«Bis
zum Jahr 2100 wird sich unser Klima um mehr als fünf Grad erwärmen», hielt
Umweltphysiker Nicolas Gruber zu Beginn des Science Talk vom Sonntag nüchtern
fest: «Wir haben bis jetzt nichts in der Hand, um diese Entwicklung zu
stoppen.» Eine Frage, die sich dringend stelle, sei die nach dem Umgang mit
fossilen Brennstoffen. «Wir verbrauchen unsere Ressourcen, um Energie
herzustellen, aber haben noch keine echten Alternativen», sagte Gruber.
Um
diese Themen drehte sich das Gespräch zwischen Corine Mauch und
Nicolas Gruber, ETH-Professor am Institut für Biogeochemie und
Schadstoffdynamik.
Corine Mauch, die an der ETH in Agrarökonomie diplomierte, war sieben Jahre lang
in der Gruppe für Quantitative Geographie und Humanökologie an der ETH Zürich
tätig und beschäftigte sich dabei auch mit Klimafragen: Warum handeln wir
nicht? Und warum ist es so schwierig, das eigene Handeln zu ändern? Inzwischen
setzt sie sich auf politischer Ebene für die Umsetzung der
2000-Watt-Gesellschaft ein, die Grubers Doktorvater, ETH-Professor Dieter
Imboden, in den 90er Jahren an der ETH entwickelte.
Schritte
zur 2000-Watt-Gesellschaft
Bis
zur Verwirklichung der 2000-Watt-Gesellschaft in der Gemeinde ist es noch ein
weiter Weg, betonte Gruber. «Wir sind zurzeit bei einem Dauerverbrauch von 6000
Watt pro Person, was der Leistung von 60 100-Watt-Glühbirnen entspricht, die
pausenlos brennen.» Gemäss Mauch muss deshalb konsequent gehandelt werden,
damit das ehrgeizige Ziel bis 2050 tatsächlich erreicht werden kann. «Die öffentliche Hand
spielt dabei eine wichtige Rolle», erklärte sie, «eine Stadt hat ein hohes
Investitionsvolumen im Hoch- und Tiefbau, und wir wollen uns deshalb
vorbildlich verhalten.» Als Beispiel nannte sie unter anderem das Bettenhaus
Triemli, das gemäss Minergie-P-Eco-Standard geplant ist. Für geradeso wichtig
hält sie aber Veränderungen im nichtstaatlichen Bereich. Dazu gehören, dass die
Bevölkerung den öffentlichen Verkehr besser nutzt, der private Einsatz von
Solarkollektoren und das Beziehen von Solarstrom vom EWZ.»
Sowohl
Mauch wie Gruber halten es für unverzichtbar, dass Bedingungen geschaffen
werden, die für Unternehmen wie Private gelten. «Es muss Leitplanken geben»,
sagte Mauch. Und dieser Wunsch käme auch gerade von den Unternehmen selbst. «Viele
Firmen möchten durchaus etwas für das Klima tun, aber sie wollen nicht
wirtschaftlich benachteiligt sein gegenüber Konkurrenten, die nicht handeln.»
Ähnliches spiele sich im Kleinen ab. «Der Einzelne denkt sich: Warum sollte ich
auf ein grosses Autos verzichten, wenn es die anderen nicht tun? Ich habe nur
die Belastung, aber nicht den Nutzen.»
Konsens
als Chance
In
Bezug auf einen Konsens auf internationaler Ebene setzt Gruber grosse
Hoffnungen in die kommende Klimakonferenz von Kopenhagen. «Der Mehrheit aller
Staaten ist das Problem bewusst, und dass wir nicht mehr zuwarten dürfen. Eine
global bindende Übereinkunft muss möglich sein. Alle Länder müssen mitmachen,
sodass niemand von den CO2-Reduktionen auf Kosten anderer profitieren kann.» Er
nimmt an, dass wenn ein Konsens gefunden wird, er zwar nicht so gut sein wird,
wie er müsste. Er hält es aber für entscheidender, überhaupt Vereinbarungen zu
treffen, statt das Maximale zu erreichen.
Mauch
teilte denn auch Grubers Hoffnungen und wird in ihrer Funktion als
Stadtpräsidentin selbst an der Konferenz teilnehmen – was Gruber freut. «In
zehn oder zwanzig Jahren wird die Mehrheit der Menschen in Städten wohnen»,
prognostizierte er, «und wenn aus den Städten Druck kommt, wird das
schliesslich Wirkung zeigen. Da haben die Städte einen Hebel.» Damit die
Umsetzung von Massnahmen national und international klappt, hält Mauch das
Definieren von Zwischenschritten für wesentlich.
Wie
sich im Verlauf der Veranstaltung zeigte, kämpfen Mauch und Gruber nicht nur
für ähnliche Anliegen, sondern haben zahlreiche andere Gemeinsamkeiten. So
wurden beide im Ausland geboren: Gruber in Peru, Mauch in den USA. Zudem
prägten spätere Auslandaufenthalte ihre Weltsicht. Beide pflegen ein intensives
Hobby. Gruber spielt Eishockey, Mauch macht Rockmusik. Sie trafen ihre
Studienwahl aufgrund ihres Interesses an Umweltfragen, beide studierten und
forschten an der ETH Zürich.
Schubkraft
eines Supertankers
In
der anschliessenden Kurzvorlesung mit dem Titel «Dreiecksbeziehung oder die
Zukunft des Klimas» hob Gruber besonders die Rolle und Bedeutung des Menschen
im Dreieck Kohlenstoffkreislauf-Klima-Mensch hervor. «Wir beeinflussen das
Klima unter anderem durch die Wirtschaft, die Bevölkerungszahl und den Handel»,
sagte er. Dabei sei der Mensch in den letzten zwanzig Jahren einem Extremszenario
gefolgt. «Weniger als zwei Grad Erwärmung schaffen wir nicht, denn gemäss
Supertanker-Analogie haben wir immer noch eine Schubkraft, wenn der Antrieb
fehlt.» Er betonte, dass die Klimaerwärmung wissenschaftlich hieb- und
stichfest abgestützt sei. Seit zwanzig Jahren gebe es den Weltklimarat, der
alle sechs bis sieben Jahre in seinem Report zum selben Schluss komme. Es gelte
nun zu verhindern, dass kritische Grenzen überschritten würden.