klima entsprechend beeinflusst.
Forschungsschwerpunkt an
der ETH Zürich
Welche
Faktoren die Sonneneinstrahlung vermindern oder verstärken und somit zum
«global dimming» oder «global brightening» führen, ist ein noch junges
Forschungsgebiet, auf dem sich vor allem Wissenschaftler der ETH Zürich einen
Namen gemacht haben. Nun hat die American Geophysical Union (AGU) einen
Sonderband zum Thema herausgebracht, der den bisherigen Erkenntnisstand
umfassend darlegt und einen wichtigen Beitrag für die Klimawissenschaften
liefert. «Erst jetzt, insbesondere mit Hilfe dieses Sonderbandes, wurde die
Forschung in diesem Bereich so richtig lanciert», betont Martin Wild, Senior
Scientist am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich, der sich auf das
Thema spezialisiert hat.
Abnehmende
Sonneneinstrahlung entdeckt
Die
ersten Erkenntnisse darüber, dass die Sonneneinstrahlung nicht konstant ist,
sondern über die Jahrzehnte stark variiert, wurden in den späten 80er und
frühen 90er Jahren für lokale Bereiche der Erde publiziert. Beispielsweise
entdeckte Atsumu Ohmura, Professor Emeritus an der ETH Zürich, zu jener Zeit,
dass die Sonneneinstrahlung über Europa zwischen den 1950er- und 1980er Jahren
deutlich abnahm. Erst 1998 gab es für die grossen Regionen wie Afrika, Asien,
Nordamerika und Europa die erste den Globus umspannende Studie, nach der die
Oberflächen-Sonneneinstrahlung zwischen den 1950ger Jahren und 1990 pro
Jahrzehnt im Schnitt um zwei Prozent abnahm.
Wild
und Kollegen fanden aber bei der Analyse neu erhobener Daten heraus, dass die
Sonneneinstrahlung ab 1985 allmählich wieder zunahm. In einer Publikation in
«Science» prägten sie im Jahr 2005 dafür den Begriff «global brightening»,
nachdem bereits 2001 der Begriff «global dimming» für die zuvor festgestellte
abnehmende Sonneneinstrahlung lanciert wurde.
Erst
kürzlich hat eine Publikation in der Zeitschrift «Nature», an der Wild auch
beteiligt war, Wellen geschlagen und die Thematik des «global dimming/brightening»
ins Rampenlicht gebracht.
Luftverschmutzung begünstigt
Kohlenstoffaufnahme
In
dieser Studie untersuchten die Wissenschaftler erstmals den Zusammenhang
zwischen dem «global dimming/brightening» und dem Kohlenstoffkreislauf. Es
gelang ihnen zu zeigen, dass aufgrund der erhöhten Aerosol- und Wolkenbildung
während Zeiten des «global dimming» mehr
Streulicht erzeugt wird und die Pflanzen CO2 effizienter aufnehmen
als bei sauberer und klarer Luft. Die Ursache sehen die Wissenschaftler darin,
dass Streulicht im Vergleich zum direkten Sonnenlicht tiefer in die Vegetation
eindringt und die Pflanzen somit das Licht wirkungsvoller zur Fotosynthese nutzen.
Zwischen 1960 und 1999 seien deshalb rund 10 Prozent mehr Kohlenstoff in der
terrestrischen Biosphäre gebunden worden.
Der Sonderband, der im
renommierten Fachmagazin «Journal of Geophysical Research» der AGU erscheint, verschafft einen Überblick
über den bisherigen Kenntnisstand. Fast die Hälfte der Publikationen des
Sonderbands sind entweder vollständig oder teilweise von ETH-Wissenschaftlern
verfasst. Wild ist Guest-Editor des Bandes und selbst Verfasser und Mitautor
von zehn Publikationen.
Die Publikationen vermitteln
ein erstes Bild davon, wie stark die Effekte sind, wie sie räumlich und
zeitlich variieren und was die möglichen Konsequenzen für den Klimawandel sind.
Dabei werden auch ausführlich die dahinterstehenden Ursachen und Mechanismen
diskutiert, da noch viele Phänomene nicht erklärt werden können.
Noch
viele Fragen offen
Unklar ist nämlich, ob es
die Wolken oder die Aerosole sind, die «global dimming/brightening» auslösen,
oder gar Wechselwirkungen zwischen Wolken und Aerosolen, da Aerosole die
«Helligkeit» und Lebensdauer der Wolken beeinflussen können. Die Erforschung
dieser Zusammenhänge ist für die Wissenschaftler schwierig, da nur ungenügend
oder sogar gar nicht gemessen wurde, wie sich die Wolken und der Aerosolgehalt
in der Atmosphäre über die letzten Jahrzehnte entwickelt haben. Die in den
vergangenen Jahren neu gestarteten Satelliten-Mess-Programme sollen vom
Weltraum aus für die Zukunft diese Lücke schliessen helfen.
«Es gibt noch einen enormen
Forschungsbedarf, da noch viele Fragen offen sind», hält Wild fest. Hierzu
zählen etwa die Grössenordnung des Effekts auf der globalen Ebene und wie stark
sich der Effekt in den Städten und in ländlichen Gegenden, in denen weniger Aerosole
in die Umwelt gelangen, unterscheidet. Eine grosse ungeklärte Frage ist auch,
was über den Ozeanen passiert. Denn von dort gibt es bisher kaum Messdaten.
Eine
weitere Herausforderung ist für die Forschenden, die Effekte des «global
dimming/brightening» besser in die Klimamodelle zu integrieren, um deren
Auswirkung auf den Klimawandel besser zu verstehen. Denn einerseits weisen
Studien darauf hin, dass «global dimming» die tatsächliche Erwärmung und somit
den Klimawandel bis in die 1980er Jahre hinein maskiert hat. Auf der anderen
Seite zeigen die publizierten Studien auch, dass die Modelle, die im vierten
Assessment Report des Intergovernmental Pannel on Climate Change (IPCC)
verwendet wurden «global dimming/brightening» nur unzureichend abbilden: Weder das «dimming» noch das
darauffolgende «brightening» wird von den Modellen vollständig simuliert. Dies liegt
laut den Wissenschaftlern vermutlich daran, dass die Prozesse, die das «global
dimming/brightening» verursachen, nicht ausreichend berücksichtigt wurden,
und die historischen, vom Menschen
verursachten Emissionsraten, die in die Modelle einfliessen, mit grossen
Ungenauigkeiten behaftet sind.
«An
der ETH arbeiten wir deshalb mit einer Entwicklungsversion eines globalen
Klimamodelles, das wesentlich detailliertere Aerosol und Wolkenmikrophysik
beinhaltet und «global dimming/brightening» besser wiedergeben kann», sagt
Wild. Für ihn sind die Studien «erste» Abschätzungen, auf die nun weitere
Forschungsarbeiten folgen müssen.